Ava Lennart

Das Model und der Walflüsterer


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mir, Elle. Schlimmer als Richard kann er nicht sein.“ Ich verziehe den Mund. Dass Jill mich immer wieder mit Valéries Vater, dem Pariser Modefotografen, aufziehen muss. Wie soll ich Jill klarmachen, mir liegt nichts mehr an Richard? Selbst wenn ich zweimal im Jahr, wenn er in Kanada ist, bei ihm schwach werde.

      „Wo trefft ihr euch?“

      „In diesem deutschen Hafenrestaurant, in dem Valérie ihr Praktikum macht. Das Mister Chang zu seinen Dilden inspiriert hat.“ Meine Freundin kichert bei der Erwähnung von Mister Changs komischem Missverständnis. „Anscheinend kommst du derzeit am Heidelberg nicht vorbei.“ Mit einem Male schlägt mein Herz bei Jills Bemerkung aus wie ein Geigerzähler.

      Ob der Bootstyp wieder dort sein wird? Sofort verliere ich mich in ungebetenen Tagträumen, in denen muskeltanzende Fischflossen die Hauptrolle spielen.

      Obwohl Jill mich fragend ansieht, bringe ich es nicht fertig, ihr von diesem arroganten Hinterwäldler zu erzählen. Das würde diesem Typen einen Stellenwert einräumen, den er nicht besitzt und niemals einnehmen wird.

      DUSCHE

      ALEXANDER

      „Heute also keine, Grauwale?“ Geschickt fängt Bobby das Tau auf.

      Ich schüttle den Kopf und ziehe die Gangway in Position. Die heutigen Passagiere tröpfeln mit den üblichen Dankesbekundungen von Bord. Bobby verteilt an jeden von ihnen einen Flyer, der nochmals über das Forschungsprojekt informiert und um großzügige Spenden bittet. Ich genieße die Windstille im Hafen. Es ist ein warmer Tag. Kaum kann ich es erwarten, die windabweisenden Schichten meiner Seemannskluft von mir zu reißen und eine kühle Dusche zu nehmen. Heute wäre genug Zeit dafür, weil ich keine Handys bergen muss.

      Kurz blitzen Elles grüne, wutgesprenkelte Augen in meiner Erinnerung auf.

      Nachdem alles verstaut ist, erreiche ich mit wenigen Schritten die kleine Walstation in der Hafenzeile. Bobby folgt mir.

      „Dekan Hunter hat übrigens angerufen. Er bittet um Rückruf und fragt, ob du auf der diesjährigen Jahresabschlussfeier eine Rede halten könntest. Es sollten Forschungsergebnisse enthalten sein.“ Bobby grinst und ich hebe fragend die Brauen.

      „Forschungsergebnisse in der Abschlussrede? Der will doch nur checken, ob sein Geld gut angelegt ist. Aber wenn es sein muss. Ruf ihn bitte morgen zurück und sag zu.“ Ich beginne, mich aus meiner Kluft zu schälen. Als ich meinen nackten Oberkörper vor ihr entblöße, mich hinabbeuge und die Schuhe aufbinde, wendet Bobby sich verlegen ab. Verstohlen schielt sie zu mir hin, während sie so tut, als suche sie etwas auf dem Schreibtisch. Zeit, den Striptease im hinteren Zimmer fortzusetzen. Ich ärgere mich über mich selbst. Wie konnte ich nur so gedankenlos sein?

      „Wenn es sonst nichts gibt, spring ich schnell unter die Dusche.“

      „Äh .... nein.“ Bobbys Gesicht nimmt die Farbe einer Tomate an, als ich mit dem Handtuch um die Hüfte an ihr vorbei Richtung Bad haste.

      In dem winzigen Badezimmer dauert es eine Ewigkeit, bis ich die richtige Temperatur geregelt habe. Als ich mich endlich unter dem heißen Strahl entspanne, suche ich vergeblich nach dem Duschgel. Mist. Das hatte ich heute Morgen mit ins Gym genommen.

      „Bobby?“ Gedämpft ertönt ein „Ja?“

      „Tust du mir einen Gefallen und bringst mir das Duschgel. Das ist in meiner Sporttasche. Die liegt auf dem Stuhl neben der Tür.“ Ich hinterlasse eine Wasserpfütze auf dem Fußboden, als ich die Dusche verlasse. Notdürftig lege ich mir das Handtuch um die Hüften und öffne die Badezimmertür einen Spalt. Bobby steht davor und schaut mich mit kreisrunden Augen an. Das heißt, sie starrt auf das Rinnsal an Wassertropfen, das meinen Bauch hinabkullert und sich in der schmalen Spur dunkler Locken sammelt, die aus dem Handtuchbund lugt. Sofort ziehe ich den Stoff höher, entreiße ihr das Duschgel und schließe die Tür. Verdammt!

