George Sand

Die kleine Fadette


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und einfältiger sind, als in la Cosse, davon reden hören, daß die Mutter Fadet, vermittelst eines gewissen Samenkornes, welches sie, einige Worte dabei murmelnd, ins Wasser werfe, den Leichnam eines Ertrunkenen wieder auffinden könne. Das Samenkorn schwamm dann obenauf und glitt mit dem Wasser fort, und an der Stelle, wo man es endlich liegen bleiben sah, konnte man sicher sein, den Körper des Verunglückten zu finden. Es giebt viele, die da glauben, daß geweihtes Brot dieselbe Eigenschaft habe, und es wird kaum eine Mühle geben, wo man nicht stets ein solches zu diesem Zwecke aufbewahrte. Landry indessen hatte keins, aber die Mutter Fadet wohnte ja ganz nahe bei der Wiese, und die Macht des Kummers schließt lange Überlegungen aus.

      Wir sehen also Landry auf die Behausung der Mutter Fadet zu eilen. Er klagte ihr seine Not und bat sie mit ihm zu gehen, bis zu dem verhängnisvollen Einschnitt am Ufer des Flusses, um zu versuchen, ob sie ihm durch ihr Geheimmittel nicht dazu verhelfen könne, seinen Bruder wieder aufzufinden, sei es nun tot oder lebendig.

      Mutter Fadet, der es durchaus nicht angenehm war, wenn ihr Ruhm übertrieben wurde, und die ihre Künste auch nicht gern umsonst benutzen ließ, lachte ihn aus und hieß ihn mit ziemlich barschen Worten weiter gehen. Es war ihr nicht recht gewesen, daß man auf dem Zwillingshofe, wenn die Frau der Entbindung nahe war, nicht sie, sondern die Sagette hatte kommen lassen.

      Landry, der eine etwas stolze Natur war, würde zu jeder anderen Zeit vielleicht eine entsprechende Antwort gegeben haben, oder böse geworden sein. Jetzt aber war er so gebeugt, daß er ohne ein Wort der Erwiderung sich umwandte und nach dem Einschnitt zurückkehrte. Er war fest entschlossen auf dem Grunde des Flusses nachzusehen, obgleich er weder schwimmen noch untertauchen konnte. Wie er so mit gesenktem Kopfe und zu Boden gerichteten Blicken dahinschritt, fühlte er plötzlich, daß ihn jemand auf die Schultern schlug; als er sich umwandte, erblickte er die Enkelin der Mutter Fadet, welche in der Gegend die kleine Fadette genannt wurde, teils weil dies ihr Familienname war, und teils, weil man meinte, daß sie auch etwas von der Zauberei verstehe. Es wird allen bekannt sein, daß Fadet oder der Farfadetto, an anderen Orten auch Poltergeist genannt, ein sehr niedlicher, aber etwas boshafter Kobold ist. Man nennt auch die Feen so, an die man aber bei uns zu Lande nicht recht mehr glauben will. Aber, was eine Fee, oder ein weiblicher Kobold sei, würde jeder beim Anblick der kleinen Fadette leicht begriffen haben. Sie war so klein, so mager, war so keck und hatte ein so zerzaustes Haar, daß jeder, der sie sah, einen Poltergeist vor sich zu haben glaubte. Sie war ein redseliges Kind von spöttischem Wesen, leicht beweglich wie ein Schmetterling, neugierig wie ein Rotkehlchen und sonnenverbrannt wie eine Grille.

      Wenn ich die kleine Fadette mit einer Grille vergleiche, so will ich damit sagen, daß sie nichts weniger als schön war, denn diese arme kleine zirpende Sängerin der Felder ist noch häßlicher als die Heimchen an unserem Herde. Und doch, wer sich noch aus seiner Kinderzeit daran erinnert, mit einer Grille gespielt zu haben, sie in seinem Holzpantoffel herum rasen und schreien ließ, der wird es wissen, daß ihr Gesichtchen nicht eben dumm aussieht, und daß sie eher Lachlust als Zorn erregt. So kam es, daß die Kinder von la Cosse, die nicht einfältiger sind als andere, und auch eben so rasch damit bei der Hand sind, Ähnlichkeiten aufzufinden und Vergleiche anzustellen, die kleine Fadette, wenn sie diese in Zorn bringen wollten, die Grille nannten. Sie thaten dies sogar manchmal aus Zuneigung; denn, obgleich sie dieselbe wegen ihrer Schelmerei ein wenig fürchteten, so waren sie ihr doch durchaus nicht abgeneigt, weil sie ihnen allerlei hübsche Geschichten zu erzählen, und immer wieder neue Spiele zu zeigen wußte, denn sie hatte einen erfinderischen Geist.

      Aber über allen diesen Namen und Spitznamen, hätte ich beinah vergessen ihren wirklichen Namen zu nennen, den sie in der Taufe erhalten hatte, und den meine verehrten Leser später vielleicht doch gern wissen möchten. Sie hieß also Franziska, und ihre Großmutter, die es nicht leiden konnte, die Namen zu verdrehen, nannte sie deshalb immer Fränzchen.

      Da schon seit langer Zeit zwischen den Leuten auf dem Zwillingshofe und der Mutter Fadet eine gewisse Spannung herrschte, redeten die Zwillinge nicht viel mit der kleinen Fadette, ja, sie legten sogar ihr gegenüber eine gewisse Entfremdung an den Tag. Sie hatten nie sehr gern mit ihr gespielt; ebensowenig mit ihrem Bruder, dem Grashüpfer, der noch magerer und boshafter war als sie, und der ihr überall am Rocke hing; wenn sie fortlief, ohne auf ihn zu warten, wurde er böse, und wenn sie sich über ihn lustig machte, geriet er in einen solchen Zorn, wie man ihn einem so kleinen Bengel nicht hätte zutrauen sollen, und versuchte es, mit Steinen nach ihr zu werfen. Sie ärgerte sich oft mehr über ihn, als sie selbst es wollte, denn sie war von heiterer Gemütsart und mochte gern über alles hinweglachen. In Bezug auf die Mutter Fadet machte man sich in der Gegend solche Vorstellungen, daß es gewisse Leute gab, und ganz besonders im Hause des Vaters Barbeau, die sich einbildeten, daß es ihnen Unglück bringen würde, wenn sie mit der Grille und dem Grashüpfer, oder wenn man es lieber hört, mit dem Heimchen und dem Heupferd, zu vielen Verkehr hielten. Dies verhinderte jedoch die Zwillinge nicht mit den beiden zu reden, denn sie ließen sich nicht so leicht in Schrecken jagen. Auch verfehlte die kleine Fadette nicht, sobald sie die beiden Brüder vom Zwillingshofe herankommen sah, sich ihnen schon von weitem mit allerlei Possen und Neckereien zu nähern.

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