der ihm nahekam, wünschte, daß Tadsch al-Muluk Kharan nach seines Vaters Tode Sultan, er selber aber einer seiner Emire würde.
Nun begann er leidenschaftlich zu reiten und zu jagen, so daß er kaum eine Stunde davon ablassen mochte. Sein Vater, Sulayman Schah, hätte es ihm gern verboten, weil er die Gefahren der Wüste und die wilden Tiere fürchtete; doch er achtete nicht auf seine warnende Stimme. Und einmal geschah es, daß er zu seinen Dienern sagte: ›Nehmt ihr für zehn Tage Vorrat und Futter‹; und als sie seinem Befehle nachgekommen waren, brach er mit seinem Gefolge auf zu Jagd und Zeitvertreib. Sie ritten hinaus in die Wüste und ließen vier Tage zu reiten nicht ab, bis sie zu einer Ebene kamen, deren Boden grün war, und dort sahen sie grasendes Wild und Bäume mit reifen Früchten und springende Quellen. Sprach Tadsch al-Muluk zu seinen Gefährten: ›Stellt hier die Netze auf, steckt sie in weitem Ringe fest, und da am Eingang des Kreises sei unser Sammelplatz.‹ So gehorchten sie seinen Worten und steckten mit Stricken einen weiten Bezirk ab; und es fand sich eine große Menge allerlei wilder Tiere und Gazellen zusammen, die aus Angst vor den Männern schrien und sich vor Schreck gerade vor die Pferde warfen; da ließen sie die Hunde und Luchse und Falken los; und sie schossen das Wild mit Pfeilen nieder, die ihnen die Eingeweide durchdrangen; und als sie zum hinteren Ende des Netzrings kamen, hatten sie schon eine große Zahl der Tiere erlegt, und die letzten flohen. Da saß Tadsch al-Muluk am Rande des Wassers ab und befahl, daß man ihm die Beute bringe; und nachdem er die besten Tiere für seinen Vater zurückgelegt und sie ihm geschickt und auch für die Hofbeamten einige beigefügt hatte, verteilte er die übrigen. Dort blieb er nun auch die Nacht hindurch, und als der Morgen dämmerte, kam eine Händlerkarawane mit Negersklaven und machte am Wasser auf dem grünen Grunde Halt. Als aber Tadsch al-Muluk sie sah, da sprach er zu einem seiner Gefährten: ›Bringt mir Nachricht von den Männern dort und fragt sie, weshalb sie hier Halt gemacht haben.‹ So ging der Bote zu ihnen und rief sie an: ›Sagt mir, wer ihr seid, und gebt mir unverzüglich Antwort.‹ Versetzten sie: ›Wir sind Händler, und wir haben Halt gemacht, um zu rasten, denn der nächste Rastort ist sehr fern, und wir bleiben hier, weil wir Vertrauen haben zu König Sulayman Schah und zu seinem Sohne Tadsch al-Muluk, denn wir wissen, daß alle, die in ihre Gebiete kommen, des Friedens genießen und der Sicherheit; und ferner haben wir kostbare Stoffe bei uns, die wir dem Prinzen bringen.‹ So kehrte der Bote zurück und brachte dem Königssohn diese Nachricht; und als er vernommen hatte, wie es stand und was die Kaufleute erwidert hatten, da sprach er: ›Wenn sie mir Stoffe mitgebracht haben, so will ich nicht in die Stadt einziehen noch von dieser Stelle gehen, ehe ich sie sah.‹ Und er stieg zu Pferde und ritt zu der Karawane, und seine Mamelucken folgten ihm, bis er sie erreichte. Da erhoben die Händler sich, um ihn zu empfangen, und sie riefen göttliche Hilfe und Gnade auf ihn herab und Dauer des Ruhms und der Kraft; und sie schlugen ein Zelt für ihn auf aus roter Seide, bestickt mit Perlen und Juwelen; darinnen aber breiteten sie auf einem seidenen Teppich, der am oberen Ende mit goldgefaßten Smaragden besetzt war, einen königlichen Divan. Dort setzte sich Tadsch al-Muluk, derweilen sich seine Diener vor ihn stellten, und er schickte hin und befahl den Händlern, alles zu bringen, was sie bei sich hatten. Und sie trugen ihre Waren herbei und breiteten alles aus, und er sah sie an und nahm von ihnen, was ihm gefiel und zahlte ihnen den Preis. Dann sah er sich um in der Karawane und saß wieder auf, und schon wollte er fort, da fiel sein Blick auf einen herrlichen Jüngling in schöner Kleidung: er war von stattlicher und anmutiger Gestalt, seine Stirn war blütenweiß, sein Antlitz dem Monde gleich, nur war seine Schönheit zerstört, und gelbe Flecken hatten seine Wange bedeckt, weil er von denen getrennt war, die er liebte. – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundelfte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Tadsch al-Muluk bei einem Gang durch die Karawane einen schönen Jüngling erblickte, der von anmutiger Gestalt und sauber gekleidet war, dessen Stirn einer Blüte glich, sein Gesicht aber einem Monde; nur war seine Schönheit verwüstet und seine Wange bedeckt von gelben Flecken, denn er war getrennt von denen, die er liebte; er seufzte und stöhnte, und seinen Lidern entströmten Tränen, derweilen er die Verse sprach:
Lang ist die Trennung, und Sorge und Furcht sind bitter – Nie endende Tränen, o Freund, den Augen entrinnen:
Ja, von meinem Herzen schied ich an jenem Tage – Und ziehe nun hoffnungslos, herzlos von hinnen:
Bleib stehn, o Freund, bei mir, dem Abschied nehmenden – Dein Wort kann helfen, kann mir Heilung gewinnen!
