Martin Cordemann

DER MORD VON ALLEN


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Ich habe versucht, ihn anzusprechen. Ich habe ihn angeschrien. Ich habe ihn beleidigt.

      DOND: (sieht sie fragend an)

      NICKY: Oh, das hilft manchmal. Oberst Burhenne hat noch nie eine Beleidigung unerwidert gelassen. Doch da... nichts. Kein Schnauben. Kein Knurren. Kein mich als „Hure“ bezeichnen. (schüttelt den Kopf) Da wusste ich, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Ich habe sofort den Sicherheitsdienst gerufen und die... haben dann alles weitere geregelt.

      DOND: (nickt) Oooookay. Sie sind also auch nicht wieder reingegangen in sein Büro?

      NICKY: Da werde ich nie wieder reingehen!

      DOND: Das kann ich verstehen. Also er lag da, vornüber gebeugt, Kopf auf dem Schreibtisch, unter ihm eine Pfütze aus Blut.

      NICKY: Ja. (nickt)

      DOND: War vor Ihnen jemand bei ihm?

      NICKY: Sie meinen, außer dem Mörder?

      DOND: Ähh...

      NICKY: Ich war die erste im Büro.

      DOND: Hmm.

      NICKY: Bezweifeln Sie das?

      DOND: Naja, (deutet Richtung Tatort) was ist mit ihm? Er wird doch wohl vor Ihnen hier gewesen sein?

      NICKY: Hmmmmmm...

      DOND: Nicht?

      NICKY: Ich weiß nicht. Sehen Sie, der Oberst legte viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres... weshalb ihn das Blut auf seinem Teppich in den Wahnsinn getrieben hätte, hätte er das noch miterleben müssen. Aber er trug die gleiche Kleidung wie Freitag.

      DOND: Aha?

      NICKY: Und ich glaube nicht, dass er so schlampig wäre, am Montag den gleichen Anzug zu tragen wie am Freitag.

      DOND: Sie meinen... er hat das Wochenende hier verbracht?

      NICKY: Ich... ja?

      DOND: Sie meinen, er hat das Wochenende hier verbracht, weil er sein Büro gar nicht verlassen hat... weil er tot war?

      NICKY: (geht ein Licht auf) Oh! So weit hatte ich das noch gar nicht gedacht!

      DOND: Aber es scheint ja wohl ganz danach auszusehen.

      NICKY: Ja... das scheint es.

      DOND: Das bringt uns zu Freitag, würde ich sagen.

      NICKY: Würden Sie?

      DOND: Hab ich sogar! Also, wie war das? Ich nehme an, Sie haben das Büro nicht als letzte verlassen?!

      NICKY: (sieht Richtung Tatort) Offensichtlich wohl nicht, nein.

      DOND: (sieht sich um)

      NICKY: Was?

      DOND: Najaaaaa... Ich meine, das hier ist das Ministerium für Innere und Äußere Sicherheit.

      NICKY: Ja.

      DOND: Und es gibt hier eine Menge Überwachungszeug. Wegen der Geheimhaltung und so.

      NICKY: Jaaaa...

      DOND: Warum bin ich hier?

      NICKY: Ich dachte, Sie wären der ermittelnde Beamte.

      DOND: Ja, das dachte ich auch. Aber eigentlich müsste ich doch nur der festnehmende Beamte sein, hab ich recht?

      NICKY: Haben Sie?

      DOND: Ich meine... Gibt es hier etwas zu ermitteln? Muss dieser Mord wirklich aufgeklärt werden? Bin ich nicht eigentlich nur hier, um den Mörder respektive die Mörderin zu verhaften?

      NICKY: (sieht ihn aufmerksam an, dann, nach einem Moment) Weil?

      DOND: Weil es nichts aufzuklären gibt?

      NICKY: Sie glauben nicht, dass es ein Mord war?

