Peter Baumgartner

Bern ... und seine Machenschaften


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erschien pünktlich. Er wählte für den Weg in die Stadt den ÖV, nicht zuletzt deshalb, weil in der Stadt Bern, mit Ausnahme der Parkhäuser, welche horrend teuer sind, kaum Parkplätze auszumachen sind. Bern wandelte sich je länger je mehr zu einer Velo- und Fussgänger Stadt, wo Motorfahrzeuge irgendwelcher Art nur noch mit Argwohn – wenn überhaupt – geduldet sind. Auf der einen Seite ist dies aufgrund der engen Platzverhältnisse sogar irgendwie verständlich, auf der anderen Seite ist es dem Konsum und den Ladengeschäften in der Stadt doch mehr als abträglich. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass je länger je mehr alteingesessene Lokalitäten ihren Betrieb mangels Umsatzes schliessen mussten. - Das ‘Della Casa’ war hier eine Ausnahme, was vielleicht damit zusammenhängt, dass das Restaurant sich in der Nähe des Bahnhofes befindet.

      Frau Sütterli betrat das Gastlokal und wie sie bereits im Vorfeld gesagt hatte, werde sie Philippe erkennen. Sie werde zu ihm an den Tisch treten und sich ihm vorstellen. So war es denn auch, und eine attraktive Dame mittleren Alters gesellte sich zu ihm. «Pasquale Sütterli ist mein Name und ich arbeite, wie ich es ihnen schon gesagt habe, fürs Aussendepartement. Ihre Telefonnummer habe ich von einem gemeinsamen Bekannten erhalten, um damit ihre Frage vorweg zu nehmen. Auch weiss ich, dass Sie seit rund zwei Jahren in Pension stehen und somit über eine gewisse freie Zeit verfügen. Schliesslich ist mir bekannt, dass sie nicht allzu gut auf die Politik und die Politiker in unserem Land zu sprechen sind. Ihnen eilt der Ruf voraus, dass sie alles hinterfragen und dem Säuhäfeli und Säudeckeli nichts abgewinnen können.» - «Garçon, ich hätte gerne einen Cappuccino und was wünschen sie?»

      «Danke, ich habe schon bestellt. Ich nehme einen Kaffee.» - Nach der Vorstellung von Frau Sütterli hätte Philippe jedoch am liebsten noch einen grossen Cognac dazu bestellt, aber dafür war es nun doch noch etwas früh am Morgen.

      Frau Sütterli führte in der Folge aus, was folgt: Das Aussendepartement habe von einer vertraulichen Quelle aus Athen Informationen erhalten, wonach ranghohe Beamte beim Bundesamt für Polizei und auch bei der Bundesanwaltschaft in eine Korruptionsaffäre verwickelt seien. Auch hohe Mitarbeiter bei einzelnen Kantons Polizeien der Schweiz seien darin verwickelt. Es gehe um Millionenbeträge und das Ausmass der Verbrechen sei momentan noch völlig offen. Schlimm sei, dass nach dem heutigen Wissensstand niemand ausgeschlossen und folglich auch niemandem vertraut werden könne. Sie selber sei von der Generalsekretärin des EDA damit betraut worden, sich in geeigneter Art und Weise der Sache anzunehmen.

      Philippe konnte kaum glauben, was er da zu hören bekam. Als erstes erkundigte er sich danach, woher sie denn ihre Informationen habe. Frau Sütterli präzisierte, dass die Quelle ihrer Informationen von einer Vertrauensperson aus Pristina stamme, und diese ihre Informationen wiederum von einem Mittelsmann aus Tirana habe. – Also, alles vom Hörensagen, dachte Philippe. Nichts Handfestes, was soll denn das Ganze?

      «Und wie sieht es in diesem Zusammenhang mit dem verhaften Polizeichef aus der Schweiz in Tirana aus?», erkundigte sich Philippe beiläufig. «Woher wissen sie das? Das dürften sie gar nicht wissen. Und überhaupt …». – Frau Sütterli war völlig perplex und sie verstand die Welt nicht mehr. Eines der bestgehüteten Geheimnisse wurde ihr eben in einem Nebensatz preisgegeben. Sie war sich schlagartig bewusst, dass wollte sie mit ihrem Unterfangen, Philippe für ihre Zwecke einzuspannen, Erfolg haben, einen anderen Ton anschlagen musste.

      Philippe Baumann ist pensionierter Polizist – Rentner. Das Wort kann man bekanntlich von beiden Seiten her lesen und kommt immer wieder zum gleichen Schluss: Der letzte Lebensabschnitt hat begonnen.

      Philippe wohnt zusammen mit seiner Frau Deborah in einem einfachen Eckeinfamilienhaus in der Nähe von Bern. Das Haus umfasst einen recht grossen Garten, den sie auch brauchen, stellt ihr Hund Enrico doch so seine Ansprüche. Und so kann es nicht falsch sein, den Garten einigermassen in Schuss zu halten.

