Albert Helber

EINE EVOLUTION, ABER UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN?


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Der Sonne zustrebend bilden Blüten oder Baumkronen schließlich das obere Ende des Wachstums. Ihre Farbenpracht und ihre Duftwolken sorgen für die Fortpflanzung, indem Wind und Insekten den Pollen weiter tragen. Ortsständigkeit wird zur Lebensgrundlage der Pflanzen: 1800 Jahre alte Baobabs, aber auch rasch wachsende, im Winde sich biegende Kräuter schaffen es zu überleben, ohne ihren Platz zu wechseln. Wer nicht beweglich ist wird untergehen, so das Licht der Sonne schwächer wird, so Wurzeln die Versorgung nicht mehr leisten können, die Lebenssäfte ausbleiben oder das Alter ein pflanzliches Leben beendet. Aus sterbenden Pflanzen und Wäldern werden Fossile wie Torf, wie Kohle, Erdöl und Gas. In ihnen ist jener Kohlenstoff gebunkert, der, von Sonnenenergie gestützt, aus CO2 und Wasser entsteht und zur Bausubstanz der Pflanzen und bald auch der Tiere werden sollte. Milliarden oder Millionen Jahre später beobachten Menschen wie aus verbranntem Holz und etwas später auch aus verbrannter Kohle oder Erdöl Wärme entsteht. In unserer Zeit erst entdecken die Menschen wie beim Verbrennen von Kohle und Öl zwar jene Lichtenergie freigesetzt wird, die in der Evolution aus CO2 und Wasser den Kohlenstoff schuf, bis nochmals später die Menschen schließlich realisieren, dass beim Verbrennen von fossilen Ablagerungen nicht nur Energie, sondern auch das in der Evolution benutzte CO2 wieder freigesetzt wird. Heute erleben wir, wie beim Verbrennen von fossilen Substanzen das frei werdende CO2 unsere Atmosphäre verdichtet, die Reflexion der Lichtstrahlen der Sonne erschwert wird und ein Treibhausklima entstehen lässt. Es wird langfristig in einem lebensfeindlichen Klima auf unserer Erde enden, wie es vor der Landnahme von Pflanzen und Tieren schon bestand. Ein evolutionäres Gesetz bestätigt sich: Was einmal von Nutzen war und die Lebenswelt von Pflanzen und Tieren ermöglichte kann in neuem Gewand oder im maßlosen Gebrauch der von Pflanzen und Tieren hinterlassenen fossilen Brennstoffe jene Situation wieder herbeiführen, die Cyanobakterien oder ihre Schwefel konsumierenden Vorfahren in der Tiefe unserer Meere wird überleben lassen, aber das Überleben von Pflanzen und Tieren, zu denen auch der Mensch gehört, auf der Erde bedrohen kann. Die Evolution bestätigt eine buddhistische Weisheit: „Was böse war kann Gutes schaffen, aber aus Gutem wird nicht selten auch Böses“. In einer dialektischen Welt der Evolution werden Umfeld und auch die in diesem lebenden Geschöpfe zu Gestaltern. Die Wünsche und die Bedürfnisse aber der von der Evolution erschaffenen Gestalter verändern sich mit der Zeit. Sie haben sich mit der Entstehung des Menschen verändert: Umweltschäden und Erderwärmung sind die aktuellen vom Menschen erzeugten Folgen.

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      Für ortsständige Pflanzen gilt: Die Kopplung von Reiz und Reaktion führt stets zu einer gleichartig ausgerichteten Reaktion. Die Pflanze braucht das Licht der Sonne und jeder Reiz treibt die Pflanze der Sonne entgegen. Sie allein ist das Ziel der Pflanze. Jeder „Trieb“ einer Pflanze ist an die Sonne gerichtet und sucht vom Licht der Sonne Erfüllung. Wurde mit ortsständigen Pflanzen erstmals ein „triebhaftes Reagieren“ entwickelt, ohne eine Möglichkeit des Unterscheidens? Wird, wer nur einem Ziel zustrebt und nur von diesem Ziel Erfüllung erreichen kann, ein Getriebener, ein von Trieben Gesteuerter? Tatsächlich wird das Licht der Sonne zur ausschließlichen Orientierung für Pflanzen. Wo dieses Licht ausbleibt oder schwächer wird müssen Pflanzen absterben und zu fossilen Ablagerungen werden. Dieser der Sonne zugewandte „Trieb“ hat jedoch eine Pflanzenwelt erschaffen, die heute nach den Aussagen des italienischen Pflanzenexperten Mancuso 39 etwa 8o% der gesamten Biomasse unserer Erde bestimmt. Ohne Pflanzen könnten 7,5 Milliarden Menschen oder 0,01% der Biomasse auf der Erde nicht existieren. Die Pflanzen produzieren für Tier und Mensch den Sauerstoff und schaffen seit 1-2 Milliarden Jahren eine Energieressource aus Holz, aus Kohle und Öl. Doch sind dies nicht die einzigen Fähigkeiten von Pflanzen. Wie wir heute wissen kommunizieren die Pflanzen über ihr Wurzelgeflecht mit dem Umfeld und über ihre Blüten auch mit uns Menschen. Sie bewegen sich, indem ein wachsendes Wurzelnetzwerk Pflanzen miteinander verbindet. Schließlich leiden sie und demonstrieren dies mit einem Sterben des Waldes. Ortsständig zwar und dem Trieb zur Sonne folgend, haben Pflanzen all jene Fähigkeiten entwickelt, die wir bisher nur den Tieren zuschreiben: Triebe, Nützlichkeit, Bewegung, Kommunikation und schließlich auch Leiden sind Eigenschaften aller biologischen Geschöpfe.

