Gabriella Gruber

ChessPlanet - Edahcor's Geheimnis


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ist wirklich eine gute Ablenkung«, sagt Mofess, um die Stille zwischen uns zu brechen.

      »Aber unsere Regierung muss doch irgendetwas tun können! Es kann doch nicht sein, dass sie bei so vielen Möglichkeiten keine Lösungen finden!« Ich klinge gereizter, als ich wollte.

      »Manchmal habe ich das Gefühl, Schach wäre die Lösung.«

      »Inwiefern?«, frage ich Mofess überrascht.

      »Hast du deiner Mutter in letzter Zeit mal zugehört? Die Ideen, die sie hat? Die haben schon lange die Strategie des Schachspiels angenommen.«

      Ich sage nichts, sondern höre Mofess einfach nur zu.

      Hannah, meine Mutter, ist unsere Schachlehrerin. Wir trainieren bei ihr drei Mal die Woche das Schachspielen. Sogar meine Adoptivschwester Ymma hat sich erfolgreich anstecken lassen. Ist doch klar, dass beide Töchter wie ihre Mutter werden wollen, oder nicht?

      Viele in meinem Kurs halten mich für die Beste. Aber ich zweifle eher daran. Warum sollte ich eine Schachexpertin sein, nur weil meine Mutter unterrichtet?

      »Woran denkst du?«, fragt Mofess mich nach einer kurzen Pause, in der wir gedankenverloren nebeneinander über die Wiese geschlendert sind. Dunkelgraue Wolken kreisen über uns, die die Stimmung nicht gerade aufhellen. Zum Glück hat der Regen nicht wieder eingesetzt.

      »An unsere Zukunft.« Als hätte ich damit das Stichwort gegeben, jagt mir eine Gänsehaut über den Körper.

      »Mir geht es auch so. Jeden Tag wache ich auf und denke darüber nach, wie wir diese böse Macht aufhalten können. Aber soll ich dir was verraten? Ich weiß es nicht.«

      Ich sehe zu Mofess auf. Seine blauen Augen sind voller Verzweiflung. Mitten auf der Wiese bleiben wir stehen, das feuchte Gras wiegt sich leicht im Wind. Eigentlich müssten wir los in die Hütte, die ein paar Meter von uns entfernt steht, den Hügel hinunter. Doch ich will hier noch stehen bleiben und die Sicht auf Brookrint und seine gigantischen Hochhäuser genießen. Nur das Regierungsgebäude überragt diese noch.

      Obwohl ich eher ein Naturmensch bin und mich im Wald am wohlsten fühle, übt Brookrint eine magische Anziehung auf mich aus. Vielleicht auch deswegen, weil sie die größte Stadt Leperks ist und bei weitem auch die vielfältigste.

      Ich nehme Mofess bei der Hand und sehe ihm in die Augen. Doch unser Blickkontakt dauert nicht lange an, denn er küsst mich zärtlich.

      »Alles Gute zum Geburtstag.« Sein Flüstern kribbelt an meinem Ohr.

      »Danke«, hauche ich zurück.

      Als ich ihn umarme und mit Freudentränen in den Augen meinen Blick über die Skyline der Stadt schweifen lasse, passiert es.

      Zunächst höre ich nur einen gewaltigen Knall, den ich erst nicht richtig zuordnen kann. Doch dann sehe ich, was passiert: Das Regierungsgebäude explodiert! Und die Hochhäuser in der unmittelbaren Umgebung fallen ebenfalls in sich zusammen.

      

      

       Ein Jahr später

      Die böse Macht, die auf Leperk eingefallen ist, hat alles zerstört. Der komplette Planet wurde ausgelöscht, einschließlich seiner Bewohner.

      Mofess, Paye und ihre Freunde haben hart gegen das Böse gekämpft, doch schlussendlich verloren. Nur acht Kinder haben als einzige der Leperkianer überlebt und werden gefangen gehalten.

      Das Böse frisst sich weiter durch das Universum und nimmt Kurs auf die Erde.

