einer Niedertracht schuldig werden, die mich des Lebens unwürdig macht, ach Gott! Liebe anzubieten, nur um Mitleid zu heischen! Das ist unerträglich! Was hat mich verhext, einen Gedanken zu hegen, der selbst die Verruchteste unter meinem Geschlecht erröten ließe? Zu Fetzen mit diesem schamlosen Zeugen meines Irrsinns..."
Sie zerriss das Papier.
"... meine zornigen Begierden mögen meinen Frieden, doch niemals meine Ehre zerstören, die noch mit meinem Namen verbunden ist, wenn die Liebe und das Leben längst geflohen sind.“
Sie fuhr in dieser Stimmung fort, ohne sich beruhigen zu können, bis der Tag anbrach und Charlo mit einer Nachricht zurückkehrte, die ihren schlimmsten Vermutungen bestätigte. Er berichtete, er hätte mehrmals zum Salon Zutritt erhalten unter dem Vorwand, Botschaften für einige der Damen zu überbringen, und dass alle Gespräche darüber gingen, wie empfänglich D´Elmont für Schönheit nun doch geworden sei, und dass er diesen Gentleman in einer sehr persönlichen Unterhaltung mit Amena beobachtet und dass dieser ihr mit seiner Kutsche zuhause seine Aufwartung gemacht habe.
„Ich ahnte es doch“, sagte Alovisa, die aufgeregt umherlief, „und zu meinem übrigen Elend kommt hinzu, dass ich meiner Rivalin zu ihrem Glück verholfen habe. Was auch immer sein Verlangen war, er hat es sorgfältig verborgen, bis mein verfluchter Brief es ans Licht brachte. Stur war ich und hatte viel zu viel Vertrauen in diesen kleinen Schönling!“
Hier hielt sie ein, wischte sich ein paar Tränen ab, die ihr über die Wangen liefen, und gestattete Charlo zu fragen, ob sie weitere Befehle für ihn hätte.
„Ja“, sagte sie. „Ich werde diesem unverständigen Mann nochmals einen Brief schreiben und lasse ihn wissen, dass es nicht Amena ist, die seine Liebe verdient. Damit schmälere ich meine Ehre nicht, und es wird mich zumindest erleichtern, wenn ich ihn über die falsche Vorstellung aufkläre, die er von ihrem Verstand hat, denn ich bin mir fast sicher, dass er sie für die Autorin jener Zeilen hält, die sich für mich als so verheerend erwiesen haben.“
Während sie so sprach, ergriff sie ohne weitere Überlegung erneut ihre Feder und schrieb diese Worte:
´An den Count D´‘Elmont.
Wenn Ehrgeiz ein Makel ist, dann nur bei jenen, die nicht ausreichend Verdienst haben, um ihn zu rechtfertigen. Ein Übermaß an Bescheidenheit macht Euch noch größer, und Euer Charakter und Eure Eigenschaften sind zu bewunderungswürdig, als dass Ihr nötig hättet, Euch zu rechtfertigen oder mit Erfolgen zu schmücken. Der Himmel hat Euch, der Ihr von ihm in so besonderer Weise vom Rest der Menschheit ausgezeichnet wurdet, nicht dazu bestimmt, nach vulgären Eroberungen zu streben, und so könnt Ihr nicht, ohne augenscheinlich seinem Willen zu widersprechen und Euch selbst in nicht wiedergutzumachender Weise zu beschämen, Euer Herz an Amena verschenken, wenn eine andere, die mindestens genauso schön und ihr in jeder weiteren Hinsicht hoch überlegen ist, alles opfern würde, um in den Besitz der glorreichen Trophäe zu gelangen. Haltet ein in Eurem blinden Tun und strebt nach Höherem, so werdet Ihr ohne Schwierigkeit entdecken, wer sie ist, die nach Euch schmachtet und beinahe sterben würde für eine Gelegenheit, Euch folgendes zu bekennen, ohne allzu sehr gegen das Gebot der Bescheidenheit zu verstoßen: ihre Seele mit all ihren Fähigkeiten ist ohne Wenn und Aber
Auf ewig die Eure.´
Das gab sie dann Charlo, damit er es mit der gleichen Sorgfalt überbringe wie die erste Nachricht. Doch er war kaum aus dem Haus, als sie von einer neuen Angst befallen und von Reue über ihren Mangel an Umsicht erfasst wurde.
„Was habe ich getan?“, schrie sie. „Wer weiß denn, ob D´Elmont diese Briefe nicht Amena zeigt, der meine Handschrift ganz vertraut ist; dann wird keine Frau auf der Welt so bloßgestellt und so elend dran sein wie ich.“
So steigerte sie sich in Vorstellungen hinein, um sich selbst zu quälen; tatsächlich war diese Vermutung alles andere als unwahrscheinlich. Es gibt zu viele Menschen von geringem Format, die mit einem solchen Abenteuer prahlen würden.
