Delia Muñoz

The unseen souls


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schon mindestens zehn Mal probiert, zu ihr rüber zu teleportieren, aber auf die Distanz ging das einfach nicht. Ihre Freundin war nämlich die Einzige, die ihre Fähigkeiten billigte. Zwar wusste auch Jens Mutter Bescheid, aber sie wollte, dass Jen es so geheim wie möglich hielt und nur im Notfall gebrauchte. Tatsächlich hörte sie in diesem Punkt auf ihre Mutter, da sie keine Lust hatte, im Zirkus zu landen. Aber wie auch ihre Freundin Lucy fand sie die Fähigkeiten ziemlich cool und kam manchmal einfach nicht darum herum, sie zu benutzen.

      Im Moment erzählte sie Lucy gerade von Mr. Asozial, und war froh, das mit jemandem besprechen zu können. Allerdings hoffte sie, dass Lucy ihn nie zu Gesicht bekam, denn bisher wusste sie nur den Kosenamen „Mr. Asozial“ und nicht seinen echten - die Gefahr, dass sie ihn mit den falschen Namen ansprach, war zu groß.

      Sicherheitshalber schrieb sie ihr, dass er Nico hieß.

      „War ja klar!“, schrieb Lucy zurück. „Ein möchtegern-Macho! Wetten, er heißt doch Nicolas?“

      Jen lachte verhalten und Nico warf ihr von seinem Platz aus einen verwirrten Blick zu.

       An einem verlassenen Ort

      Der Junge betrat breit lächelnd das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Er war durch und durch zufrieden mit den neusten Nachforschungen.

      „Hat es geklappt?“, fragte seine Freundin, die auf einem Stuhl saß, die langen Beine ausgestreckt. Ihr langes Haar glänzte im kalten Licht des Zimmers und ihre Miene war selbstgefällig wie immer.

      Der Junge nickte. „Ich habe eine weitere unsichtbare Seele gefunden.“ Er machte eine dramatische Pause und fuhr sich mit der Hand durch seine verstrubbelten Haare. „Und sie sind im selben Haus…“ Grinsend zwinkerte er dem Mädchen zu. Es passte alles perfekt zusammen.

      Diese lächelte kühl und erwiderte: „Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit. Sie werden sich anfreunden.“ Da war sie sich ganz sicher. Das war immer so, bei so unwissenden, harmlosen Menschen in dem Alter. Irgendwann begann man zu reden und das, ohne den Hintergrund des anderen zu kennen. Man war naiv.

      Ihr Freund zog die Augenbrauen zusammen; aus irgendeinem Grund schien er anderer Meinung. „Naja, sie sind beide nicht die charmantesten…“, wandte er ein.

      Das Mädchen zuckte gelassen die Schultern und zog die Beine an. „Na und?“, fragte sie. „Dann passen sie ja wieder zusammen. Vertrau darauf.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln.

      Der Junge kam auf sie zu und setzte sich auf einen Stuhl neben ihr, dann legte er eine Hand auf ihre Knie. „Wir werden es schaffen. Darauf vertraue ich.“

      Die beiden sinnierten eine Weile über ihr Vorhaben. Zwar bedurfte es einiger Vorbereitungszeit und war in gewisser Hinsicht aufwändig, aber sie hatten allein in den letzten beiden Wochen Fortschritte gemacht, große Fortschritte. Daher waren sie zuversichtlich, dass ihr Plan aufgehen würde.

      „Da wäre nur noch eines…“, meinte das Mädchen nach einem Moment der Stille. „Wir müssen sicher sein, dass sie diesen Typen kennenlernen.“

      Der Junge überlegte einen Moment, was seine Freundin meinte, doch dann fiel es ihm wieder ein. Ja, diese Bekanntschaft fehlte noch zwischen ihren Zielobjekten. Aber er war überzeugt, dass auch das einfach war. So naiv wie die beiden waren, würden sie sich mit jedem anfreunden und nicht über die Vertrauenswürdigkeit nachdenken. Sowieso war es ja klar, dass er und seine Freundin die Macht hatten. Sie waren berechnender und vorsichtiger, ganz anders als sie beiden unsichtbaren Seelen. Jetzt, da alle Fäden lagen, mussten sie nur noch warten, bis sie sich von alleine verknüpften. Und dann würden sie zuschlagen. Erbarmungslos.

      „In zwei Wochen“, sagte er mit seiner tiefen Stimme und zwinkerte dem Mädchen erneut zu. „Das verspreche ich dir. Nur noch zwei Wochen.“

      Das Mädchen sah zu ihm hoch und legte ihre Hand auf seine. „Zwei Wochen“, wiederholte sie, sie wirkte nicht ganz so begeistert.

      „Gute Planung ist das Wichtigste“, fügte der Junge also hinzu. Sonst würden sie einen Fehler machen und das durfte auf keinen Fall passieren. Sie durften sich nicht von der Euphorie ihrer jüngsten Erkenntnisse beeinflussen lassen und nachlassen, sonst wären sie nicht mehr besser als ihre Versuchskaninchen.