      DOND: Ich glaube nicht, dass er ermittelt werden muss! Sehen Sie sich um. Hier gibt es mehr Kameras als in einem Fernsehstudio. Also wenn es, was ich zu bezweifeln wage, keine Aufnahme vom Mord selbst gibt, so müsste es doch detaillierte Aufzeichnungen darüber geben, wer wann Gebäude und Büro betreten und wieder verlassen hat... habe ich recht?

      NICKY: Ja.

      DOND: Ha!

      NICKY: Und nein.

      DOND: Hä?

      NICKY: Unter normalen Umständen wäre das so.

      DOND: Da schwingt ein Aber mit.

      NICKY: Es ist sogar ein ABER!!!, wenn Sie verstehen.

      DOND: Ich werde mich bemühen. Weil?

      NICKY: (deutet auf die Kameras) Freitag, am frühen Nachmittag, ist das gesamte Überwachungssystem ausgefallen.

      DOND: (seufzt) War ja klar. Das heißt, es gibt keine Aufzeichnungen...

      NICKY: Keine Überwachung, nichts.

      DOND: Wäre ja auch zu einfach gewesen.

      NICKY: (nickt ihm aufmunternd wie zustimmend zu)

      DOND: Das bedeutet... (rechnet nach) Das hier ist ein Ministerium, womit die Zahl möglicher Verdächtiger... in die tausende geht?

      NICKY: 1.248, um genau sein.

      DOND: Was?

      NICKY: (lacht) War nur Spaß. Das weiß ich doch nicht. Aber ich glaube, das war die Anzahl der Personen auf der letzten Weihnachtsfeier.

      DOND: Hm.

      NICKY: Ich bin sicher, die sind nicht alle verdächtig!

      DOND: Danke.

      NICKY: Gern geschehen. Ein paar davon sind sicher im Urlaub. Oder im Ausland. Oder...

      DOND: Tot?

      NICKY: Ja, vermutlich.

      DOND: Also „nur“ etwa 1.000 mögliche Mörder?

      NICKY: Sagt man in einem solchen Fall nicht: Das ist schonmal ein Anfang?

      DOND: Nein, in einem solchen Fall sagt man: Scheiße!

      NICKY: Oh. Das muss ich mir merken.

      DOND: Besser nicht. Also rund 1.000 Leute... da kann man nur hoffen, dass der oder die Täter so freundlich waren, ein bisschen DNA zurückzulassen...

      NICKY: Ähem...

      DOND: Und wie zerstören Sie mir diese Hoffnung?

      NICKY: Oberst Burhenne hat am Freitag eine Menge Besucher in seinem Büro gehabt...

      DOND: Ich habe das Gefühl, da kommt noch was nach.

      NICKY: ...und der Putzdienst streikt gerade.

      DOND: Also es war nicht so, dass der Oberst in seinem Büro saß, dann war Feierabend, der Putzdienst macht alles herrlich sauber und dann kam der Killer rein, um seinen genetischen Fingerabdruck zu hinterlassen?!

      NICKY: Tut mir leid.

      DOND: Und mir erst. (denkt nach) Überwachung ausgefallen und kein Reinigungspersonal... klingt fast so, als wäre das kein Zufall.

      NICKY: Nicht?

      DOND: Nein.

      NICKY: Und wer könnte sowas veranlassen?

      DOND: Das... ist eine exzellente Frage. (grinst) Ich bin fast sicher, dass uns die Antwort dem Mörder näher bringen wird. Aber kommen wir zurück zu Ihnen.

      NICKY: Gerne.

      DOND: Wie war das am Freitag. Er hatte also eine Menge Besuch?

      NICKY: Ja. Die Liste habe ich bereits der Gerichtsmedizinerin gegeben.

      DOND: Super. Gut, Besuch, Besuch, Besuch, Besuch. Der Tag nähert sich dem Ende. Was passiert dann?

      NICKY: Ich klopfe an die Tür seines Büros.

      DOND: Ist er allein?