      Philippe hatte seine Informationen von Bernard; dieser hatte ihn vor kurzem angerufen. Und obschon Philippe es hasste zu telefonieren, hatte er den Anruf entgegengenommen. Er hatte die Nummer auf dem Display seines Handys erkannt und er freute sich über den Anruf. «Salut Philippe, c’est Bernard. Comment vas-tu?» - « Très bien et à toi?»

      Auch Bernard Picard ist Frührentner und er bezieht bereits seit über einem Jahr seine Pension. Leider fällt diese nicht allzu reichlich aus, womit er regelmässig ein anderes kleines Zubrot verdienen muss, um über die Runden zu kommen.

      Bernard wohnt in Frankreich; dort ist er auch aufgewachsen. Nach unzähligen Umzügen hat er sich zusammen mit seiner Frau Isabelle in Sainte-Maxime niedergelassen. Dort bewohnen sie seit einem Jahr ein älteres Haus mit Meersicht und eigenem Pool. Die Gelegenheit zum Kauf bot sich ihnen vor ein paar Jahren, und sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, ihren Traum vom Eigenheim mit Meeresblick zu verwirklichen.

       Philippe und Deborah verbrachten ihre Ferien oft in Südfrankreich; damals noch mit der ganzen Familie, ihren beiden Söhnen und den beiden Hunden. Und so kam es, dass sich alle im Verlauf der Zeit näher kennengelernt hatten. Noch heute wird reger Kontakt gepflegt. Vor allem Philippe und Bernard sind in der Zwischenzeit gute Freunde geworden.

      Obschon sich Philippe und Bernard schon eine ganze Weile kennen, ist die Konversation der beiden nicht immer einfach. Philippe konnte sich zwar einigermassen in Französisch ausdrücken, jedoch fehlte ihm ab und zu oder zumeist der gewünschte Wortschatz, um sich fliessend und der Situation angepasst ausdrücken zu können. Ähnlich erging es Bernard. Auch er hatte im Verlauf der Jahre einige deutsche Wörter und Redewendungen kennen gelernt, jedoch ist ihm die Sprache Goethes nach wie vor sehr fremd.

      So gab es bei den beiden eben nur eines: sich mich Händen und Füssen zu verständigen und dies klappte in aller Regel recht gut; namentlich nach einem «quart» oder noch besser nach einem «demi de Rosé». Am Telefon war dies nun aber doch deutlich schwieriger. Hier musste hin und wieder nachgefragt werden, was der andere denn nun wollte und zu sagen hatte.

      «Um was geht es Bernard?» - «Écoute moi mon ami.» «Ich habe gehört, dass der Polizeichef der Schweiz in Tirana verhaftet worden sein soll. Mein Freund Gérard, du kennst ihn, der ‘Journi’, der über Jahre hinweg für den Var-matin geschrieben hat, und nun ebenfalls in Pension steht, hat mir dies gesteckt; ihm ist ja bekannt, dass du Schweizer bist und in der Nähe von Bern wohnst.»

      «Ja schon, aber was heisst hier der Chef der Polizei der Schweiz?» «Du weisst, lieber Bernard, dass das Ganze in der Schweiz nicht eben einfach ist. Hier gibt es Gemeindepolizisten, Kantonspolizisten und Polizisten der Bundespolizei. Daneben gibt es die Transportpolizei und auch die Grenzwache verfügt über polizeiliche Kompetenzen.»

      In der Tat ist der Wirrwarr polizeilicher Kompetenzen in der Schweiz nicht ganz einfach zu verstehen. In der Schweiz gibt es rund 2250 Gemeinden; allein im Kanton Bern gibt es derzeit rund 350 und alle diese Gemeinden verfügen über gewisse polizeiliche Kompetenzen; die einen umfassender, die anderen weniger. Daneben gibt es 26 Kantons Polizeien, die Halbkantone mitgezählt. Ihnen obliegt die Hauptharst der Aufgaben im polizeilichen Bereich. Über Mord und Totschlag bis hin zum einfachen Ladendiebstahl haben sie alles zu bearbeiten, was Kriminelle oder Langfinger anstellen. Daneben gibt es noch die «Supertruppe» der Bundespolizei, welche sich vor allem der Organisierten Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität widmet. Schliesslich, aber nicht zuletzt, gibt es noch die Transportpolizei, welche den Nah- und Fernverkehr im Auge behält, und die Grenzwache, welche dafür besorgt ist, dass der illegalen Einwanderung von Personen und Sachen gebührend Einhalt geboten wird.

      Insgesamt stehen der Schweiz rund 20'000 Polizisten oder Grenzwächter zur Verfügung, welche für Sicherheit und Ordnung sorgen sollen. – Im Vergleich zu Frankreich mit seinen rund 220'000 Polizisten mutet die Zahl bescheiden an. Jedoch gilt es nicht zu vergessen, dass Frankreich flächenmässig rund 15-mal grösser ist als die Schweiz und über rund 8-mal mehr Einwohner verfügt. – Trotzdem und vielleicht auch deshalb lassen einige Parallelen ziehen.

      Umgerechnet verfügen nämlich beide Länder in etwa über gleichviele Polizeikräfte, berücksichtigt man die Einwohnerzahl und die geographische Fläche.

       Und trotzdem gibt es markante Unterschiede: in