      „Du hast Recht“, meinte das Mädchen besänftigt und ihre Augen lagen abmessend wie immer auf ihm.

      „Na klar.“ Zwei Wochen, aber keine Sekunde länger würde er auf den Erfolg warten.

      Am Montag, als Nico sie wieder keines Blickes würdigte, reichte es Jen allmählich. Von der Demütigung der Geister abgesehen, konnte sie sich eine Reihe angenehmere Dinge vorstellen, die sie in ihrer Freizeit tun konnte, als in einem Raum zu sitzen mit einem dahergelaufenen penetranten Typen, der nichts Besseres zu tun hatte, als Romane zu lesen und ein Ölbild anzustarren. Nicht einmal Geschmack hatte er, denn das Ölbild war grauenhaft.

      „Wieso ignorierst du mich immer?“, fragte sie ihn erbost und starrte zu ihm herüber. Wieder klang ihre Stimme fehl am Platz in der Stille. Sie unterhielt sich sonst gerne mit Leuten, aber mit Nico war das echt schwer!

      Nico klappte sein Buch zusammen und zuckte mit den Schultern. „Ich ignoriere dich ja nicht. Wenn ich dich ignorieren würde, würde ich dir jetzt nicht antworten“, erklärte er ihr.

      Jens Blick verfinsterte sich. Konnte er ihr nicht einmal eine ernste Antwort geben? „Du weißt, was ich meine. Ich will keine Definition über das Ignorieren, sondern irgendeine brauchbare Antwort.“

      „Tut mir leid, ich weiß nicht, was du meinst.“ Er sah sie mit einem seltsamen Blick an und schlug seinen Roman wieder auf, aber sie bemerkte zu ihrem Erstaunen, dass sein Blick immer wieder zu ihr huschte.

      Sie seufzte, stand auf und ging langsam aus dem Haus Lupos. Zwar spürte sie seinen Blick im Rücken, als sie die Treppe hinunter ging, aber sie konnte im Moment keine Sekunde länger dort sitzen bleiben. Auf der Straße angekommen, stellte sie sich auf ihr Skateboard und fuhr in die Stadt, da sie ihrer Mutter versprochen hatte, sich endlich einen Wecker zuzutun. Aber dennoch konnte sie Nico nicht aus dem Kopf schlagen. Und das ging ihr öfters so. Lucy hatte mal zum Spaß gesagt, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Aber wie konnte es sein, dass sie in jemanden verknallt war, der so unhöflich zu ihr war? Andererseits glaubte Jen einfach nicht ganz, dass das wirklich seine natürliche Art war. Auch wenn er es nicht zugab, wollte Jen sich einreden, dass er einen Grund für sein Verhalten hatte. Das musste er einfach! Sie würde ihn schon noch dazu bringen, etwas offener zu werden...

      Als sie aufschaute, sah sie, dass sie schon in der Stadt angekommen war. Im Zentrum nahm sie das Board in die Hand, da es in den Menschenmengen nicht mehr möglich war zu fahren. Jen war nicht die Einzige gewesen, die im Abendverkauf noch was einkaufen wollte. Nachdem sie Gemüse für das Abendessen besorgt hatte, ging sie in einen großen Laden, der von DVDs bis Uhren und eben Wecker alles Elektronische und Zubehör verkaufte. Neben den DVDs gab es sogar noch Bücher. Jen liebte den Laden dank seiner Vielfalt, auch wenn sie immer einen großen Bogen um die Bücher machte.

      Doch diesmal konnte sie sich einen kleinen Blick nicht verkneifen, als sie an den Büchern vorbeikam, halb in der Erwartung, einen von Nicos Romanen zu sehen. Doch natürlich würde sie es nicht einmal erkennen, da sie noch nie ein Cover der Bücher gesehen hatte, egal wie genau sie hinsah. Sie ging weiter in die Ecke mit den Weckern und suchte das Sortiment nach einem möglichst kleinen ab. Als sie einen schlichten Wecker gefunden und bezahlt hatte, machte sie sich wieder auf den Heimweg.

      Doch als sie aus dem Laden trat, traute sie ihren Augen kaum.

      Da lief Mr. Asozial genau vor ihrer Nase aus demselben Geschäft! Er trug ebenfalls einen Cap und unter seinem Arm erkannte Jen tatsächlich einen neuen Roman, endlich sah sie auch den Titel: Skulduggery Pleasant - Duell der Dimensionen. Auf dem Cover war ein furchteinflößendes Skelett und Monster zu sehen. Jen biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen, obwohl sie selbst nicht wusste, was daran so lustig war. Mr. Asozial hatte sie nicht gesehen, sondern ging in Gedanken verloren die Straße entlang.

      Zuerst folgte