Paul Stefan Wolff

Suche Mann, der mehr sieht (in mir)


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Lasten der Patienten gehen würde. Das will ich verhindern!“

      „Und ich würde also in die Firma kommen, aber nicht als Lebenslust-Psychologin? Ein Vorschlag: hat Herr Werner eine Lebensversicherung?“

      „Sein Vertrauter und Diener meinte ja, sogar 1 Million. Die fielen entfernten Verwandten zu. Nähere Angehörige hat er nicht, nicht mal eine Freundin.“

      „Das ist prächtig“, Reni lächelte. „Ich komme im Auftrag der Lebensversicherung.“

      „Er nimmt keine Hilfe an“, Schmidt schüttelte den massigen Kopf. „Wir haben schon einen erfahrenen Psychologen... . Der wurde rausgeworfen.“

      „Ja, weil der seinen Job machen wollte“, Reni erhob die Anmerkung unterstreichend den Zeigefinger. „Niemand will geheilt werden, weil der andere seinen Job macht. Ich werde für ihn eine dumme und unerfahrene junge Frau sein, die lieber eine Weltreise machen will.“ Ich luchse ihm eine Vereinbarung ab, die lautet, wir tun nur so als ob.“

      „Hmm. Es kommt auf einen Versuch an. Falls der scheitert, scheitert er auf der ersten Stufe schon am Anfang, dann können wir im BR was anderes überlegen. Unser Team ist schlagfertig. Das war dann auch alles. Jetzt besprechen wir noch Ihre Entlohnung. Da Sie weder Erfahrung haben noch Referenzen würde ich vorschlagen, eine kleine Pauschale, den Rest bei Erfolg.“

      Reni stimmte notgedrungen zu.

      Am Vorabend hatte ihre Mutter Reni zu sich eingeladen, Mutter Ingrid war herzlich, Vater las seine Zeitung.

      „Wie lange bist du schon arbeitslos?“ fragte er dann doch über den Zeitungsrand.

      „Ein Jahr fast“, Reni war bedrückt. „Aber ich mache mich selbständig. Habe genug von der Supermarktarbeit.“

      „Eine Ex-Psychologiestudentin mit Depressionen“, Vater schüttelte den Kopf. „Macht 14 Semester, das Studium war von Anfang an ein Schuss in den Ofen. Dir laufen alle Sachen aus dem Ruder.“ Er legte die Zeitung weg. „Such dir einen Mann!“

      „Ich bin eine neue Art Frau!“ Reni war entschlossen. „Ich will mein eigenes Ding gebacken kriegen. Und ich habe einen Auftrag. Ein Mann mit Depris. Ein Reicher. Ich kann da mein ganzes Wissen einbringen!“

      „Du solltest besser für ihn kochen. Und was man als Frau sonst macht.“

      „Sich zurücknehmen?!“ Reni war aufgebracht, sie stand auf, einmal in dieser Situation angelangt war es Zeit zu gehen.

      „Reni“, Mutter war im Flur die Sanfte. „Das Leben für eine Frau auch in der heutigen Zeit besteht darin zu erkennen, die lieben und einfachen Männer sind im Nachhinein die bessere Wahl. Auch wenn sie in jungen Jahren nach dem Feuer suchen.“

      „Hast du denn nie Sehnsucht nach dem Feuer gehabt? War dir der immer genug?“

      „Er hieß Jens.“

      „Mama, es war noch nie die Zeit so gut für Frauen, auch ihren eigenen Weg zu suchen“, Reni deutete zur Tür hinaus. „Das ist der Vorteil dieser Zeit. Bei allen Nachteilen, die sie hat. Wir haben es weniger schwer als alle Frauen vor uns.“

      Sie umarmten sich. Dann steckte Ingrid ihrer Tochter einen Brief zu.

      Am Abend hatte Reni ihre Freundin Bettina zu sich eingeladen. Sie wälzten Einrichtungsmagazine. Die schwarzhaarige Bettina trug die Haare wie immer kurz, mit dem deutlichen Leberfleck auf der linken Wange erreichte ihre Komposition etwas entrückt-apartes. Gothic-Fan. Sie war kleiner als Reni, mit 166 Größe fast 10 cm kleiner, sie wollte aber nicht größer sein, denn ihrer Meinung nach sollte ein Mann einen Kopf größer mindestens als die Frau sein, nun wollte sie das zukünftige Büro von Reni perfektionieren.

      „Dieser Sessel ist zu wuchtig und zu teuer“, kommentierte Reni den Vorschlag.

