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Sylvia Obergfell
Die Erbsenkönigin
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Inhaltsverzeichnis
Ein Fest und drei schlaue Herren
Ein hinterhältiger Arzt und eine schwere Prüfung
Ein neuer Plan und eine lange Reise
Ein außergewöhnlicher Palast, eine fantastische Idee und ein klein-großer Magier
Allerlei Zauberformeln und ein weinroter Trank
Ein reißender Bach und ein schräger Vogel
Veränderte Zeiten und drei dreiste Räuber
Treue Freunde und ein rettendes Gasthaus
Eine leere Mühle und ein dunkles Gefängnis
Eine schnelle Befreiung und ein verliebter Räuber
Eine rauschende Party, ein verhängnisvoller Fehler und ein gefangener Spion
Ein rasanter Flug und eine eitle Brieftaube
Eine gute und eine schlechte Nachricht
Zwei überrumpelte Soldaten und ein trauriger Jungkoch
Eine besondere Suppe und ein wilder Kampf
Ein Ende ohne Schrecken und ein Neubeginn
Im Erbsenland
Eine kleine, grüne Kugel mit glatter, teils leicht schrumpeliger Oberfläche, die weich, zart und ein wenig mehlig schmeckt: Das ist die Erbse und natürlich dürfen wir annehmen, dass es im Land der Erbsenkönigin erbsig aussieht, ganz abgesehen davon, dass es dort auch äußerst erbsig zugehen sollte. Dort gibt es überall Häuser aus überdimensional großen Erbsen, die Straßen sind mit Millionen harter Erbsen gepflastert, die Kleider sind mit vielen Erbsen behangen, die Flüsse sind nicht blau sondern erbsengrün, ebenso wie der Himmel, an dem es nur Wolken in Erbsenform gibt. Die Bewohner haben alle einen erbsenförmigen Körper mit grünlicher Haut und sie haben alle denselben Beruf: Erbsenbauer. Die Leute im Erbsenland unterhalten sich auf Erbsisch, eine Sprache die tausende Wörter für grün kennt, aber kein einziges für eine andere Farbe, denn im Erbsenland ist bekanntlich alles grün. Ebenso kennt diese Sprache kein Wort für eckig oder gerade, denn im Erbsenland ist alles rund, das ganze Straßensystem ist rund angelegt. Geht man an einem Punkt los, kommt man bald darauf wieder dort an, denn alle Wege führen immerzu im Kreis. Will man einen bestimmten Punkt erreichen, muss man geschickt von einem Kreis zum nächsten wechseln, das so genannte kreiseln. Die Fortbewegung der Erbsenlandbewohner findet auf die natürlichste Weise statt, sie kugeln sich selbst, wobei sie hohe Geschwindigkeiten erreichen, Nachahmung nicht empfehlenswert. Die Königin des Landes wohnt natürlich in der größten überdimensionalen Erbse und ist auch mit Abstand die größte Person im Land. Hunger kennt man nicht im Erbsenland, denn da jeder Bewohner Erbsenbauer ist, gibt es immer genügend zu essen.
So könnte man sich das Land der Erbsenkönigin vorstellen, aber da die wahre Erbsenkönigin kein erbsenförmiges Wesen, sondern nur ein gewöhnlicher Mensch war, lebte sie auch nicht im Erbsenland, obwohl man sagen muss, dass ihre Figur tatsächlich ein wenig an eine Erbse erinnerte. Sie war klein und vieles an ihr war rund: der Bauch, der Kopf und die Backen. Ihr Land war zwar nicht erbsig, es war aber trotzdem wunderschön, eingerahmt von hohen Bergen gab es dort sanfte Hügel, plätschernde Flüsse, stille Seen zwischen ruhigen Wäldern und große Gemüsefelder. Die Erbsenkönigin war bei allen Menschen weit und breit nur unter diesem Namen bekannt, ihren richtigen Namen kannten wohl die wenigsten, er ist aber auch nicht so wichtig. Das lag daran, dass die Erbsenkönigin Erbsen über alles liebte. Sie aß am allerliebsten diese kleinen, grünen Kugeln und das zu jeder Tages- und Nachtzeit und in den unterschiedlichsten Variationen. Ein Essen ohne Erbsen kam für die Königin nicht in Frage, deshalb gab es schon morgens zum Frühstück ihre Lieblingsspeise, mittags sowieso, zwischen den Mahlzeiten auch und natürlich wurde der Tag auch mit einer leckeren Erbsenmahlzeit abgeschlossen. Viele Leute wunderten sich, ob denn die Königin Erbsen nicht einmal satt haben würde, aber darauf warteten sie vergebens, denn die Königin freute sich jeden Tag aufs Neue auf ihre Erbsengerichte. Ging die Königin abends ins Bett, träumte sie ganz sicher von Erbsen und wahrscheinlich auch vom Erbsenland, in dem sie sicher gerne gewohnt hätte. Aber die Königin aß nicht nur gerne Erbsen, in ihrem Leben drehte sich auch sonst alles um die kleine Hülsenfrucht. Sie erfand Erbsenspiele, entwarf Kleider im Erbsenstil, entwickelte Erbsenmöbel, malte Erbsenbilder und beschäftigte sich mit dem Anbau von Erbsen auf dem Feld. Darin war die Königin wirklich unschlagbar. Sie wusste alles über Bodenpflege, passenden Standort und die richtige Bewässerung von Erbsenpflanzen, zudem kannte sie die richtige Erntemethode und die richtige Lagerung der Erbsen. Die Königin erfand außerdem Kindergeschichten, in denen es um Erbsen ging, manchmal verfasste sie auch ein kleines Gedicht. Einige Leute schüttelten den Kopf, wenn sie von der Erbsenverrücktheit ihrer Königin sprachen, trotzdem war die Königin allseits beliebt, sie war eine offenherzige, intelligente Frau, die nie etwas getan hätte, was ihrem Land hätte schaden können. Deshalb sahen die Menschen gerne über ihr kleines Laster hinweg, die meisten fanden es sogar recht interessant, Wetten abzuschließen, was die Erbsenkönigin wohl als nächstes ausgetüftelt hatte. Die Erbsenkönigin, wie sollte es auch anders sein, lebte in einem hübschen, kleinen Schloss, dessen Zimmer mit Erbsenstühlen, Erbsenbildern und Erbsenbettwäsche geschmückt waren und das einen Turm mit einem Erbsendach besaß, in dem das Zimmer der Königin lag. Der Koch des Schlosses kannte Tausende verschiedene Erbsengerichte, von Erbsensuppe, Erbsensalat und Erbsenpüree, über Nudeln mit Erbsensoße, überbackene Erbsen und Erbsenomelett bis hin zu Erbsenkuchen, Erbsenpudding und Erbsenkaltschale. Zu dem Schloss gehörte ein riesiger Garten, in dem nur Erbsen angebaut wurden und ein kleinerer Blumengarten, in dem die Königin spazieren ging. Obwohl also die Erbsenkönigin kein Erbsenwesen war und auch nicht im Erbsenland lebte war sie ganz sicher die erbsigste Person auf Erden und genau hier beginnt unsere Geschichte.
Ein Fest und drei schlaue Herren
Von überall her auf der Welt kamen die Besucher zum Schloss, um sich die ungewöhnlichen Zimmer anzusehen und eines der leckeren Gerichte zu kosten. Der Königin gefiel das, denn sie war eine sehr gesellige Frau, deshalb