Thomas Ostwald

MAGAZIN für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur


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es Watson, ihn nach Wien zu locken. Dort machte gerade der junge Dr. Sigmund Freud seine ersten psychoanalytischen Experimente (zeitlich käme das durchaus hin).

      Freud fordert den Holmes-Komplex zutage: auf der Psychiater-Couch! An dieser Stelle möchte ich das Zitat aus der „Welt“ kurz unterbrechen, um alle May-Kenner und Freunde aufmerksam zu machen, wie sich doch die Bilder gleichen: Man lese und staune, was den Komplex des Superdetektivs einst verursachte: „Die Mutter hat den Vater betrogen, der Vater hat sie dafür umgebracht. Und der böse Professor Moriarty hat dem Studenten alles erzählt. So wird der Weiterhin Holmes’ erklärt, so gerät Professor Moriarty in der Sicht seines Studenten zum Weltfeind Nr. 1. Erst als Holmes geheilt ist und nur noch gelegentlich kokst, wendet er sich zusammen mit Watson der Detektivarbeit zu.“

      Eine große Gefahr der Verleumdung besteht immer dann für eine (auch fiktive) Romanfigur, wenn sie sich wenig dem „schwachen Geschlecht“ widmet und ständig von einem männlichen Begleiter beraten und unterstützt wird. Nicht erst seit der Frage des Homosexuellen-Magazins „Him“: Winnetou schwul? ist dem May-Freund dieses Problem bekannt: A. Schmidt spukt noch immer mit seinem „Sitara“ in zahlreichen Köpfen umher. Der Schaden, der durch solche oft als „Clownerie“ bezeichneten Abhandlungen entstehen kann, trifft den Autor am wenigsten: May ist lange tot, und auch Doyle lebt nicht mehr, denn, fast möchte man sagen natürlich, widerfuhr seinem Helden ähnliches. Ein Beispiel davon nennt die „Welt“ ebenfalls: „Die BBC drehte 1964 eine zwölfteilige Fernsehserie. 1970 machte sich Billy Wilder in dem Film „The Private Life of Sherlock Holmes“ (in Deutschland bisher nicht gezeigt) insofern einen Jux, als er eine russische Ballerina einführte, die den Meister beschwor, mit ihr ein Kind mit Wunderhirn zu zeugen. Dr. Watson hat größte Mühe, den widerstrebenden Holmes von dem Verdacht der Homosexualität freizuhalten.“ Nun, was um Winnetou und Old Shatterhand gemunkelt wurde und noch wird, muss hier nicht noch extra erwähnt werden. Dass aus solchen „Männerfreundschaften“ Rückschlüsse auf die Autoren gezogen werden, ist völlig unsinnig. Man sollte doch dabei nicht vergessen, dass jeder „Held“ ein Pendant braucht, um zum einen seine Überlegenheit immer wieder zu demonstrieren (Holmes lässt Watson immer erst seine eigenen Schlüsse ziehen, dann spielt er „kaltlächelnd“ seine – fast immer zutreffenden – Gedankengänge aus), zum anderen aber auch, um einen Vertrauten zu haben, der weiß, wie der „Held“ handeln würde und ihn deshalb in der oft zitierten „letzten“ Minute aus der Gefahr retten kann. Ein Held ohne Gegenstück würde schließlich langweilig und öde wirken. Dabei darf das Pendant durchaus auch „Held“ sein, in seinen

      Eigenschaften an den „Haupthelden“ heranreichen und ihn auch in einigen wenigen Dingen übertreffen.

      Das macht dann den „Haupthelden“, mit dem der Leser sich identifizieren kann, gleich wieder menschlicher. Mit anderen Worten: Die „Hauptfigur“ braucht einen Handlanger, der die Fehler machen darf, die vom anderen dann wieder ausgebügelt werden. Selbst verständlich muss auch die Hauptfigur hin und wieder Fehler begehen, um nicht völlig unglaubwürdig zu Autor Conan Doyle werden. Dann darf die zweite Verkörperung des Helden, die weniger „glänzende Ergänzungsperson“, beweisen, dass sie würdig ist, der Freund des Helden zu sein.