       1

      

       18 Jahre später

       EDAHCOR, August 2025

      

       EMILIAN

      

      Wenn es einen Ort in meinem Leben gibt, der mich schon immer am meisten fasziniert hat, dann ist das unser Dachboden. Dort riecht es stets nach der Vergangenheit und in seinen Tiefen überkommt mich das Gefühl, in eine ganz andere Welt abzutauchen. Als wir noch Kinder waren, habe ich mit meinen besten Freunden Anyta und Renko oft dort oben gespielt und bin mit ihnen auf Entdeckungsreisen gegangen. Wir haben in staubigen Büchern geblättert und darauf gehofft, ein uraltes Geheimnis zu finden. Doch meistens gingen wir leer aus. In letzter Zeit gehen wir seltener dort hinauf, was für viele Staubschichten gesorgt hat.

      Wenn man sich unsere teilweise weißen und blauen Hausblöcke von außen so ansieht, würde man nie erahnen, wie toll die schlichten Klötze innen eingerichtet sind. Vom Keller bis zum Dachboden ist alles sehr gemütlich und viel größer, als es aussieht. Holz und warme Farben sowie viele Nischen und Winkel bieten uns einen wunderbaren Wohnraum.

      Auf der letzten Stufe kriecht mir der gewohnte Geruch in die Nase und ich öffne die alte knarrende Tür.

      Morgen wird meine Schwester Jana zwanzig Jahre alt. Während unsere Mutter unten in der Küche bereits mit den Vorbereitungen beschäftigt ist, habe ich mich angeboten, die Geburtstagskerzen zu holen. Ich freue mich immer, wenn ich helfen kann.

      Die richtige Kiste ist schnell gefunden, allerdings wird sie durch ein paar schwere Kartons versperrt. Daher muss ich zuerst meine Muskelkraft spielen lassen, bis ich schließlich den Pappkartondeckel öffnen kann. Obenauf liegen bereits mehrere Ziffern und ich nehme mir die Nummer Zwei heraus. Die Null finde ich nach langem Wühlen unter der Sieben.

      Erinnerungen schießen mir durch den Kopf. Ich streiche mir durch die Haare, während mich meine Gedanken zurück zu meinem siebten Geburtstag schicken, an dem ich mein Lederarmband bekommen habe. Ich habe es seitdem nicht mehr abgelegt. Es erinnert mich immer an den schönsten Tag meines Lebens: Ich durfte in mein eigenes Zimmer ziehen! Ich hatte mir vorher einen Raum mit Jana geteilt und wie es bei Geschwistern so ist, sind wir uns gegenseitig ziemlich auf die Nerven gegangen. Zusammen mit Anyta, Renko, Jana und meinen Eltern haben wir die Wände meines neuen Zimmers in meiner Lieblingsfarbe Dunkelgrün gestrichen. Zumindest an den Stellen, wo kein Holz ist. Mein Zimmer war vorher der Hobbyraum meiner Mutter, bis sie als Ratsmitglied einberufen wurde und keine Zeit mehr für ihre Nähmaschine hatte.

      Ich schließe den Kartondeckel und schiebe den braunen Kasten in seine Ecke zurück.

      Gerade will ich wieder nach unten gehen, als hinter mir etwas umfällt. Erschrocken drehe ich mich um und beobachte mit großen Augen eine Kettenreaktion, die an Dominosteine erinnert: Regale und sogar der Kleiderständer mit den alten Anzügen meines Vaters fallen um und kleine Kartons purzeln durcheinander. Das Ganze macht einen ohrenbetäubenden Lärm und nimmt kein Ende. Hustend kämpfe ich mich durch den aufgewirbelten Staub und sehe nach, wie groß der Schaden ist, den ich da gerade angerichtet habe. Mein Blick fällt auf eine dunkelblaue Schachtel, die direkt vor mir liegt.

      »Emilian, alles okay da oben?«, ruft meine Mutter laut.

      »Ja, nichts passiert!«, rufe ich zurück, um sie zu beruhigen.

      Ich knie mich auf den Boden und schaue mir diesen Karton genauer an, der mit der Vorderseite nach unten liegt. »Spaß für Groß und Klein« steht auf der Rückseite.

      Behutsam lege ich die Ziffern aus Wachs neben mich, greife nach dem unbekannten Gegenstand und drehe ihn um. Auf der Vorderseite ist ein merkwürdiges Muster abgebildet: eine Fläche mit abwechselnd schwarzen und weißen Feldern. Auf den Feldern befinden sich verschiedene Figuren. Eine hat den Kopf eines Pferdes, eine andere trägt ein Kreuz auf der Spitze. Neugierig lese ich den großen weißen Schriftzug: »SCHACH«. Was ist das?

      Mir wird schwindelig.