Christoph Thiele

Medizinstatistik für den beruflichen Alltag


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Interaktionstest

      3. Ereignis

      Ereignis

      In einem Experiment wird ein normaler Würfel geworfen. Es können sechst mögliche Augenzahlen (1, 2, 3, 4, 5 oder 6) erscheinen. Die gewürfelte Zahl ist das Ergebnis des Experiments. Wenn nun vorher festgelegt wurde, dass nur die geraden Zahlen (2, 4, 6) betrachtet werden sollen, spricht man beim Auftreten eines Wurfs, der eine gerade Zahl zeigt, von einem Ereignis. Beim Wurf einer ungeraden Zahl spricht man von einem Gegenereignis.

      In Studien bezieht sich das Ereignis immer auf den Endpunkt, der jeweils betrachtet werden soll. Ist der zu betrachtende Endpunkt z. B. in einer onkologischen Studie das Overall Survival (OS), können nur zwei Ergebnisse auftreten – entweder der Patient lebt noch oder der Patient ist verstorben. Der Tod des Patienten wäre in diesem Fall das Ereignis. Solange der Patient noch lebt, besteht das Gegenereignis fort.

      © caro_oe92 (via pixabay.com), Pixabaylizenz

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      Neben dem Ereignis und Gegenereignis gibt es noch das sichere und das unmögliche Ereignis. Auf das obige Würfelexperiment angewendet wäre ein sicheres Ereignis, dass das Ergebnis eine Zahl zwischen 1 und 6 ist. Da der Würfel auf jeden Fall eine dieser sechs Zahlen zeigen wird, tritt bei jedem Wurf ein Ereignis auf. Ein unmögliches Ereignis wäre, dass das Ergebnis eine 7 ist. Da der Würfel nur Zahlen von 1 bis 6 zeigen kann, wird die 7 niemals auftreten und deren Erscheinen wäre somit unmöglich.

      4. Nullhypothese/Alternativhypothese

      Eine Hypothese ist eine Annahme, deren Gültigkeit noch nicht bewiesen ist. Eine Überprüfung der Hypothese kann sie bestätigen bzw. widerlegen und sie kann somit verworfen werden. Streng genommen besteht noch eine dritte Möglichkeit: Nämlich, dass anhand der Überprüfung keine Aussage über die Richtigkeit oder Nicht-Richtigkeit der Hypothese getroffen werden kann.

      In der Statistik jedoch kann nur bewiesen werden, dass etwas nichtzutrifft, man kann nicht beweisen, dass etwas zutrifft.

      Ich stelle z. B. die Hypothese “Ein Marmeladenbrot, das vom Tisch herunterfällt, landet öfter auf der Marmeladenseite als auf der Rückseite“. Anschließend führe ich ein Experiment durch und lasse 100 Mal ein Marmeladenbrot vom Tisch fallen. Es landet 70 Mal auf der Marmeladenseite und 30 Mal auf der Rückseite. Damit habe ich meine Hypothese nicht bewiesen, da sich womöglich bei 1000 Fallversuchen das Verhältnis der gelandeten Seiten vertauscht hätte und das Marmeladenbrot häufiger auf der Rückseite gelandet wäre.

      Ist dagegen das Ergebnis meines Experiments, dass nach den 100 Fallversuchen das Marmeladenbrot 70 Mal auf der Rückseite und nur 30 Mal auf der Marmeladenseite gelandet wäre, müsste ich meine Hypothese (dass das Marmeladenbrot öfter auf der Marmeladenseite landet) verwerfen, da ich gerade in dem Experiment nachgewiesen hätte, dass dem nicht so wäre.

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      Um dieses Dilemma zu umgehen, behilft man sich in der Statistik mit dem Konstrukt der Nullhypothese und der Alternativhypothese.

      Dabei besagt die Nullhypothese genau das Gegenteil dessen, was man beweisen will und die Alternativhypothese das, was man beweisen will. Wenn das Ergebnis einer Studie zeigt, dass die Nullhypothese nicht zutrifft (also verworfen oder abgelehnt werden muss), muss die Alternativhypothese richtig sein. Sollte jedoch die Nullhypothese zutreffen, kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Alternativhypothese falsch ist. Die Nullhypothese wird üblicherweise mit H0 und die Alternativhypothese mit HA bezeichnet.

