hatte. Auch hegte er den Wunsch, sich bei der Dame in Gunst zu setzen, denn Johann war wenigstens ebenso ausschweifend in seinen Vergnügungen als ungebändigt in seinem Ehrgeiz. Aber außer all diesen Gründen war er begierig, dem enterbten Ritter, gegen den er bereits einen heftigen Widerwillen hegte, einen mächtigen Feind in der Person des Waldemar Fitzurse entgegenzustellen, der, wie er dachte, die seiner Tochter zugefügte Beleidigung ohne Zweifel nicht ungerächt lassen werde, im Fall der Sieger, was nicht unwahrscheinlich war, eine andere Wahl treffen sollte.
Und so geschah es. Der enterbte Ritter sprengte an der Gallerie vorüber, die sich dicht neben der des Prinzen befand, und in welcher Lady Alicia in dem vollen Stolze triumphirender Schönheit saß. Indem er jetzt so langsam wie vorhin rasch um die Schranken ritt, schien er sich des Rechtes bedienen zu wollen, die zahlreichen schönen Gesichter zu prüfen, die jenen glänzenden Kreis schmückten.
Endlich hielt der Ritter unter dem Balcon still, auf welchem Lady Rowena saß, und die Erwartung der Zuschauer war aufs äußerste erregt.
Man muß gestehen, daß, wenn Theilnahme an dem Erfolge den enterbten Ritter hätte bestechen können, der Theil der Schranken, bei dem er jetzt hielt, diese Auszeichnung verdient haben würde. Cedric, der Sachse, überglücklich wegen der Niederlage des Templers, und noch mehr über die Niederlage seiner beiden übelwollenden Nachbarn, Front de Boeuf und Malvoisin, hatte sich mit halbem Leibe über die Schranken gelehnt, und war dem Sieger auf jedem Gange nicht bloß mit den Augen, sondern auch mit ganzem Herzen und ganzer Seele gefolgt. Lady Rowena hatte auf das Geschick des Tages zwar mit gleicher Aufmerksamkeit geachtet, doch ohne denselben lebhaften Antheil merken zu lassen. Selbst der unbewegliche Athelstane schien seine gewöhnliche Apathie vergessen zu wollen, denn er hatte sich einen vollen Becher reichen lassen und ihn auf das Wohl des enterbten Ritters geleert.
Eine andere Gruppe unter der von den Sachsen besetzten Gallerie hatte einen nicht geringeren Antheil an dem Schicksal des Tages genommen.
»Vater Abraham!« sagte der Jude Isaak, als der erste Gang zwischen dem Templer und dem enterbten Ritter vorüber war, »wie stolz der Heide reitet! Das schöne Roß aus der Barbarei, wahrhaftig, er geht damit um, als wenns ein Waldesel wäre – und die edle Rüstung, die dem Joseph Pareira, dem mailändischen Waffenschmiede, so manche Zechine werth war, siebzig Procent Gewinn abgerechnet, um die kümmert er sich so wenig, als wenn er sie auf der Straße gefunden hätte!«
»Wenn er seine eigene Person und Glieder bei einem so furchtbaren Gefechte in Gefahr setzt, Vater,« sagte Rebekka, »da kann man wohl nicht erwarten, daß er an Roß und Rüstung denken werde.«
»Kind,« versetzte Isaak etwas erhitzt, »Du weißt nicht, was Du sprichst. Sein Hals und seine Glieder sind sein eigen, aber das Pferd und die Rüstung gehören – heiliger Jakob, was wollte ich sagen! – Nun, er ist doch ein guter Junge, sieh' Rebekka, sieh', er ist wahrlich willens, noch einmal den Gang mit dem Philister zu versuchen! Bete Kind, bete für die Rettung des guten Jünglings und um Schonung des Rosses und der reichen Rüstung. – Gott meiner Väter!« rief er abermals aus, »er hat gesiegt, und der unbeschnittene Philister ist vor seiner Lanze gefallen, wie Og, der König von Baschan, und Sihon, der König der Ammoniter vor dem Schwerte unserer Väter fielen! Gewiß wird er nun ihr Gold und ihr Silber, und ihre Streitrosse, und ihre Rüstungen von Erz und Stahl als Beute und Lohn bekommen!«
Die nämliche ängstliche Theilnahme zeigte der würdige Jude während jedes Ganges, welcher stattfand, und selten verfehlte er zu berechnen, wie viel das Pferd und die Rüstung werth sein könne, welche dem Sieger nach dem Gesetze zufielen. Man sieht daraus, daß diejenigen, welche den Theil der Schranken einnahmen, vor welchem der enterbte Ritter jetzt eben verweilte, keinen geringen Antheil an seinem Glücke genommen hatten.
Aus Unentschlossenheit oder irgend einem andern Grunde blieb der Sieger des Tages länger als eine Minute unbeweglich, während die Augen der schweigenden Versammlung fest auf ihn geheftet waren; endlich senkte er langsam und mit Grazie die Spitze seiner Lanze und legte die Krone, die daran hing, zu den Füßen der schönen Rowena nieder. Augenblicklich ertönten die Trompeten und die Herolde riefen Lady Rowena als Königin der Schönheit und Liebe für den folgenden Tag aus und drohten denen mit angemessenen Strafen, welche ihrer Herrschaft nicht den gebührenden Gehorsam leisten würden. Hierauf wiederholten sie ihre Bitte um Largesse und Cedric beantwortete diese in der Freude seines Herzens durch eine reichliche Gabe, welcher Athelstane, obgleich minder schnell, ein gleich großes Geschenk beifügte.
