Erwin Rosenberger

Erwin Rosenberger: In indischen Liebesgassen - Prostitution in Bombay - Aus dem Tagebuch eines Schiffsarztes


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      Vorwort zur ersten Auflage

       Vorwort zur ersten Auflage

       https://www.projekt-gutenberg.org/rosenerw/liebesga/chap001.html

      Dieses Buch ist vor dem ersten Weltkrieg entstanden.

      Als Schiffsarzt hatte ich oftmals Gelegenheit, Indien zu besuchen und mancherlei Erscheinungen, die der indische Boden hervorbringt, zu betrachten und durch wiederholte Wahrnehmung zu prüfen.

      Aus Blättern meines Tagebuches, denen ich auch meine Erlebnisse in dem Hetären-Bezirk der indischen Hafenstadt Bombay anvertraut habe, ist dieses Büchlein hervorgegangen.

      Wenn ich in Kamatipura, im Stadtteil der Freudenmädchen von Bombay, umherging, hatte ich oft und oft das Bewusstsein: Hier bin ich auf einem Fleckchen Erde, das eine sittengeschichtliche Sehenswürdigkeit ist; der Kulturhistoriker könnte da gar viel Bemerkens- und Merkenswertes finden; was man in diesen Gassen wahrnimmt, sollte man aufzeichnen, irgendwie festhalten, als einen Beitrag zur Sittengeschichte.

      Denn dereinst, nach kürzerer oder geraumer Frist, wird dieses interessante Stückchen Welt verschwunden sein, zugedeckt von den Schollen, die der nimmermüde unempfindliche Pflug der Zeit aufwirft. Der Reisende, der in Indien landet, wird dann die seltsame Siedlung nicht mehr sehen, in der die Liebesbräuche des Orients und des Abendlandes, der neuesten Gegenwart und urältester Tradition in absonderlicher Kreuzung vereint sind. Und der heiße Staub Asiens wird wieder einmal über eine Stätte fegen, die vor Zeiten ein sittengeschichtliches Kuriosum getragen.

      – – Zum ersten Mal fuhr ich nach Bombay im Februar 1908, zum einstweilen letzten Male im April 1914.

      Menschen, Völker, Länder sind in diesen Blättern so gezeichnet, wie wir sie vor dem Krieg sahen.

       Ob unser Auge damals unbefangener und mit ungetrübterer Sehschärfe in die Welt geblickt hat oder heutzutage, – hierüber werden wir erst urteilen können, wenn unser Urteil unbefangener geworden.

      Daher ist's wohl ratsam, alles, was wir vor dem Kriege auf Grund redlicher und möglichst gewissenhafter Reise-Beobachtungen zu Papier gebracht haben, weiterhin in unverändertem Zustand zu lassen.

      – – Heute, in den Tagen des Kriegswahnsinns, wäre es beinahe nötig, eine Entschuldigung vorzubringen, dass man's unterlassen hat, geflissentlich in einem Tone der Gehässigkeit von der Nation X und der Nation Y zu sprechen. Vernünftige Leser werden mir eine solche Entschuldigung erlassen, wie sie ja auch auf Hassgesänge gerne verzichten.

      Es wäre ziemlich töricht, wenn ich heute nachträglich gegen das japanische Freudenmädchen von Bombay hasserfüllte Worte schleudern wollte, gegen die harmlose japanische Hetäre, die ihr Leben nur der Liebe gewidmet hat, – ja sogar der berufsmäßigen Liebe, welche jedem Mann, ohne Unterschied der Nation, zuteilwird.

      Wir wollen denen, die so viel und so allumfassend geliebt haben, die Liebe nicht mit Hass lohnen.

      – – Wenn ich jetzt in diesem Buch blättere, so regt sich in mir der Gedanke: Seltsam, welcher Art in jenen Tagen unsere Stimmung war! Das waren die Sorgen, denen ich mich damals sorgenlos hingeben konnte! Damals, in den Zeiten vor dem Krieg. Mich dünkt, unser Sinnen und Streben hat vormals auch mancher kleinen und großen Torheit gegolten. –

      Und dann regt sich ein zweiter Gedanke: Ach, wenn wir nur wieder so weit wären, dass wir Sinn für solche Stimmung hätten! Nicht gerade der Stimmung zuliebe; aber „soweit“ sein, das hieße: weit, weit weg von diesem unseligen Kriege; die blutrote Wahnsinnswolke, die heute den Himmel bedeckt, zerstoben und verschwunden.

      Was sind alle anderen kleinen und großen Torheiten gegen diese ungeheure Wahnsinnswolke!

