Andreas Milanowski

Myriana - Das Gesetz des neuen Bundes


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      Andreas Milanowski

      Myriana - Das Gesetz des neuen Bundes

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1 Eine kühle Mondnacht

       2 Elvenglut

       3 Der Winter des Cano

       4 Das Urteil

       5 Gefährten

       Impressum neobooks

      1 Eine kühle Mondnacht

      Wolkenfetzen trieben eilig vorbei und verdunkelten für Augenblicke das Licht des Mondes. Stille. Einzig hörbar war der Schrei eines Käuzchens sowie die ruhige, tiefe Stimme eines Mannes.

      „Majestät, ihr seht bedrückt aus. Sind die Visionen wieder da?“

      Er trug sein graues Haar streng gescheitelt, war hager und, wie es sich ziemte, wenn man sich der Herrscherin näherte, gemessenen Schrittes die ausgetretenen Sandsteinstufen bis zur Mauerkrone hinaufgestiegen.

      „Ja, Mister Menroy, wie könnte es anders sein?“, hauchte die Königin. Ihre Stimme klang, wie eine traurige Flötenmelodie, die aus einer fernen Welt herüberwehte. „Jedes Mal, wenn ich an dieser Stelle stehe, von dieser Mauer in die Ebene hinunterschaue, kehren sie zurück. Ich höre die Schreie der Verwundeten und Sterbenden. Ich sehe ihre Körper fallen, ihre Leben verlöschen. Ich wünschte, es hätte ein Ende, aber diese entsetzlichen Bilder werden meine Seele beschweren, solange ich existiere.“

      Eine Weile schwiegen die Beiden. Sie spürten hinaus in die kühle Mondnacht, sahen den dichten, milchigen Nebel, der die Senke östlich der Stadt bis hin zum Horizont durchzog und in waberndes, helles Mondlichtgrau tauchte. Dann setzte die Monarchin hinzu:

      „Angst und Abscheu sind Gefühle, die eine Königin nicht in ihren Entscheidungen leiten sollten, doch schauen sie selbst, Zabruda, was sehen sie?“ Die Herrscherin deutete in die Nebelfluten. So wie ihr ganzer Körper von jugendlich schlankem Wuchs war, waren auch ihre Hände feingliedrig und lang, ihre Haut hell, fast durchscheinend. Ihre Stirn war geschmückt von einem fingerbreiten, goldenen Reif, der oberhalb der Nasenwurzel mit zwei Rubinen besetzt war. Das Haar, das er zusammenhielt, fiel ihr glatt bis in die Kniekehlen, silbrig schimmernd im Mondlicht.

      „Nichts, meine Königin. Nichts sehe ich, außer diesem seltsamen, undurchdringlichen Zeug.“

      „Ich dachte es mir“, erwiderte die Herrscherin flüsternd, „das ist die Antwort eines Menschen.“

      Menroy spitzte die Lippen. „Majestät, was hattet ihr erwartet? Ich bin, wie ihr wisst, ein Exemplar dieser Gattung.“

      „Oh, Mister Menroy! Entschuldigen sie meine Direktheit. Ich meinte dies keineswegs als Vorwurf, lediglich als eine Feststellung. Auf keinen Fall wollte ich sie beleidigen. Ich weiß, dass der menschliche Blick oft an Oberflächen haftet. Wesen wie ich dagegen müssen die Dinge zwangsläufig ein wenig anders sehen. Ich gebe zu, dass dies für mich nicht in jedem Fall ein Segen ist.“

      „Das ist mir durchaus bewusst, Majestät.“

      „All diese Bilder und Visionen“, sprach die Königin weiter, „sind für mich ein Meer von Ungewissheit, eine Ansammlung von Möglichkeiten, der besten wie der bösesten, der vergangenen wie der kommenden, der wunderbarsten wie auch jener, welche mir die allergrößten Ängste bereiten. Sie haben keine Form, aber sie sind vorhanden und sie wirken in unsere Welten hinein. Die Kräfte, die unser Leben bestimmen, mögen für ihre Augen verborgen sein. Für die meinen sind sie es nicht. Ich sehe sie am Werk und spüre, wie sie fortwährend unser Dasein fluten.“

      Die Königin malte, wie zum Beweis ihrer Rede, mit ihrer rechten Hand eine langsame, sanft kreisende Figur in die Luft. In den Nebelschwaden unterhalb der Stadtmauern bildete sich ein kleiner Wolkenwirbel, der, dieser Bewegung folgend, einen unwirklichen Tanz vollführte.