Unter den Damen von normännischer Abkunft ließ sich zwar einiges Gemurmel vernehmen, denn sie waren ebenso wenig gewohnt, einer sächsischen Schönheit den Vorzug zu Theil werden, als ihre Edelherren in den Spielen, die sie selber eingeführt hatten, eine Niederlage erleiden zu sehen. Indessen wurden die Aeußerungen des Mißfallens durch den lauten Ruf des Volkes unterdrückt: »Es lebe die Lady Rowena, die erwählte, gesetzmäßige Königin der Liebe und Schönheit!« Manche fügten sogar noch hinzu: »Lange lebe die sächsische Prinzessin! Lange lebe der Stamm des unsterblichen Alfred!«
Wie unangenehm diese Töne auch dem Prinzen Johann und seiner Umgebung sein mochten, so sah er sich doch genöthigt, die Wahl des Siegers zu bestätigen; er stieg sogleich zu Pferde und ritt in Begleitung seines Gefolges wieder in die Schranken. Der Prinz verweilte einen Augenblick unter der Gallerie der Lady Alicia, der er sein Compliment machte, indem er zugleich zu seiner Umgebung sagte: »Wahrlich, ihr Herren, wenn des Ritters Thaten heute auch bewiesen, daß er Glieder und Muskeln hat, so zeigt doch seine gegenwärtige Wahl, daß seine Augen eben nicht die klarsten sind.«
Bei dieser Gelegenheit, sowie in seinem ganzen Leben, hatte Prinz Johann das Unglück, den Charakter derer zu verkennen, die er für sich zu gewinnen wünschte. Waldemar Fitzurse fühlte sich mehr beleidigt als geschmeichelt dadurch, daß der Prinz so laut äußerte, seine Tochter sei verschmäht worden.
»Ich kenne kein Recht der Ritterschaft,« sagte er, »so köstlich und unveräußerlich als das jedes freien Edlings, die Dame seiner Liebe durch eigenes Urtheil zu wählen. Meine Tochter strebte nach keiner solchen Auszeichnung und wird in ihrem eigenen Charakter und in ihrer eigenen Sphäre hinreichend finden, was man ihr schuldig ist.«
Prinz Johann erwiderte nichts, sondern spornte sein Roß an und sprengte auf die Gallerie zu, wo Lady Rowena noch immer mit der Krone zu ihren Füßen saß.
»Empfangt, schöne Dame,« sagte er, »das Zeichen Eurer Herrschaft, welcher niemand aufrichtiger huldigen kann als ich selbst, Johann von Anjou; und gefällt es Euch, heute nebst Eurem edlen Vormund und Euren Freunden unser Bankett im Schlosse Ashby zu beehren, so werden wir die Herrscherin kennen lernen, der wir morgen unsere Dienste weihen sollen.«
Rowena schwieg, und Cedric antwortete an ihrer statt in seiner sächsischen Muttersprache: »Eála, hlaf-veard mîn, die Lady Rowena versteht die Sprache nicht, in der sie auf Eure Artigkeiten antworten sollte, auch weiß sie ihre Rolle bei Eurem Feste nicht zu spielen. Ich und der edle Athelstane von Coningsburgh sprechen auch nur die Sprache unserer Väter, so wie wir auch nur ihre Sitten kennen. Wir müssen daher mit Dank Eure höfliche Einladung zu dem Bankette ablehnen. Morgen aber wird Lady Rowena die Stelle übernehmen, zu der sie durch die freie Wahl des siegenden Ritters, die der Zuruf des Volks bestätigt hat, berufen ist. God beó vith eóv.«
Mit diesen Worten hob er die Krone auf, und setzte sie Rowena zum Zeichen der Annahme der ihr ertheilten zeitlichen Würde auf das Haupt.
»Was sagt er?« fragte Prinz Johann, sich stellend, als verstehe er die angelsächsische Sprache nicht, in der er doch recht wohl erfahren war. Man übersetzte ihm daher Cedrics Rede ins Französische. »Gut,« sagte er, »so wollen wir morgen selbst diese stumme Herrscherin zum Sitz ihrer Würde führen! Ihr aber, Herr Ritter,« setzte er zu dem Fremden gewendet hinzu, der noch immer dicht bei der Gallerie geblieben war, »Ihr werdet doch wenigstens heute unser Gastmahl theilen?«
Der Ritter sprach jetzt zum ersten Male in leisem und flüchtigem Tone und entschuldigte sich, indem er Ermüdung und die nöthigen Vorbereitungen zu dem morgenden Kampfe vorschützte.
»Es ist gut,« sagte Prinz Johann mit Stolz, »wenn auch an abschlägige Antworten nicht gewöhnt, wollen wir versuchen, unser Mahl zu verdauen, so gut es gehen will;