Agnes Sapper

Das kleine Dummerle


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       Das kleine Dummerle

       Agnes Sapper

      Inhaltsverzeichnis

       Vorwort

       Das kleine Dummerle.

       Hoch droben.

       Im Thüringer Wald.

       Der Akazienbaum.

       Wie Johannes Ruhn Kaufmann wurde.

       Ein geplagter Mann.

       Helf, wer helfen kann!

       Ein Wunderkind.

       Mutter und Tochter.

       Die Feuerschau.

       In der Adlerapotheke.

       Bei der Patin.

       I.

       II.

       III.

       IV.

       V.

       VI.

       VII.

       VIII.

       Regine Lenz.

       Impressum

      Vorwort

      Die Titelgeschichte des vorliegenden Buches hat sich im Laufe der Jahre weiter entwickelt. Das kleine Dummerle ist groß geworden. Wer über seine Kindheit und Jugend noch mehr hören möchte, findet in den beiden Büchern: »Die Familie Pfäffling« und »Werden und Wachsen« die weiteren Erlebnisse des kleinen Frieder und der ganzen Pfäfflings-Familie.

      Würzburg, Dezember 1912.

       Die Verfasserin.

      Das kleine Dummerle.

      Am 1. Juli, mittags um 12 Uhr, kam Herr Musiklehrer Pfäffling in bester Laune aus der Musikschule. Er hatte heute seinen Gehalt eingenommen und außerdem noch eine ganz nette Summe für Hausunterricht. Ja, er hatte sich mit allerlei fleißigen und faulen Schülern redlich geplagt, das ganze Jahr hindurch, hatte Violin- und Flöten-, Klavier- und Zitherstunden gegeben von frühmorgens bis spät abends. Nun winkte die Ferienzeit; in 14 Tagen sollte sie beginnen, und zum erstenmal seit vielen Jahren hatte Herr Pfäffling so viel erspart, daß er eine Ferienreise unternehmen konnte. Fast unerlaubt kam es ihm vor, sich solchen Aufwand zu gestatten, denn er war Familienvater und hatte sieben Kinder. Aber seine Frau war vor Jahren auch einmal verreist gewesen, seitdem galt es für ausgemacht, daß nun er an der Reihe sei. So wollte er denn fort; nicht weit, nur nach Bayreuth, wo so herrliche Musik zu hören war, und von dort noch ein wenig ins Fichtelgebirge, um Wald- und Bergluft zu genießen, solange eben das Geld reichte. So ging Herr Pfäffling gleich von der Schule aus in die Buchhandlung, erwarb sich dort eine Karte vom Fichtelgebirge, und weil er sie schon auf dem Weg nach Hause studierte, so kam er später heim als sonst und fand die ganze Familie um den gedeckten Tisch versammelt. Da war seine getreue Hausfrau, die einstweilen die Suppe ausschöpfte; auf der einen Seite des Tisches saßen die ältesten, drei große Lateinschüler, und ihnen gegenüber die Zwillingsschwestern, zwei zehnjährige Mädchen. Neben der Mutter hatte das Jüngste seinen Platz, das dreijährige Töchterchen. Diese sechs saßen schon um den Tisch. Der siebente aber, der Frieder, ein kleiner Abcschütz mit einem gutmütigen Gesichtchen, stand am Fenster und spielte auf einer Ziehharmonika.

      In solchem Familienkreis geht es lebhaft zu und die Hausfrau findet oft kaum Zeit zum Essen, bis sie den Kindern vorgelegt hat, und es ist ein Glück, wenn für sie noch etwas auf der Platte bleibt, nachdem alle Teller voll sind. Sie sah auch ein wenig mager aus, die gute Frau Pfäffling, aber ihr Mann war auch nicht dicker, ebenso waren die drei Jungen lang aufgeschossen, die Zwillingsschwestern schmal und das jüngste, das Elschen, gar ein zartes Geschöpf. Nur der Frieder war rundlich und hatte frische rote Backen. Das Essen ging rasch vorüber, übrig blieb nichts und es waren alle so gerade zur Not satt geworden. Vater Pfäffling nahm gleich wieder seine Karte vom Fichtelgebirge vor, breitete sie aus, und so viel Köpfe darüber Platz hatten, so viele steckten sich zusammen, um des Vaters Finger zu folgen, der den geplanten Reiseweg bezeichnete.

      Es gibt nichts Schöneres als so im Geist zu reisen; da geht alles so leicht und glatt, ohne Hindernis; und doch können auch die Reisen im Geist jäh unterbrochen werden – es klopfte jemand an der Türe, alle Köpfe hoben sich, der Hausherr trat ein.

      Ein paar Reden wurden gewechselt über das Wetter und die bald beginnenden Ferien, und dann, ja dann kam es eben heraus, daß der Hausherr leider die Wohnung kündigen, und daß die Familie Pfäffling ausziehen müsse. Ein Verwandter wollte die Wohnung mieten und fast doppelt so viel Miete zahlen wie Herr Pfäffling, der ja die Wohnung halb umsonst gehabt habe; der Verwandte habe auch nur ein Kind und da kämen nicht so fatale Sachen vor wie z. B. gestern, wo die jungen Pfäfflings durch den Hof gesprungen seien und die Stangen umgestoßen hätten, die das Waschseil hielten, so daß die frisch gewaschene Wäsche auf den Hof gefallen sei und die Hausfrau alles noch einmal habe waschen müssen.

      »So etwas habt ihr getan, Kinder?« rief Vater Pfäffling und wandte sich nach den Angeschuldigten um; aber merkwürdigerweise standen bloß noch die Mädchen da, die Knaben hatten sich einer nach dem andern beim Erscheinen des Hausherrn hinausgedrückt. Doch nicht alle, Frieder, der kleine Dicke, stand noch beim Vater.

      »Glauben Sie nicht, daß ich solche Unarten unbestraft lasse,« sagte Herr Pfäffling zum Hausherrn. »Sie dürfen ja nur klagen, dann werden die Jungen bestraft. Kommt nur gleich her, ihr Schlingel,« rief der Vater und faßte den Kleinen, der ihm zunächst stand. »Wo sind denn aber die andern, sie waren doch eben noch da? Wegen dir allein ist mir’s gar nicht der Mühe wert anzufangen, schnell hole deine Brüder.« Der Frieder ging und rief mit weinerlichem Stimmchen die Brüder; von denen war aber nichts zu sehen und nichts zu hören, er kam allein zurück und sagte: »Sie sind alle fort.«

      Da lachte der Hausherr und sagte: »Die sind nicht so dumm wie du, spring doch nur auch davon, du brauchst nicht für die andern die Schläge zu kriegen, du bist ja gar nicht einmal dabei gewesen.« Und dann wandte der Hausherr sich zu Herrn Pfäffling: »Es ist nicht nur wegen der Kinder,« sagte er, »die sind ja gut in Zucht, aber ich kann’s meinen Verwandten nicht abschlagen, daß sie