      „Sehen sie es, Mister Menroy? Wir beide stehen hier oben, weit über diesen Dingen und obwohl ihre Augen offen sind und alles wahrnehmen, wird ihr Verstand allein dies alles niemals begreifen können.“ Sie wandte sich ihrem Begleiter zu und schaute ihn ohne erkennbare, innere Regung an.

      „Ja, Majestät, ich sehe es, doch erlaubt mir eine Frage.“

      „Bitte sehr, Mister Menroy!“

      „Ihr habt mich ganz sicher nicht um diese ungewöhnliche Zeit an diesen Ort bestellt, um mir die Macht eurer Imagination vorzuführen oder seltsame Wetterphänomene Fyugurs mit mir zu besprechen. Was also bewegt euch wirklich?“

      Die Königin hob ihr Kinn und schaute den Älteren aus den Augenwinkeln an. Es gibt nicht viele, dachte sie bei sich, die ich in diesem Ton mit mir sprechen lasse, aber er ist mein Oheim, der Bruder meiner unseligen Mutter, mein Gedächtnis und mein Gewissen, mein guter Menroy und er hat immer loyal zu mir gestanden. Selbst als sie sich von mir abgewandt hatte, hat er mir treu gedient und seine Pflicht erfüllt. So sei es denn. „Ihr habt natürlich recht, Mister Menroy. Nicht deswegen ließ ich euch hierherkommen. Das Schloss hat zurzeit zu viele Ohren und ich habe Wichtiges mit euch zu bereden. Daher der ungewohnte Ort. Mich beunruhigen die Vorgänge in Brndils Laach und die Reaktionen des Rates von Ildindor auf diese Vorkommnisse. Denken sie, die Elven werden deswegen einen Krieg beginnen?“

      „Ich weiß es nicht, meine Königin. Die Vernichtung Agyrthas ist keine Lappalie und der Rat hat sie scharf verurteilt. Es gibt nicht wenige in Ildindor, die diesen Provinzfürsten Mattheys dafür an der höchsten Eiche aufhängen wollen. Außerdem existieren, wie sie wissen, immer noch starke Kräfte in der Elvenstadt, die alles andere als zufrieden damit sind, dass das Reich von Fyugur aus regiert wird. Sie wollen die alten Verhältnisse wieder herstellen. Es besteht die Gefahr, dass diese Kräfte die Zerstörung Agyrthas als Vorwand und Anlass nutzen, um offene Rechnungen zu begleichen.“

      „Sie haben recht, Zabruda. Es war eine schreckliche Dummheit des Cano. Wenn man sieht, wozu dieser Mensch in seinem Zorn in der Lage war, dann möchte man seine sonstigen Fähigkeiten besser nicht kennenlernen. Manchmal verändert sich die Geschichte der Welten durch die Unbeherrschtheit eines Einzelnen.“

      „Nun, meine Königin, noch liegt es in eurer Hand, die Dinge unter Kontrolle zu halten und zum Guten zu wenden. Hynanduar ist zwar ein Greis und mit seiner Gesundheit steht es dem Vernehmen nach nicht zum Allerbesten, aber er ist ein Mann des Friedens und hat in Ildindor immer noch großen Einfluss. Unter seiner Führung haben die Elven stets loyal zum Thron von Fyugur gestanden.“

      „Mister Menroy“, antwortete Königin Myriana ernst, „die mächtigen Mauern Fyugurs haben eine lange Geschichte, deren Atem durch meine Seele strömt und meinen Geist. Die Grundlagen meines Handelns als Regentin des Reiches wurzeln in dieser Geschichte und fußen auf den Gesetzen des erneuerten Bundes. Ich gehe meinen Weg im Einklang mit der Vorsehung und folge nicht kurzfristigen taktischen Überlegungen. Verstehen sie?“

      „Ja, Majestät, natürlich verstehe ich das. Ich sprach auch lediglich von einer Möglichkeit, die wir nicht außer Acht lassen sollten. Ob es gelänge, erführen wir ohnehin erst, wenn wir es täten. Sie wissen allerdings, dass wir dem Cano Mattheys gegenüber gewisse Verpflichtungen aus alten Verträgen und Vereinbarungen haben. Auch wenn er durch sein eigenes Versagen in diesen Konflikt geraten ist, schulden wir ihm Bündnistreue und würden in seinen unglückseligen