Janine Zachariae

Das Geheimnis des Stiftes 2


Скачать книгу

ist mir gefolgt und hat mich hier eingeschlossen. Wer sonst? Aber wieso?

      Das Brett, das vor dem Fenster befestigt ist, bekomme ich nicht zerstört. Ich hätte es mir denken können, schließlich habe ich es vorhin noch gesehen. Es ist so groß, dass es schon fast die halbe Wand eingenommen hat.

      Was mache ich jetzt? Ich hole meinen Stift und einen Zettel hervor und schnappe mir die Tasche, die schwerer ist, als gedacht. Dabei fasse ich so ungeschickt in eine Glasscherbe, dass ich mir die Hand aufreiße. Egal. Die Tasche halte ich mit meiner kaputten Hand, während ich mit der rechten – mit der ich nicht schreiben kann – den Stift halte. Der Zettel fliegt mir runter, mitten in die Scherben. Es knirscht unter meinen Füßen und ich bin mir sicher, dass meine Schuhe das nicht so gut vertragen. Schulterzuckend schreibe ich einfach an die Wand.

      »Bringe mich zu Penelope, 2127, Kellerraum, wo auch Oliver ist!«

      Was für ein Satzbau, aber ich hoffe, der Stift und das Universum, wissen, was ich meine.

      Hustend komme ich an und falle zu Boden, es ist so hell hier. Meine Augen brennen richtig und ich bekomme keine Luft.

      »Melanie, atme, du musst atmen«, höre ich eine bekannte Stimme.

      »Oliver?« Ich blinzle und reibe mir die Augen. Es hat geklappt.

      »Bravo, Melanie, du hast den Test mit Bravour bestanden. Schneller als gedacht.«

      »Noch langsamer und ich wäre erstickt. Was sollte das Penelope? Warum hast du die Tür abgeschlossen?« Ich renne zum Klo und muss mich übergeben.

      »Damit du die Lektion lernst«, sagt sie unberührt. Ich zittere, erbreche erneut, frage aber nicht nach. »Du kannst den Stift immer benutzen, du brauchst kein Licht.«

      »Besten Dank«, sage ich keuchend, denn ich bin unglaublich erschöpft.

      »Sehr gerne.«

      Ich spüre Olivers Gegenwart, aber ich fühle mich so eklig, dass ich es nicht ertrage, wenn er mich sieht. Ich rappele mich auf und wasche mein Gesicht und den Mund aus. Das Wasser ist kalt, aber das tut gut.

      »Was ist in der Tasche?«, möchte Oliver hören.

      »Oh, schön, dass ihr fragt. Kommt beide her und blickt hinein.«

      Mittlerweile habe ich eine Vermutung. Aber ich möchte es nicht wahrhaben. Penelope öffnet den Reißverschluss, aber nicht ganz. Ich erkenne Haare und ...

      Vermutlich habt ihr es schon herausgefunden.

      Es befindet sich allerdings nicht nur ein Kopf darin und ich muss mich erneut übergeben.

      »Der Stiftemacher«, erklärt Penelope. »Er hätte Julian den Stift nicht machen dürfen.«

      »Du hast ihn umgebracht?«, stoße ich hervor.

      »Ja, weil er mich verraten hat. Er hatte mir eine Kopie von meinem Stift erstellen sollen, hat aber irgendwas verpfuscht. Er hätte nicht Julian helfen dürfen, denn dadurch waren seine Ressourcen aufgebraucht und er konnte nur noch minderwertige Ware anfertigen. Als ich es festgestellt habe, habe ich ihn natürlich direkt umgebracht.«

      »Wie konntest du ihn finden? Ressource?«

      »Ach, liebe Melanie, ich finde immer einen Weg, zu bekommen, was ich will. Ja, weißt du es denn nicht? Sag mal, hat dir dein Vater gar nichts erklärt? Der Stift besteht aus verschiedenen Elementen. Das mit dem Blut weißt du ja. Allerdings hat der Stiftemacher noch Geheimzutaten, die sonst niemand kennt – damit nicht weitere Stifte erschaffen werden vermutlich. Tja und nach dem Julian seinen hat machen lassen, war nicht mehr genug vorhanden.« Sie benutzt so viele Worte, dass ich absolut keinen Schimmer habe, was sie eigentlich sagen möchte. Mein Herz rast so schnell in meiner Brust, dass ich befürchte, es zerbricht gleich. Vielleicht ... Vielleicht, wenn ich meine Augen schließe und alles ausblende ... Vielleicht werde ich dann weggebeamt oder der Stift handelt von sich aus. Aber nein, er reagiert nur, wenn ich ihn benutze. Wenn ich mit ihm schreibe. Nicht durch meine Gedanken, sondern durch die Berührung und das Führen der Mine wird er aktiv.

