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Der Sturm-Heidehof
Emily Bronte
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Ellis Bells künstlerische Persönlichkeit ist eng mit ihrer Heimaterde – mit dem Rahmen, den das Leben ihrer Jugend gab – verknüpft und mit den Ereignissen, die diese Jugend füllten – und ihr Leben war kaum mehr als eine Jugend. Ich will daher von ihrer Jugend sprechen, damit man ihr Dichten verstehen lerne.
Ellis Bell – oder sagen wir besser Emily Bronte, denn dies war des Mädchens wahrer Name, wurde 1817 oder 1818 als Tochter eines Geistlichen, des Reverend Patrick Bronte, in Thornton bei Bradford (Nord-England) geboren. Als sie etwa im dritten Lebensjahre stand, siedelte ihr Vater nach Haworth über, und kurze Zeit danach starb ihre Mutter. Die sechs Kinder – fünf Mädchen und ein Knabe – waren nun ganz sich selbst überlassen – in dem einsamen Pfarrhaus zur Seite des Kirchhofs, hinter dem sich kahl, in endlosen Hügelwellen, die stumme Heide breitete. Der kränkliche Pfarrer war reizbar und grüblerisch und exzentrisch in Denken und Tun. Auch die Dienerschaft war alt: bizarre, grobe, mürrische Menschen; sie schienen wie eine Personifikation der sie umgebenden Natur: seltsam, kraftvoll und schweigend. Die Kinder hatten nur einander, keins hatte einen gleichaltrigen Gefährten, und die kleinen Seelen, die nach Freude, nach Ereignis suchten, schufen sich eine ideale Welt. Ihre unerzogene Phantasie, aus dem Blute des Vaters geboren, vom Wesen der Heimaterde genährt, erbaute diese Welt in bunter Schaurigkeit und bevölkerte sie mit grimmen Gestalten, gierigen Unholden.
Das begabteste der Kinder Charlotte (nachmalige Verfasserin des bekannten Romans »Jane Eyre, die Waise von Lowood«), war Führerin bei diesem Spiel. Mit dreizehn Jahren verstand sie es meisterhaft, wunderliche Geschichten zu ersinnen; die anderen lauschten und taten es ihr nach. Sie glaubten an diese ihre sonderbare Welt, sie wurde ihnen wirklich – und blieb ihnen wirklich. Die zwei Meisterromane »Jane Eyre« (Currer Bell) und »Wuthering Heights« (Ellis Bell) tragen beide an dieser Last des Ungewöhnlichen und Grausigen.
Dies Gedankenspinnen, Bildermalen, in das die Kinder ihre ganze Energie legten, das ihnen lieber und naturgemäßer war als Tanz und lauter Jubel, gab ihnen allen etwas gemeinsames. Ihre Seelen glichen einander, wie später ihre Schicksale einander glichen. War es, weil sie alle den Keim desselben Leidens in sich trugen – eines Leidens, dem so viele auserlesene Menschen zum Opfer fallen, daß man fragen möchte: ist nicht dies körperliche Siechtum vielleicht für eine gewisse Erhabenheit des Geistes, für ein besonders subtiles Fühlen, extatisches Glühen, die Vorbedingung?
Das Leben griff ein in die enge Gemeinsamkeit der Geschwister – und bald darauf der Tod. Die beiden ältesten Mädchen, Elisabeth und Mary, wurden aus dem Hause getan, in eine Pension. Die Schwindsucht raffte beide im folgenden Jahr dahin. Charlotte und Emily, die den älteren Schwestern ins Institut gefolgt waren, wurden nun wieder nach haus gerufen. Und von neuem lebten die Mädchen ihren Träumen, zu denen sich mit den Jahren ein starker Wissensdrang gesellte. Wie unheimlich und fremd diesen Heidekindern übrigens das Institutsleben, der Zwang, erschienen ist, beweist »Die Waise von Lowood«, in der Charlotte ihre Eindrücke aus jener Zeit wiedergibt. 1842 zogen Charlotte und Emily nach Brüssel, um die französische Sprache zu erlernen. Nach zwei Jahren kehrten sie wieder heim. Sie fanden hier neues Elend. Der Bruder, Patrik, hatte sich dem Trunk ergeben. Und vier Jahre lang mußten die Mädchen täglich mit ansehen, wie ein reiches Leben gegen sich selber wütete, wie der begabte Bruder in Schmutz und Schwäche unterging.
In diesen Jahren des Schmerzes schlossen die drei Schwestern – Anne, die jüngste, war im Hause geblieben – sich eng aneinander.