      Triebe gehören auch zu den Eigenschaften von uns Menschen: Die Kopplung von Reiz mit einer stets gleichartig ausgerichteten Reaktion ist die Ursache eines triebhaften Verhaltens: TRIEBE sind ausgerichtetes Reagieren auf physiologisch ausgelöstes Verlangen. In der ethologischen Wissenschaft ist Trieb eine von evolutionärer Intelligenz entwickelte-, genetisch festgelegte- und automatisch ablaufende Handlung, die der Lebenserhaltung und auch der Arterhaltung dient. Dieses triebhafte Verhalten von evolutionärer Intelligenz wird erstmals von ortsständigen Pflanzen benutzt. Ein im Körper entstehender Reiz entwickelt ein körperliches- und irgendwann auch mentales Verlangen, einen Drang, einen Triebdruck, der zur Triebbefriedigung drängt. Wer Hunger hat wird sich Nahrung besorgen. Wer bedroht wird wird sich wehren. Wer einen sexuellen Drang verspürt wird sich einen Partner suchen. In dieser Form dient der Triebdruck einer gelingenden Triebbefriedigung und schafft Befriedigung auf Kosten Anderer. Hunger, Durst, Gefahr und sexuelle Lust sind die im Körper oder in der Vorstellung entstehenden Reize, die Handlungen auslösen, mit welchen Hunger und Durst beendet, Gefahren abgewendet oder eine sexuelle Lust befriedigt werden. Der auslösende Reiz wird befriedigt und dient der Lebens- und der Arterhaltung.

      Was passiert, wenn aus ganz unterschiedlichen Gründen eine Bedürfnis- oder Triebbefriedigung nicht gelingen kann? Dem hungernden fehlt Nahrung, dem Durstenden das Wasser, dem sexuell Angeregten die Partnerin. Für diese Situationen entwickelten Konrad Lorenz einen an der ethologischen Triebtheorie orientierten „Aggressionstrieb“ 18 und Sigmund Freud einen „Sexualtrieb“ 20 auch beim Menschen. Lorenz und Freud wissen, dass der Mensch ein biologisches Erbe hat, aber durch eine Millionen Jahre dauernde mentale Evolution zu einem psychologischen Wesen wurde und psychologische Einflüsse einen Aggressionstrieb oder einen Sexualtrieb beim Menschen beeinflussen und verändern können. Sie wussten aber auch, dass Geist und Vernunft des Menschen dessen Handeln nicht immer korrigieren können und Aggression und Sexualität beim Menschen nicht selten ein die „Beziehungsebene“ des Menschen störendes Eigenleben entwickeln. Wie jede Reaktion oder Aktion eines biologischen Wesens ist ein triebhaftes Geschehen ausgelöst: Wenn ein Mensch Hunger oder Durst hat kann er deren Befriedigung aufschieben, bis sie zum Tode führt oder aber so unerträglich wird, dass sie sich als Aggressivität entlädt. In der biologischen Welt der Tiere sind es Duftstoffe, die den Partner oder die Partnerin anlocken. Beim Menschen führen Sympathie, Aussehen oder Berechnung zu sexueller Lust und deren Befriedigung, doch ist Nichtbefriedigung auch ein Auslöser für Aggressivität. Dass Aggression und Sexualität beim Menschen nicht selten ein störendes Eigenleben und ein Triebverhalten entwickeln ist eine Erfahrung. Dass Aggressionsbereitschaft und auch ein Sexualtrieb in uns als biologisches Erbe angelegt sind, dies allein wollten Lorenz und Freud beschreiben und mussten viel Kritik erfahren. Wo immer Naturforscher oder Psychologen wie Charles Darwin, wie Konrad Lorenz oder Sigmund Freud die biologischen Wurzeln des Menschen ansprechen, werden sie von Kulturschaffenden oder von der Kirche kritisiert. Dass der Mensch als biologisches Wesen durch seine mentale Evolution nicht nur ein existierendes Geschöpf, sondern auch ein psychologisch agierendes Wesen ist und biologische Zwänge durch psychologische Einflussnahme zu korrigieren in der Lage ist, hätten Darwin, Lorenz oder Freud nie bezweifelt. Aggressionsbereitschaft oder sexuelle Übergriffe werden aber nicht dadurch abgeschafft, weil wir die biologischen Wurzeln von Aggressivität oder Sexualität in Frage stellen. Die Psychologie des Menschen wurde auch deshalb von der evolutionären Intelligenz entwickelt, um für triebhafte Zwänge des Menschen einen menschenmöglichen- oder humanen Umgang zu ermöglichen. Religiöses- oder idealistisches Träumen kann unsere evolutionäre Entwicklung nicht ersetzen und muss die evolutionäre Herkunft des Menschen akzeptieren.

      3. Von der Pflanze zum „Trieb“, vom Tier zum „Instinkt“.

      Schon in der Lebenswelt der Pflanzen kündigt sich an: Wer seine lebenswichtigen Substanzen nicht aus tiefen Wurzeln sichern kann, muss eine neue Form der Nahrungssuche organisieren. Er sucht sich was er braucht. Ein bisheriges „senso-metabolisches Reagieren“ mit Nutzung des Lichtes als Energiequelle wird durch ein „senso-motorisches Reagieren“ ergänzt. Bewegung oder Mobilität wird zur