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Thomas Ritter
Magische Palmblätter
„Magische Palmblätter” Printausgabe Februar 2021
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Coverfotos: Thomas Ritter
Umschlaggestaltung: Werner Betz
Antoine de Saint-Exupery sagte einst:
Lieben ist nicht sich gegenseitig anzusehen;es ist gemeinsam in die gleiche Richtung zu sehen.
Für Sabine, die Frau an meiner Seite,
die Liebe meines Lebens ...
Inhaltsverzeichnis
Indiens Palmblattbibliotheken
Begegnung mit dem Schicksal – Zu Besuch in der Palmblattbibliothek von Kuala Lumpur
Unser Schicksal steht geschrieben – Karma und
Wiedergeburt
Die Rishis – Weise aus einem anderen Weltzeitalter
Dein Schicksal liegt auf dem Server – Die digitalisierte Palmblattbibliothek von Yangon
Buddha kennt dein Schicksal – Die Palmblattbibliothek von Siam Reap in Kambodscha
Das Geheimnis der Palmblattbibliothek von Bali
Weltenwandel 2031 – Die Jayabhaya Prophezeiungen
Begriffserläuterungen
Verwendete Literatur
Indiens Palmblattbibliotheken
Wenn Ihnen jemand in einem weit entfernten, fremden Land offenbaren würde, dass er Ihre persönliche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennt, indem er sie aus in Sanskrit oder Tamil verfassten Schriften lesen könne, die auf uralten Palmblattmanuskripten geschrieben stehen – würden Sie ihm glauben? Wahrscheinlich nicht.
Dennoch gibt es sie, die geheimnisvollen Palmblattbibliotheken. Die Urschriften der dort aufbewahrten Palmblätter wurden von einer Gruppe mythologischer Wesen – den Rishis – verfasst, die etwa 5000 v. Chr. gelebt haben sollen. Der Überlieferung zufolge nutzten die Rishis ihre spirituellen Fähigkeiten dazu, aus der Akasha-Chronik die Lebensläufe von mehreren Millionen Menschen zu lesen und schriftlich auf den getrockneten Blättern der Stechpalme zu fixieren. Das gesamte Leben dieser Menschen, von der Geburt bis zum genauen Zeitpunkt ihres Todes, wurde auf den Palmblättern in Alt-Tamil - einer Sprache, die heutzutage nur noch von wenigen Eingeweihten beherrscht wird - in eng geschriebenen Zeichen eingeritzt. Ein solches Palmblatt überdauert im Normalfall etwa 800 Jahre. Wenn es alt und brüchig geworden ist, wird eine Abschrift des Textes auf einem neuen Palmblatt angefertigt. Von der einstigen Urschrift existieren zwölf Kopien, die in ebenso vielen Bibliotheken in ganz Indien bewahrt werden. Etwa 10 Prozent der Palmblätter sollen Informationen über das Schicksal von Nicht-Indern enthalten. Jeder, der erfahren möchte, was das Schicksal für ihn bereithält, muss sich aber selbst in eine der Palmblattbibliotheken begeben.
Anders als im Westen sind in Südostasien Wissenschaft und Religion keine ausgeprägten Gegensätze. Sie werden vielmehr als zwei verschiedene, einander ergänzende Wege auf der Suche nach Wahrheit und Erleuchtung angesehen. In der hinduistischen Wissenschaft hängt das Verständnis der äußeren Wirklichkeit untrennbar vom Verständnis des Göttlichen ab. Ganz besonders gilt das hier Gesagte für Systeme, die im Westen als „Pseudowissenschaft“ oder noch schärfer formuliert „Aberglauben“ abgetan werden. Dieser Verachtung durch die Schulwissenschaft sind neben zahlreichen alternativen Heilverfahren – als umstrittenstes Beispiel sei hier nur die Geistheilung erwähnt – auch die vielfältigen Möglichkeiten einer mehr oder minder exakten Deutung der individuellen bzw. kollektiven Zukunft anheimgefallen. Die Astrologie etwa ist im Abendland trotz zahlreicher zutreffender Voraussagen immer noch eine vielfach bespöttelte Außenseiterdisziplin. In Indien dagegen wird die Zukunftsdeutung nach wissenschaftlich anmutenden Kriterien betrieben. Die vedische Astrologie geht davon aus, dass das Universum ein geschlossenes System darstellt und in seiner Gesamtheit den gleichen Gesetzmäßigkeiten gehorcht. Bei der Betrachtung eines beliebigen Teiles dieses geschlossenen Systems muss es daher möglich sein, auf das Verhalten anderer Teile dieses Systems zu schließen.