       Im Sommer des Kriegsjahres 1918.

      * * *

      Vorwort zur Neu-Ausgabe

       Vorwort zur Neu-Ausgabe

      In den Jahren des Ersten Weltkriegs unseligen und widerwärtigen Angedenkens war uns, wie jedermann weiß, nebst anderen Freiheiten auch die Freizügigkeit weggenommen; wir hatten nicht die Möglichkeit, nach eigenem Belieben zu wandern und zu reisen.

      Indien lag damals in einer unerreichbaren Ferne. Ein Spaziergang durch die Gassen der indischen Hafenstadt Bombay erschien mir in jenen Tagen als eine ungefähr ebenso leichte und naheliegende Unternehmung wie etwa das Hinaufklettern auf einen Mondkrater oder wie eine Kahnfahrt auf einem Marskanal.

      Und ich hielt es zu damaligen Zeiten für höchst unwahrscheinlich, dass ich noch jemals über die blauen Meereswellen als Schiffsarzt dahin gondeln würde.

      Indes, eines holden Tages, im Herbst 1919, stand ich wieder auf dem Verdeck eines Schiffes, das aus dem Hafen von Triest abdampfte, ich lehnte an der Reeling, erfüllt von der wunderbaren Empfindung: Jetzt bist du wiederum Seefahrer! Jetzt geht's hinaus in nähere und entlegene Meere! – Und ich sah, wie die Häuser von Triest kleiner und kleiner wurden.

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      Auf den Dampfern des Lloyd „TRIESTINO“ trieb ich mich nun in der Levante herum und im Schwarzen Meer, fuhr dann zweimal nach Japan und endlich, im Jahre 1921 und späterhin, fand ich von neuem Gelegenheit, die Küste Vorderindiens zu besuchen, die indische Hafenstadt Bombay, mein wohlbekanntes Bombay.

       Es ist selbstverständlich, dass ich in Bombay auch den Stadtteil der Freudenmädchen aufsuchte, die mir sehr vertrauten Liebesgassen, denen ich vor dem Krieg so manches Blatt meiner Tagebücher gewidmet. Die Beobachtungen, die ich während dieser Forschungs-Ausflüge machte, jetzt nach dem Kriege, sind als nachträgliches Kapitel angegliedert.

      Zudem habe ich den Tagebüchern, die ich vor dem Krieg geschrieben, noch einige Kapitel entnommen, Aufzeichnungen, welche mir eine belehrsame Ergänzung dieser sittengeschichtlichen Studie zu sein schienen, und habe sie da und dort eingeschaltet.

      Ich hatte mich bemüht, in meinen Tagebüchern die Wirklichkeit möglichst genau und richtig zu porträtieren. Man tut dies, weil man – wenn ich so sagen darf – als Forschungswanderer von einer Art wissenschaftlichen Gewissens geleitet und tyrannisiert wird. Und ferner: der Trieb, ein Tagebuch zu führen, ist eine Form des Selbsterhaltungstriebes; wer, einem inneren Zwange folgend, seine Erlebnisse auf dem Papier konserviert, will das Stück Leben, das aus jenen Geschehnissen aufgebaut ist, vor dem Untergang retten. Das Leben, – das ist die Summe der Erlebnisse. Wenn wir die Begebenheiten einer bestimmten Lebensperiode vergessen haben, wenn uns keine Erinnerungsspur von ihnen geblieben ist, so ist diese Lebensstrecke verloren, gestorben. Das Tagebuch ist das Mittel, unser Selbst zu erhalten, unser Ich festzuhalten; die Iche – sit venia verbo – woraus unsere Vergangenheit zusammengesetzt ist. Jeder Mensch hat in seinem individuellen Dasein eine lange Ahnenreihe, – all die Iche, all seine Entwicklungsstufen, alle Formen seiner Persönlichkeit, die seinem derzeitigen Ich vorangegangen sind.

      Jeder ist sein eigener Vorfahr, wie er auch sein eigener Nachkomme, Nachfolger ist.

      – Ich bin, merk ich, ein bisschen vom Thema abgeschweift; vom Hinweis, dass der Autor eines Tagebuches aus konservativem Egoismus sich gedrängt fühlt, mit historischer Treue zu zeichnen, um den Erinnerungswert nicht zu beschädigen, in der Voraussicht, dass er selber einmal der Leser seiner Tagebücher sein wird.

      Januar 1924.

      * * *

      Die Fleischmädchen – Exotische Früchte – Native – Am Abend

       Die Fleischmädchen – Exotische Früchte – Native – Am Abend

       https://www.projekt-gutenberg.org/rosenerw/liebesga/chap002.html