      Sherlock Holmes bietet noch einige interessante Vergleichsmöglichkeiten zum Werk Karl Mays, auf die wir später eingehen werden. Er wurde in fast hundert Sprachen übersetzt und rangiert damit – wenn man den Angaben des verstorbenen Doyle-Sohnes glauben darf – direkt hinter der Bibel. Holmes regte immer wieder zu Nachdichtungen an, wie auch Mays Winnetou und Old Shatterhand. Zahlreiche Autoren griffen die Gestalt des „Superdetektivs“ auf und veränderten sie im Grunde nur geringfügig (vgl. Schmidtke, a.a.O.). Das berühmte Krimi-Team Dannay/Bennington, die gemeinsam unter dem Pseudonym „Ellery Queen“ veröffentlichen, versuchten sogar mit der Holmes-Figur die mysteriösen Morde des „Rippers“ – natürlich in fiktiver Form – aufzuklären. 1967 erschien bei Ullstein: „Sherlock Holmes gegen Jack the Ripper“, ein Roman, in dem Holmes herausfindet, dass der Ripper nach Art der Vampire zu bestimmten Zeiten mordet, um sein Leben zu verlängern (mit dem Blut der Opfer). Auch dieses Buch ist leider vergriffen.

      Es wäre hier noch nachzutragen, dass Sherlock Holmes selbst Auskunft gibt, warum er überhaupt einen Begleiter braucht: „Wenn ich mich bei meinen verschiedenen kleinen Untersuchungen mit einem Gefährten belastet habe, so geschah dies nicht zufällig oder aus einer Laune heraus! Watson besitzt nun einmal ein paar beachtliche Charakterzüge, die er in seiner Bescheidenheit kaum bemerkt oder doch ebenso untertreibt, wie er meine Leistungen überschätzt. Ein Verbündeter, der unsere Schlussfolgerungen und Handlungen voraussieht, kann leicht gefährlich werden – bleibt hingegen die Zukunft ein stets gut versiegeltes Buch für ihn und stürzt ihn jede neue Entwicklung in ungläubiges Staunen, ist er ein geradezu idealer Helfer“ (zitiert aus der Geschichte „Der bleiche Soldat“, Zitat wiedergegeben im Ravensburger Taschenbuch 239, „Sherlock Holmes und Dr. Watson“).

      Kurze Hinweise zu Doyle, die wir dem Handbuch der Literatur, Bl-Verlag, S. 242, entnommen haben:

      Sir Arthur Conan Doyle wurde am 22. Mai 1859 in Edinburgh geboren und starb in Crowborough (Sussex) am 7. Juli 1930. Nach dem Studium der Medizin wurde Doyle praktischer Arzt in Southsea. Später unternahm er Reisen nach West-Afrika und in die

      Polargegend. In den letzten Lebensjahren interessierte sich Doyle stark für den Spiritismus, über den er einige Studien veröffentlichte. Durch psychiatrische Studien angeregt, begann er Detektivromane zu schreiben, die Weltruhm erlangten; im Mittelpunkt stehen Sherlock Holmes, der Meisterdetektiv, und sein Freund Dr. Watson.

      Relativ unbedeutend blieben Doyles Romanzen und seine historischen Romane. Hauptwerke: A study in scarlet (R., 1887, eine der ersten Holmes-Geschichten). Abenteuer des Dr. Holmes (R., dt 1895/96). Der Hund von Basketville (R., dt. 1903). History of spiritualism (Studie 1936). Ausgabe: Sir A.C.D., Ges. Werke in Einzelausgaben, dt. Übersetzung hrsg. von N. Eme, Hamburg 1959 ff. Auf ca. 20 Bände berechnet.

      Literatur: Norden, P., CD. A biography. Engl. Übers. New York 1967,

      Nachtrag dazu:

      Auch das Thema „Sherlock Holmes“ reizte mich immer wieder, und so habe ich für den KIBU-Verlag insgesamt sechs Holmes-Geschichten geschrieben, die später als Taschenbuch-Sammelbände in einem anderen Verlag noch einmal erschienen und teilweise auch als Hörbücher herauskamen.

      Wolfgang Kehl

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