      Auf das obige Marmeladenbrotbeispiel angewendet, wäre die Nullhypothese “Ein Marmeladenbrot, das vom Tisch fällt, landet gleich oft oder weniger oft auf der Marmeladenseite als auf der Rückseite“ (somit genau das Gegenteil dessen, was ich beweisen möchte) und die Alternativhypothese wäre meine ursprüngliche Aussage “Ein Marmeladenbrot, das vom Tisch fällt, landet öfter auf der Marmeladenseite als auf der Rückseite“.

      Nun führe ich wieder das Experiment durch – bei 100 Fallversuchen landet es 65 Mal auf der Marmeladenseite und 35 Mal auf der Rückseite. Somit wäre meine Nullhypothese nicht erfüllt und die Alternativhypothese muss wahr sein. Hätte der Versuch das umgekehrte Ergebnis ergeben, wäre die Nullhypothese erfüllt, aber es wäre keine Aussage über die Alternativhypothese möglich.

      Auf medizinische Studien übertragen bedeutet das: Soll in einer Studie eine bessere Wirksamkeit (Überlegenheit) eines Medikaments A gegenüber einem Medikament B nachgewiesen werden, wird als Nullhypothese angenommen “Medikament A wirkt gleich gut oder schlechter als Medikament B“ und als Alternativhypothese “Medikament A wirkt besser als Medikament B“.

      Soll dagegen gezeigt werden, dass Medikament A nicht schlechter wirkt als Medikament B (Nichtunterlegenheit), wird als Nullhypothese “Medikament A wirkt schlechter als Medikament B“ und als Nullhypothese “Medikament A wirkt genauso gut oder besser als Medikament B“ gewählt.

      Zudem gibt es noch die Möglichkeit, dass es einen Unterschied (egal ob besser oder schlechter) in der Wirksamkeit des Medikaments A gegenüber Medikament B gibt (Gleichheit). Die Nullhypothese lautet in dem Fall “Medikament A wirkt gleich gut wie Medikament B” und die Alternativhypothese “Medikament A wirkt besser oder schlechter als Medikament B”.

      Bei der Formulierung der Null- und Alternativhypothese muss darauf geachtet werden, dass keine Überschneidungen stattfinden, d. h. es dürfen keine Elemente auftreten, auf die beide Hypothesen zutreffen. So ist z. B. das Hypothesenpaar: Nullhypothese = “Wiederkäuer stoßen gleichviel oder weniger Methan aus als Haustiere” und Alternativhypothese = “Wiederkäuer stoßen mehr Methan aus als Haustiere” unzulässig, da Rinder sowohl zur Gruppe der Wiederkäuer als auch zur Gruppe der Haustiere gehören.

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      Das Marmeladenbrot fällt beim Herunterfallen vom Tisch tatsächlich öfter auf die Marmeladenseite als auf die Rückseite. Dies liegt allerdings nicht an Murphys Gesetz, sondern lässt sich durch die Physik erklären. Wenn das Brot vom Tisch fällt erhält es einen Drehimpuls. Die Fallhöhe von ca. 1m bedingt jedoch, dass das Brot häufig nur eine halbe Drehung vollziehen kann und landet somit auf der Marmeladenseite. Würde man im Experiment das Marmeladenbrot aus größerer Höhe fallen lassen – statt vom Tisch fällt es nun z. B. vom Balkon – erhält man eine ziemliche Gleichverteilung der Seiten, auf die das Brot fällt. [1]

      5. Randomisierung

      In mehrarmigen Studien ist eine Anforderung, dass die Patienten zufällig auf die einzelnen Studienarme verteilt werden. Zudem soll die Studie balanciert sein, das heißt in jedem Studienarm sollen bei einer 1:1-Randomisierung gleich viele Patienten enthalten sein. Durch die Randomisierung soll erreicht werden, dass bekannte und unbekannte Störgrößen zufällig verteilt werden und somit keine Verzerrung (Bias) auftritt. Dabei wird in Randomisierungslisten festgelegt in welcher Reihenfolge die Patienten auf die einzelnen Arme verteilt werden. Die Randomisierung muss nicht zwangsläufig in jeden Arm gleich viele Patienten verteilen. Es können auch Randomisierungen in vorher festgelegten Verhältnissen erfolgen. Bei einem hohen zu erwartenden Nutzen der experimentellen Therapie wird häufig im Verhältnis 2:1 randomisiert. Dabei werden auf zwei Patienten im experimentellen Arm ein Patient im Vergleichsarm zugeordnet.

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