D´Elmont aber, obwohl ihm die Befriedigung seiner Neugier einen Gutteil seines Vermögens wert wäre, zöge es eher vor, für immer über eine Angelegenheit im Dunkel zu bleiben, als zu Mitteln zu greifen, die den Ruf einer Lady gefährden könnten. Er erkannte nun seinen Irrtum und dass es nicht Amena war, die sich auf diese Weise um ihn bemüht hatte. Wahrscheinlich war es ihm nicht unangenehm, dass sie eine Rivalin von solcher Bedeutung hatte, wie der Brief es nahelegte; allerdings hatte er Amena schon zu viele schöne Dinge gesagt, als dass er sie verlieren wollte, und hielt es für unvereinbar mit seiner Ehre als auch mit seiner Neigung, einen Angriff abzublasen, bei dem er ohne Zweifel den Sieg davontragen würde.
Da die junge Amena (die nur wenig Geschick in der Kunst der Täuschung besaß, die für ihr Geschlecht so erforderlich ist) die Freude nicht verbergen konnte, die ihr seine Avancen bereiteten, und ohne jedes Zögern ihm versprochen hatte, ihn am nächsten Tag in den Tuilerien zu treffen, vermochte nichts von dem, was die unbekannte Lady ihm geschrieben hatte, ihn davon abzubringen, diese Verabredung zu einzuhalten und ihr eine weitere folgen zu lassen, und wieder eine weitere, und so fort, bis er anfing sich einzureden, er wäre von einer Leidenschaft gerührt, die er zunächst nur hatte vorgaukeln wollen. Es ist sicher dieser Selbstbetrug, der in ihm Begierden weckte, die kaum verschieden waren von dem, was man gemeinhin Liebe nennt, und ihn dazu verleitete, seine Attacken auf eine Weise zu verdoppeln, dass Amena all ihre Tugend aufbieten musste, um ihnen zu widerstehen. Doch wie sehr sie sich auch verpflichtet fühlte, solche Versuche zu verübeln, er verstand es, sich herauszureden, indem er die Schuld dafür, dass er sich ihr gegenüber allzu charmant und allzu liebevoll zeigte, dem Ungestüm seiner Leidenschaft anlastete, obwohl es da nichts zu verzeihen gab. Das brachte Amena mit ihrem großzügigen und offenen Gemüt an den Rand des Zusammenbruchs, und D´Elmont sann nach Mitteln, um seine Absicht verwirklichen, als ihr Page ihm diesen Brief überreichte:
´An den Count D´Elmont.
Einige böswillige Personen haben versucht, die kleine Konversation, die ich mit Euch führte, als frevelhaft hinzustellen. Um solchen Verleumdungen einen Riegel vorzuschieben, muss ich mir zukünftig die Ehre Eurer Besuche versagen, außer mein Vater befiehlt mir, sie entgegenzunehmen, denn nur er hat die Verfügungsgewalt über
Amena.´
Die Bestürzung, in die er beim Lesen dieser Zeilen geriet, die sich so sehr von ihrem früheren Verhalten unterschieden, kann man sich leichter vorstellen als mit Worten ausdrücken. Dann aber fiel sein Blick auf etwas am Boden, er entdeckte einen kleinen Zettel, der beim Öffnen des Briefes herausgefallen war, und hob ihn hastig auf. Er enthielt diese Worte:
´Ich kann erahnen, wie überrascht mein liebenswerter Freund ist, habe aber nicht die Zeit, um das Geheimnis zu enträtseln: Ich bitte Euch, am Abend in Eurer Wohnung zu sein, und ich werde einen Weg finden, Euch etwas zu schicken.´
Das war der Augenblick, in dem D´Elmont dämmerte, dass eine Liebschaft von dieser Art Verwirrungen mit sich brachte, die er nicht vorausgesehen hatte. So blieb er den ganzen Tag zuhause und erwartete ungeduldig die Aufklärung einer Angelegenheit, aus der er im Moment nicht schlau wurde. Als die Dämmerung heraufzog, führte sein Diener eine junge Frau herein, die er sofort als Anaret erkannte, eine Dienerin von Amena. Er ließ sie Platz nehmen und drückte seine Hoffnung aus, sie sei gekommen, um Licht in die Angelegenheit zu bringen, wofür er ihr sehr dankbar sei, und sie möge mit ihren Ausführungen gleich beginnen.
„Mein Lord“, sagte sie, „ich erfülle diesen Auftrag mit unaussprechlichem Bedauern. Meine Herrin hat mich angewiesen, Euch einen Bericht von ihrem Unglück zu geben; um Euch aber nicht länger im Ungewissen zu lassen, was Euch augenscheinlich unangenehm ist, teile ich Euch mit, dass meine Herrin, bald nachdem Ihr gegangen wart, in ihr Gemach heraufkam, wo wir, als ich mit ihrem Auskleiden beginnen wollte, Monsieur Sanseverin in wütendem Ton nach dem Aufenthalt seiner Tochter fragen hörten, und als er erfuhr, dass sie oben sei, sahen wir ihn augenblicklich mit einem so wutentbrannten Gesichtsausdruck hereinkommen, dass wir in Todesangst verfielen.
´Missbraucht hast du meine Milde´, rief er, ´und die Freiheit, die ich dir gewährte! Konnte dich der Gedanke an unsere Familienehre oder deinen Ruf oder meinen ewigen Seelenfrieden von solch unanständigen Handlungen