      Wieder unter der heißen Dusche schüttle ich über mich selbst den Kopf. Was für ein kompletter Vollidiot ich bin!

      Dass Bobby mehr für mich empfindet, als ich ihr geben kann, ist wohl offensichtlich. Sonst hätte mich Neil bei unserem Surftrip heute morgen bei Sonnenaufgang am Jericho Beach nicht darauf angesprochen.

      „Du merkst schon, der kleine Salma Hayek-Verschnitt fährt voll auf dich ab?“ Wir treiben mit den Boards im Wasser und warten auf die nächste Welle.

      „Bobby? Unsinn, wir sind nur gute Freunde.“ Neil bricht in haltloses Lachen aus.

      „Freunde? Sag mal, du musst schon sehr blind sein, nicht zu bemerken, wie sie dich anstrahlt. Die Kleine wird jedes Mal rot wenn du sie zufällig berührst. Außerdem ist sie heiß.“ Beunruhigt schaue ich ihn an und fahre verwirrt durch mein Haar. Je länger ich darüber nachdenke, desto merkwürdiger kommt mir Bobbys Verhalten in den letzten Wochen vor. Ich stöhne, als mir die Erkenntnis kommt.

      „Jetzt wo du es sagst... aber das darf nicht sein!“

      „Warum denn nicht? Die Kleine ist scharf und hat Temperament. Also, ich würde sie nicht von der Bettkante stoßen.“

      „Sprich nicht so von Bobby. Wir arbeiten schon so lange zusammen an diesem Forschungsprojekt. Sie ist wie eine kleine Schwester für mich.“

      „Also, du bist definitiv kein Bruder für sie, Alexander. Zum Beispiel heute morgen, als ich dich in der Station abgeholt habe und sie überraschend reinkam. Hast du da nicht bemerkt, wie hektisch sie wurde, als du mit nacktem Oberkörper und dem Neoprenanzug um die Hüften an ihr vorbeigelaufen bist. Ihr ist der Stapel Flyer aus der Hand geglitten. Ich dachte, die springt dich gleich an und leckt deine Brustmuskeln ab.“ Neil imitiert ein Hecheln und tut so, als liefe ihm Sabber aus dem Mundwinkel. Entnervt rolle ich die Augen.

      „Neil! Ich hab gesagt, hör auf. Bobby ist nicht nur wie meine Schwester, sondern auch meine Geschäftspartnerin. Ihre Kohle steckt, genau wie meine, in der Walstation. Es wäre tödlich fürs Geschäft, mich auf sie einzulassen. Nicht auszudenken, wenn etwas schiefliefe.“

      Wir nehmen die nächste Welle und haben eine Weile Spaß. Später, beim Ausruhen am Strand, greift Neil das Thema wieder auf.

      „Angenommen, sie wäre nicht deine Geschäftspartnerin. Würdest du dich auf sie einlassen?“

      „Auf Bobby?“ Ich starre auf die Brandung, während ich überlege. Dann schüttle ich den Kopf.

      „Nein, sie ist einfach nicht mein Typ.“ Neil verdreht die Augen.

      „Ach, und wie ist dein Typ, wenn nicht Latina-Sexbombe mit Wahnsinnsbrüsten?“

      „Neil, Bobby hat einen Doktortitel in Ozeanologie. Reduziere sie nicht auf ihr Äußeres.“

      „Wenn sie aber doch so heiß ist...“ Ich werfe mein Handtuch nach ihm.

      „Wenn du sie heiß findest, fang du doch was mit ihr an.“

      „Geht nicht, mein Herz ist derzeit belegt.“ Ich mustere meinen Freund mit hochgezogenen Augenbrauen.

      „Seit wann ist dein Herz und nicht nur dein Schwanz in deine Dates involviert?“ Neil grinst.

      „Seit ich meine Jugendliebe wiedergetroffen habe.“ Ich runzle die Stirn. Dann erinnere ich mich.

      „Du meinst nicht etwa die Anzugtussi vom Boot? Was war denn daran Jugendliebe? Ich denke, ihr habt nur einmal geknutscht.“ Neil seufzt theatralisch.

      „Das eine Mal habe ich aber nie vergessen. Die Frau ist der Wahnsinn. Genau mein Typ. Apropos Typ. Nenn mir einen Grund, warum Bobby nicht dein Typ ist?“ Er kratzt sich seine rötlichen Bartstoppeln. „Ich kann mich an eine Latina vor drei Jahren erinnern. Und an eine Blondine wenig später. War da nicht auch eine Rothaarige? Ja, auf der Party von diesem Dings, wie