Der Grundsatz „Wie oben, so unten“, der abendländischen Hermetiker besagt im Prinzip dasselbe.
Ein Horoskop zeigt nach Auffassung der Jyotir-Astrologen daher bei entsprechender Berechnung mit exakter Genauigkeit die Verteilung der Wirklichkeitsbausteine an, aus denen sich das Leben eines jeden Menschen im Einzelnen zusammensetzt. Das Horoskop lässt also sichtbar werden, welche dieser „Bausteine“ etwa in Form von Talenten, Neigungen und Veranlagungen mit in das Leben gebracht werden und welche es noch durch entsprechende Erfahrungen zu erwerben gilt. Es zeigt sogar die Art und Weise des Handelns oder Geschehens an, das die noch ausstehenden Erfahrungen erst ermöglicht. In einem solchen Horoskop sind Ausgangspunkt und Finalität eines Lebens vereint. Das Horoskop, welches für den Zeitpunkt der Geburt eines Menschen erstellt wird, beinhaltet aus der Sicht der Jyotir-Veda also die „Lebensformel“ der betreffenden Person. Die indische Astrologie – einstmals wurde sie mit Astronomie gleichgesetzt – wird schon seit mehr als 1.500 Jahren in der heute bekannten Form ausgeübt. Sie ist aus der Synthese zweier großer Traditionen entstanden. In Indien entwickelte sich ursprünglich die im Purana beschriebene Jyoti – die Wissenschaft der göttlichen Astronomie. Erste „Untersuchungen der Lichter am Himmel“ finden sich in den Vedangas. Diese Kommentare sind die „Glieder der Veden“ und um etwa 400 v. u. Z. zum ersten Male schriftlich niedergelegt worden. Ebenso wie die frühe westliche Astrologie stellte auch die Jyoti-Lehre eine Wissenschaft dar, die aus den Disziplinen Philosophie, Astronomie und Mathematik bestand. Diese Jothi-Lehre verschmolz vor mehr als 1.500 Jahren mit dem altgriechischen System der Astrologie. Daher ist die indische Astrologie der abendländischen auch in vielen Belangen ähnlich. So führte die Verbindung zwischen abendländischem und indischem Denken zu einer Blüte der wissenschaftlichen Astrologie, die bis heute andauert, da die Horoskope indischer Astrologen von einer bestechenden Präzision sind. Keinesfalls sollte man sich die indische Astrologie als monolithisches Denkgebäude vorstellen. Vielmehr untergliedert sie sich in verschiedene Zweige. Da ist beispielsweise der im Alltag überaus wichtige, Muhurta genannte Bereich. Er dient der Bestimmung des günstigsten Zeitpunktes für die Vornahme einer Handlung, etwa den Abschluss eines Geschäftes. Die Vishava-Astrologie hingegen hilft bei der Partnerwahl und der Bestimmung des Termins für die Hochzeit. So ist es in Indien durchaus üblich, bei einer Partnersuche mittels Zeitungsinserat auch das Horoskop des Wunschpartners aufzuführen.
Jedoch bildet das Horoskop nicht die einzige Variante der Zukunftsschau. Es gibt noch andere Möglichkeiten, deren wohl vollkommenste und auch spektakulärste vor allem in Indien praktiziert wird - in den geheimnisumwobenen Palmblattbibliotheken.
Im August 1993 besuchte ich zum ersten Mal den indischen Subkontinent. Da sich alle mir bekannten Palmblattbibliotheken in Südindien befinden, hatte ich Madras, die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Tamil Nadu, als Ausgangsort meiner Exkursionen gewählt. Das Nadi-Reading, welches der Leser R. V. Ramani in seiner Bibliothek dort für mich abhielt, dauerte etwa 50 Minuten. Die Basis des Nadi-Readings ist die Lehre vom Shuka-Nadi. Diese Lehre beruht auf der Wahrnehmung von Vergangenheit und Zukunft jenseits unseres herkömmlichen Raum-Zeit-Begriffes. Darauf aufbauend, soll das Shuka-Nadi