      Sie blickt mich nun erwartungsvoll an und ich bekomme es mit der Angst zu tun. Sie wird die Tasche öffnen und meine Welt zerbricht. Ich starre sie an, meine Augen brennen, aber ich weiß, dass sie immer größer werden. Langsam schüttel ich den Kopf, doch sie zuckt die Schultern, geht etwas in die Hocke und reißt die Tasche gänzlich auf ...

      Schwarz. Alles fühlt sich plötzlich so trübe und taub an. Die Schwärze, die mich umgibt, ist willkommen. So muss ich nichts denken. Ich möchte nicht mehr aufwachen. Aber eine Stimme umhüllt meine Sinne und lässt mich doch wieder zurückkommen. Mein Gesicht ist nass, aber ich weiß nicht, warum oder von was. Sind es Tränen? Oliver sagt etwas. Welcher Oliver ist es, der mit mir redet, als sei ich ein verletztes Rehkitz? Meine Augen wollen, dass ich sie öffne, dass ich wieder in die Realität zurückfinde. Aber ich will nichts sehen, nichts von dem, was vor mir ist.

      Ich dachte immer, man könnte Penelope doch noch zur Vernunft bringen. Sie aber ist ein Monster, durch und durch. So ein schwarzes Herz, wie sie hat, würde niemand überleben.

      Penelope.

      »Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh.«

      Ich fass mir an meinen Hals, ist das Geräusch gerade von mir gekommen? Habe ich so geschrien?

      »Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh.«

      Penelope hat mir meinen Vater gezeigt.

      ›Es tut mir so leid‹, höre ich eine weitere Stimme in meine Gedanken flüstern.

      ›Hör auf Julian. Lass es einfach gut sein.‹

      Bevor ich meine Augen wieder öffne, kneife ich sie fest zusammen. Das Licht brennt, aber ich lasse sie nun geöffnet. Meine verletzte Hand hat einen Verband darum bekommen und ich drehe sie hin und her. Hoffentlich kann ich trotzdem mit ihr schreiben.

      »Na, endlich. Drama-Queen«, sagt Penelope theatralisch, während sie gelangweilt ihre Fingernägel feilt.

      »Ach, halt die Klappe«, motzt Oliver sie an. Doch sie lässt sich nicht beirren.

      Verdammt. Mein Vater liegt verrottet in einer Tasche, zumindest der Kopf.

      ›Denk nach, Mel‹, höre ich den 2117er Oliver in meine Gedanken sagen und ich weiß, dass es eine Lösung gibt.

      ›Natürlich, ich habe den Zeitreise-Stift, aber kann ich es wirklich korrigieren? Kann ich das, was Julian tun musste, um seine Loyalität zu beweisen, tatsächlich zunichtemachen? Riskiere ich dann nicht das Leben von Edward und allgemein, dass von Julian? Welche Konsequenzen entstehen, wenn ich das, was er getan hat, rückgängig mache? Kann man den Tod meines Vaters vortäuschen? Vortäuschen? Ist es das? Führt alles daraufhin zurück? Marty hatte Doc ebenfalls gewarnt und dadurch sein Leben gerettet.‹

      ›Äh, Zurück in die Zukunft?‹, will Cute-Oli gedanklich wissen?

      Mein Kopf dröhnt. Penelope beobachtet mich argwöhnisch, auch wenn es nicht danach aussehen soll. Aber ich bin nicht so blöd, wie sie glaubt.

      »Was muss ich machen, damit du meinen Vater verschonst?«

      »Du bist gar nicht so dumm, wie ich dachte. Es gibt tatsächlich einiges, was du tun kannst.«

      »Wenn ich mache, was du sagst, wirst du dann in die Vergangenheit reisen, der jungen Penelope davon berichten, Julian verschonen und auch seinen Freund Edward daraus halten?«

      »Du weißt doch gar nicht, was ich will.«

      »Regel Nummer 1: Ich bringe niemanden um oder foltere eine Person. Alles klar?!«

      »Du bist nicht in der Position Forderungen zu verlangen.«

      »Oh, doch. Du willst etwas, kannst es aber selbst nicht mehr machen. Julian soll etwas anderes für dich erledigen, oder? Du bist krank, richtig?«

      Sie verdreht genervt die Augen und ein Grollen tönt aus ihrem Rachen.

      »Du