Als nun der Jüngling geendet hatte, weinte er eine Weile und fiel dann ohnmächtig nieder; und Tadsch al-Muluk sah ihn an und staunte. Doch als er wieder zu sich kam, hob er den verstörten Blick und sprach die Verse:
Hütet euch vor ihrem Blick, so rat ich, denn er kann hexen – Niemand entkommt unversehrt der Blicke schießendem Flug:
Wahrlich, die schwarzen Augen mit schläfrig sehnsüchtigen Blicken – Dringen tiefer ins Herz als ein Schwert die Wunde je schlug.
Laß dir die Sinne nicht durch ihre süßen Worte berücken – Gärend tragen ins Hirn und den Geist sie dir Fiebertrug:
Weich sind die Flanken, und drückte auf ihre Haut auch nur Seide – Rotes Blut spräng hervor, sieh selber es an, und mit Fug.
Achtsam hütet die Reize sie zwischen dem Hals und den Knöcheln – Ah! und welch anderer Duft gibt mir der Freuden genug?
Und laut schluchzte er auf und sank in Ohnmacht. Als aber Tadsch al-Muluk ihn also sahe, da war er bestürzt, und er trat auf ihn zu; und als der Jüngling wieder zu sich kam und den Königssohn zu seinen Häupten stehen sah, da sprang er auf und küßte den Boden zwischen seinen Händen. Tadsch al-Muluk aber fragte ihn: ›Weshalb zeigtest nicht auch du uns deine Waren?‹ und er versetzte: ›O mein Herr, unter meinem Vorrat ist nichts, was deiner erhabenen Höhe wert sein könnte.‹ Sprach der Prinz: ›Du mußt mir zeigen, was du hast, und mich bekannt machen mit deinem Schicksal; denn ich sehe dein Auge in Tränen, und das Herz ist dir schwer. Wenn du bedrückt worden bist, so wollen wir deine Bedrückung enden, und wenn du in Schulden bist, so wollen wir deine Schulden bezahlen. Denn mir brennt das Herz bei deinem Anblick, seit mein Auge auf dich fiel.‹ Dann ließ Tadsch al-Muluk die Sitze legen, und man brachte ihm einen Stuhl aus Elfenbein und Ebenholz, belegt mit einem Gewebe aus Gold und Seide; und vor den Füßen breitete man ihm einen seidenen Teppich hin. Da setzte er sich auf den Stuhl und winkte dem Jüngling, sich auf den Teppich zu setzen, und sprach: ›Jetzt zeige mir deinen Warenvorrat!‹ Versetzte der junge Händler: ›O mein Herr, sprich nicht so zu mir, meine Waren sind deiner nicht wert.‹ Erwiderte Tadsch al-Muluk: ›Es muß so sein!‹ Und er befahl den Sklaven, die Waren zu bringen. So brachten sie sie wider seinen Willen; und als er sie sah, da strömten ihm die Tränen aus den Augen, und er weinte und seufzte und klagte; ein Schluchzen lief ihm durch die Kehle, und er sprach die Verse:
Beim Kohl, das deine Augen tändelnd zeigen – Bei deines Leibs geschmeidigem Ebenmaß!
Bei deiner Lippen Honigtau und Wein – Bei deines Geistes Zier, der nie die Huld vergaß!
Dein Anblick, schon im Traum, o meine Hoffnung – Gibt mehr als Rettung mir aus schwerer Schmach Gelaß.
Und der Jüngling öffnete seine Ballen und breitete einzeln, Stück für Stück, seine Waren vor dem Prinzen aus, und unter ihnen war ein seidenes Gewand, mit Gold durchwirkt, das seine zweitausend Dinare wert war. Doch als er es entfaltete, da fiel ein Stück Linnen heraus, das der junge Händler eilig aufgriff und unter seinem Schenkel barg; sein Verstand aber entfloh, und er begann die Verse zu sprechen:
Wann heilt von dir dies Herz, das stets im Wehe wohnt? – Zu Sternen fänd ich wohl, doch nicht zu dir die Stege.
Verbannung, Trennung, Schmerz, Sehnsucht und Liebeslohe – Vertröstung, Aufschub: das sind meines Lebens Wege:
Ich leb im Wiedersehn und sterb im Grame nicht – Find keinen Pfad zu dir, wie ich mich schweifend rege:
Du kennst kein Recht, in dir wohnt das Erbarmen nicht – Ich kenne nicht zu dir, nicht von dir fort die Wege:
Denn Gehn und Kommen ist versperrt durch meine Liebe – Ich