Walter Scott

Ivanhoe


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können.«

      »Du weißt, was ich dir versprochen habe,« sagte der Ritter.

      »Das ist das wenigste,« antwortete Gurth. »Aus Furcht vor Schlägen werd ich nie meinen gütigen Herrn verlassen. Ich hab ein dickes Fell. Das hält so gut die Peitsche aus, wie nur irgend ein Eber in meiner Herde.«

      »Verlass dich darauf, ich vergelte dir alles, was du aus Liebe zu mir wagst,« sagte der Ritter. »Inzwischen nimm hier diese zehn Goldstücke an.«

      »Nu bin ich reicher als irgend einn Schweinehirt oder Leibeigener,« rief Gurth, das Geld in seinen Beutel steckend.

      »Und hier diesen Beutel voll Gold,« sagte der Ritter weiter, »nimm mit nach Ashby, suche Isaak den Juden von York auf und sag ihm, er solle dies als Leihgeld für sein Pferd und seine Rüstung annehmen. Er hat mir durch seinen Kredit beides verschafft.«

      Gurth steckte den Beutel zu sich und ging hinaus.

      »Es wird freilich schwer halten,« sagte er vor sich hin. »Aber ich will doch versuchen, ob er sich mit einem Viertel seiner Forderung begnügt.«

      Im Landhause eines reichen Juden in Ashby wohnten Isaak und seine Tochter mit ihrer Dienerschaft, denn die Juden sind bekanntlich untereinander ebenso gastfreundlich und freigebig, wie gegen andere widerspenstig und ungefällig. In einem kleinen aber nach orientalischem Geschmack reich ausgestatteten Gemach saß Rebekka auf einer gestickten Polsterbank, die an Stelle von Sesseln und Stühlen an den Wänden entlanglief. Sie sah ihrem Vater nach, der niedergeschlagen und unruhig hin und wieder ging und ab und zu die Augen zur Decke emporschlug wie einer, der unter großer Trübsal leidet. »O Jakob!« jammerte er, »o alle Ihr heiligen zwölf Väter unseres Stammes! Was für ein Schlag für einen Mann, der erfüllt hat die Gebote Mosis bis aufs Jota, bis aufs Titelchen! Fünfzig Zechinen mir geraubt mit einem Griffe von der Hand des Tyrannen!«

      »Ihr scheint aber doch dem Prinzen das Geld gutwillig zu geben, Vater,« sagte Rebekka.

      »Gutwillig! Der Fluch Ägyptens über ihn! – Gutwillig sagst du? Genauso gutwillig, wie ich im Golf von Lyon meine Waren aus dem Schiffe warf, dass es leichter würde im Sturme. Da hab ich die brandenden Wellen gekleidet in meine köstlichen Seidenstoffe, das Salzwasser habe ich gesättigt mit Myrrhe und Aloe, und angefüllt mit Gold und Silberbrokat die schlammigen Untiefen! Ach! Was war das für eine Stunde unsäglichen Elends, wenn es auch meine eigenen Hände waren, die das Opfer brachten!«

      »Geschah es doch, Vater, um unser Leben zu retten,« erwiderte Rebekka. »Der Gott unserer Väter hat seitdem seinen Segen über deinen Handel und deine Warenlager gebreitet.«

      »Wenn aber der Tyrann Beschlag darauf legt, wie heute auf mein Geld!« stöhnte Isaak. »Wenn er mich zwingt zu lächeln, wenn er meine Habe raubt? O meine Tochter! Enterbt ist unser Volk und verdammt, heimatlos herumzuirren, aber das größte Unglück ist es, dass alle Welt noch dazu lacht, wenn wir geknechtet und beraubt werden. Statt dass wir uns rächen dürfen, müssen wir all unseren Groll hinunterschlucken und süß lächeln zu allen Unbilden.«

      »So musst du nicht denken, Vater, auch Vorteile haben wir,« sagte Rebekka. »So grausame Tyrannei auch diese Heiden üben, so sind sie doch gewissermaßen abhängig von den Kindern Zions, die sie verachten und verfolgen. Ohne unseren Reichtum könnten sie weder ihre Heere im Kriege bezahlen, noch im Frieden ihre Triumphe bestreiten. Das Gold, das wir ihnen borgen, kehrt mit Wucher zurück in unsere Schatullen. Wir sind wie das Gras, am besten grünt es, wenn Füße es treten. Selbst das heutige Fest hätte nicht stattfinden können, hätten nicht die verhassten Juden das Geld dazu hergegeben.«

      »Da erinnerst du mich an einen anderen Gegenstand meines Kummers,« sagte der Jude. »Das schöne Pferd und die schmucke Rüstung, mein ganzer Profit aus dem Geschäftchen mit unserm Kirgath Jairam von Leicester: wär das ein schwerer Verlust! Dahin wäre der ganze Gewinn einer Woche, der ganze Schweiß von einem Sabbat zum andern! Doch vielleicht läuft es besser ab als ich denke, denn er ist ein guter Junge.«