      „Wenn du den Auftrag schaffst, winkt dir also eine üppige Prämie“, schloss Bettina. „Dann solltest du durchstarten. In diesem Sessel fühlen sich die Kunden aufgehoben, man sitzt darin wie in einer liebevollen Umarmung.“

      „Hm.“

      „Gib dir den Anschein von Welterfahrung. Diese Weltkarte an der Wand ist dafür gut und sie ist billig.“

      „Die kannst du schon mal bestellen“, Reni sagte das im Hinblick auf ihre bei Werner gespielte Weltreise. „Aber nicht mehr. Meine Mutter hat mir einen Brief gegeben, mein Vater hat die Raten fürs Haus schon länger nicht mehr überwiesen. Jetzt soll ich irgendwie schauen. Ich brauche 15.000, sonst wird das Haus meiner Eltern versteigert.“

      „Dann brauchst du diesen Auftrag dringend“, sagte Bettina. „Wie ziehst du dich an?“

      „Minirock, Strümpfe. Meine sportlichen Beine sind mein großes Plus.“ Sie lächelte. „Und ich habe mir für die Brüste einen teuren Push-Up-BH gekauft. Das ist wohl mein Minus.“

      „Aber keine Geschäftsklamotten. Männer schreckt das ab.“

      „Ok, ich nehme ein eng anliegendes Hemd.“

      Bettina nickte, dann war sie zufrieden.

      „Anderes Thema, sieh dir „Pretty Woman“ an, die Überlegenheit von Richard Gere ist nicht sein Geld. Es ist sein Interesse für die Oper. Erst als er Julia Roberts in die Oper mitnimmt, erst da hebt er sie auf seine Stufe hinauf. Erst da überlegt er sich die Beziehung genauer. Du solltest dir also Kunst reinstellen, am besten eine Plastik. Die ist deutlich.“

      „Ok“, Reni ließ sich überzeugen. „Eine von deinen Skulpturen.“ Sie legte jedoch den Katalog zur Seite, holte die Stadtzeitschrift hervor. „Da. Das eingekringelte.“

      „Suche Mann, der mehr sieht (in mir)“, las Bettina vor. „Gerne künstlerisch Angehauchte, mit beiden Beinen auf dem Boden. W, 29, 1,74, sportlich-schlank, dunkelblond - Das ist deine Email-Adresse! PLUS eine Chiffre-Nummer.“ Sie setzte einen Schmollmund auf. „Ich bin doch die Künstlerin, die gehören alle mir.“

      „Du bist zu speziell“, warf Reni ein. „Außerdem hast du mich ja darauf gebracht. Ich komme einfach mit Künstlern sehr gut klar. Die Zeitung ist heute rausgekommen.“

      „Du suchst also jetzt einen Mann per Annonce?“ Bettina machte große Augen.

      „Internet ist ausgelutscht, nur blöde Ansprachen. Echte Ideen. Nicht die 08/15 Essen und Trinken. UND: Ich habe die Chiffre rein, ich will, dass mindestens einer dabei ist, der einen Brief noch schreiben kann. Das gibt 25 Pluspunkte von 100. Und das mit der Perlenkette bringe ich ihnen schon noch bei.“

      „Was ist das denn?“ Bettina war verwundert. „Du willst kostbare Geschenke? Seit wann das denn?“

      „Nein. Sicher nicht. Eine Perlenkette, das hat mal ein Ex von mir gemacht. Das ist, wenn man ein kleines Wegstück am Körper wie an einer Perlenkette aufgereiht mit Küssen in einer Linie bedenkt. Nicht bedeckt, nicht die ganze Fläche küssen. Aber so halt eine Linie am Hals, schon mehr als 5 Küsse – hintereinander. Das kommt wuchtig! Weil die Eiligen, die setzen einen Kuss, wenn überhaupt, oder zwei, drei. Aber die volle Perlenkette, also schon mehr als fünf, das ist der Bringer. Fußfetischisten am Fuß noch, wenn eine Frau oder ein Mann einen kleinen Bach hat, dann am Bauch. Hat der Typ am Anfang gemacht, ich so, mach das öfter. Ist schon schwer zu sagen: JETZT machst du das. Das muss er schon selbst wissen, auch nicht jedes Mal. Aber hin und wieder...“

      „Wie kommst du nur auf solche Ideen?“ Bettina lachte los. „Das mit der Anzeige?“

      „Als ich den Push-Up bestellt habe“, Reni verengte schlau lächelnd die Augen. „Ich wollte einen, für den ich ohne das Zeug so aussehe, als hätte ich es an. Ich habe Substanz. Aber Substanz ohne die gute Ausführung ist nicht viel. Ich will gesehen werden, dann werde ich schon zu einem Diamanten.“

      „Wenn dir nur diese Sache nicht auch noch entgleitet...“, Bettina kannte ihre Freundin.

      „Da entgleitet gar nichts. In jedes Menschen Leben kommt das Ende der jugendlichen Freude und hoffnungsfrohen Schaffens mit etwa 30, oder in den 40ern.