      »Gewiss, mein Vater,« antwortete Rebekka, »es wird dich nicht gereuen, eine gute Tat an dem fremden Ritter getan zu haben.«

      »Das hoffe ich, meine Tochter!« sagte Isaak. »Ich hoffe fest, dass wieder aufgebaut werden wird der Tempel Zions, aber wollte ich hoffen, dass ich noch mit eigenen Augen werde schauen können die Mauern und Türme des neuen Tempels, so wäre das ebenso eitel, als wenn ich darauf rechnen wollte, dass ein Christ – und wär es der beste der Christen – einem Juden bezahlen würde, was er ihm schuldig ist, es sei denn, dass man ihm drohte mit Richter und Kerkermeister.« – Es wurde nun finster, und ein jüdischer Diener trat ein und setzte zwei silberne, mit duftendem Öl gefüllte Lampen auf den Tisch. Ein anderer Diener trug reiche Erfrischungen und kostbare Weine herein, denn in ihrem Heim versagten sich die Juden keinerlei Behaglichkeit. Gleichzeitig meldete der eine der Diener, dass ein Nazarener mit Isaak zu sprechen wünsche.

      Ein Handelsmann muss jederzeit für jeden, der mit ihm Geschäfte zu machen wünscht, Zeit übrig haben. Der Jude setzte also den Becher voll griechischen Weines hin, sagte zu seiner Tochter: »Verschleiere dich, Rebekka!« und befahl dem Diener, den Fremden hereinzuführen. Kaum hatte Rebekka einen Schleier von Silberflor über ihr Angesicht geworfen, da trat Gurth herein, in seinen weiten normannischen Mantel gehüllt. Er sah nicht gerade sehr vertrauenerweckend aus, denn er hatte seine Kapuze nicht abgenommen, sondern noch tiefer in die verbrannte Stirn gezogen.

      »Bist du der Jude Isaak von York?« fragte Gurth auf sächsisch.

      »Der bin ich,« entgegnete der Jude, der dank seinem Gewerbe mit jeder britischen Mundart vertraut war. »Und wer bist du?«

      »Das geht dich nichts an,« antwortete Gurth.

      »Genau so viel, wie es dich angeht, wer ich bin,« versetzte Isaak. »Wenn ich nicht weiß, wer du bist, wie kann ich mit dir machen Geschäfte?«

      »Das macht nichts,« erwiderte Gurth. »Ich bringe Geld, und da muss ich wissen, wer der ist, dem ich's übergebe. Du aber kriegst das Geld, und da kann dir's gleich sein, von wem es kommt.«

      »Ah, du bringst mir Geld!« rief der Jude. »Das ändert die Sache. Von wem bringst du mir denn Geld?«

      »Von dem enterbten Ritter,« sagte Gurth, »dem Sieger des heutigen Turniers. Es ist der Preis für die Rüstung, die ihm auf dein Fürwort hin von Kirgath Jairam leihweise überlassen worden ist. Ich will nun bloß wissen, wieviel ich für die Rüstung bezahlen soll.«

      »Sagt ich es nicht, ein guter junger Mann ist es!« rief Isaak vergnügt. »Ein Becher Wein wird dir wohl nichts schaden,« setzte er hinzu und goss dem Schweinehirten einen Tropfen ein, wie ihn dieser noch nie so köstlich getrunken hatte. – »Und wieviel Geld,« fuhr er dann fort, »hat dir denn dein Herr mitgegeben?«

      Gurth setzte den Becher hin.

      »Heilige Jungfrau!« rief er. »Was für'n Göttertrank schlürfen diese ungläubigen Hunde, und echte Christen können sich kaum so dickes, trübes Bier leisten wie das Spülicht, das wir den Schweinen geben. – Wieviel Geld ich mitgekriegt habe?« fuhr er nach diesen unzarten Worten fort. – »Na, viel ist's gerade nicht, aber's wird wohl langen müssen.«

      «Ja, ja, aber . . .« antwortete der Jude, »dein Herr hat gewonnen wertvolle Rüstungen und edle Rosse mit der Kraft seines Armes und der Wucht seiner Lanze – ein guter, junger Mann! Der Jude will sie annehmen als Zahlung und herauszahlen den Überschuss.«

      »Die hat mein Herr schon weggegeben,« erwiderte Gurth.

      »Das ist nicht recht,« antwortete der Jude, »und töricht obendrein. Soviel Rüstungen und Pferde hat kein Christ kaufen können, und kein Jud hätt bezahlt dafür den halben Preis, keiner als ich. Na, du hast gewiss hundert Zechinen im Beutel,« und er griff unter Gurths Mantel, »er ist schwer, dein Beutel.«

      »Bolzenköpfe von meiner Armbrust hab ich drin,« versetzte Gurth rasch.

      »Nu,