Friedrich Motte De La Fouqué

Der Zauberring


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Gestalten ihr Spiel trieben. Man konnte alsbald bemerken, daß Tebaldo des Festes König war, denn die minder Geehrten der Gesellschaft wichen ihm mit ehrerbietigen Bücklingen aus, die Vornehmsten, sowohl Frauen als Männer, und unter diesen viele mit güldnen Ratsherrenketten, drängten sich begrüßend um ihn her, und nahmen seine Entschuldigungen, daß er, der Wirt, so spät gekommen sei, als Gunstbezeugungen auf. Das Spiel auf der Bühne im Hintergrunde der Halle schwieg, und schien den Wink des gebietenden Herrn wegen Fortdauer oder Aufhören demütig zu erwarten, bis Tebaldo, nachdem er sich mit seinem Gast auf einer Bank, mit Purpurkissen belegt, ganz vorne niedergelassen hatte, durch ein Kopfnicken ganz freundlich für das Fortspielen entschied.

      Nun sahe man, daß in der Mitte des Schauplatzes ein reichgeschmückter, prächtiger Mann auf einem erhöhten Lehnsessel saß, mit vielen Goldsäckeln in der Hand, und auf seiner Brust mit goldnen Lettern den Namen Plutus tragend, wie bei den alten römischen Helden der Gott des Reichtums geheißen war. Diesem näherten sich von allen Seiten vielfach verschiedne Gestalten, als da sind: Priester, Hofleute, Gelehrte, Sänger, Pilger, Richter und so weiter, und baten mit den demütigsten Gebärden um seinen Schutz. Dann warf ihnen Plutus nach Belieben wenig oder viel von den Goldsäcken zu, und sie empfahlen sich, wie sie gekommen waren, jedes mit einem deutsamen gereimten Sprüchlein im Munde. Endlich kam auch ein geharnischter Kriegsmann, der beugte sich gar dienstfertig vor Herrn Plutus und sprach:

      »Für Beulen Silber, Gold für Blut!

      Herr, gib dein Gut, so schlag’ ich gut!«

      Herr Plutus wollte eben eine sinnreiche Antwort geben, da fuhr Herr Ott’ von Trautwangen zürnend in die Höhe, schlug ans Schwert und rief aus: »Der Bursch dort schändet seinen Harnisch, und ich will’s ihm auf seinen Kopf beweisen, falls er das Herz hat, mir zu stehn!«

      Halb lächelnd, halb erschreckt blickte die Gesellschaft auf den jungen Zornigen hin, während Tebaldo mit großem Ingrimm die Gaukler auseinander jagte, ihnen die Niedrigkeit ihrer schändlichen Gesinnungen vorwarf, und den Bestürzten auf immer den Eintritt in sein Haus untersagte. Dann kehrte er wieder schamrot zu Otto zurück, und bat ihn mit den erlesensten und zierlichsten Worten, er sollte es nicht auf ihn schieben, daß jenes Pöbelgezücht den reichen Kaufmannsstand durch eine so empörende Vergleichung mit den Waffen zu ehren sich eingebildet habe. Vor diesen Reden ward Otto mild und froh, und entschuldigte sich, daß er seinerseits so ungebührlich aufgefahren sei, worauf man denn insgesamt mit großer Heiterkeit zu einem Mahle ging, welches in einem andern Saale mit fürstlicher Pracht zubereitet war.

      Aber wie glänzend auch die Lichter funkelten, wie würzig die Speisen dufteten, wie feurig erlabend die Becher kreisten, – Otto konnte sich des Erinnerns an jene zwei häßlichen Reime nicht entschlagen. Keinesweges zwar, als hätte er einen Unwillen gegen seinen edlen Wirt empfunden, oder gegen die Gesellschaft, aber er mußte sich immer sagen, er werde hier für das Blut, welches er dem edlen Heerdegen von Lichtenried aus der Stirn gehauen habe, so prächtig bewirtet, und empfange doch ohne Zweifel Gold für Blut, denn ob es nun Weingold sei, oder Metallgold, das gelte ja im Grunde einerlei. Zudem schwirrte ein ewiges Reden von Geld und Gut, von Gewinn und Verlust durch die Versammlung hin; ja, als Tebaldo mit edlem Unwillen, schien es, das Gespräch auf den Kreuzzug zu bringen suchte, welchen König Richard Löwenherz bald beginnen werde, ging wieder nur eine Berechnung los, ob die Genueser mehr dabei gewinnen würden, oder die Venetianer. Da ward es in Ottos Gemüt, als sprudle der rote Wein aus christlichen Ritteradern in die Becher, und als trinke man ihn hier mit Lust, zur wohlschmeckenden Arzenei. Ja, ihm selbst, – so glaubte er, – schenke Heerdegen immer die Goldpokale voll, und sage ihm aus seinem zerhauenen Eisenkorbe dumpf ins Ohr: »Hast dir den Weinkeller aus meiner tiefen Wunde geöffnet, hast dir dein schwellendes Lager hier bereitet, indem du mich auf mein Schmerzenslager gebettet hast; mag sein, daß es noch gar ein Totenlager wird.« Da konnte es Otto nicht länger aushalten; es drehte sich alles wie im halben Wahnsinn um ihn her. Und so sprang er auf und bat Tebaldo leise, ihn ziehn zu lassen, er müsse in einer Herberge übernachten, den Grund wolle er ihm morgen sagen. – »Ich brauche ihn nicht zu hören«, antwortete Tebaldo sehr betrübt, »denn ich weiß ihn schon. Aber kommt nur morgen um Gottes willen wieder, sonst muß ich denken, ihr verachtet auch mich.« – »So wahr der Herr lebt, ich komme morgen, und habe Euch sehr lieb!« sagte Otto. – Damit küßten sie einander, und Otto führte, von einem Diener Tebaldos geleitet, seinen scheuenden, vom Schlaf aufgestörten Hengst durch die dunkeln Straßen in eine nahe Herberge hinein.

      Zehntes Kapitel

      Der Morgen sah schon hell in die Fenster, da brach das Geräusch der Wagen und Fuhrleute und Ausrufer gewaltsam durch Ottos verworrne Träume; erwacht, fuhr er schnell in die Kleider und an die Scheiben, denn er meinte, es gehe draußen etwas Außerordentliches vor. Aber bald ward er inne, daß dieses bunte Gewirr, welches ihm so ungewöhnlich vorkam, hier eben die rechte Alltäglichkeit ausmache, worüber sich niemand verwundere; vielmehr müsse jedermann im Schrecken auffahren, wenn es plötzlich zur Ruhe käm’, wie ein Müller vor dem unvermuteten Stocken seiner Mühle. Auch begriff er wohl, daß so viele große Häuser, – die mehrsten an Größe dem weitgesehenen Burgsitze seines Vaters vergleichbar, – mit einer ungeheuern Menge von Menschen, mit sehr vielem Zank und Frieden, und Zorn und Liebesgruß in den Herzen und auf den Lippen zusammenhängen müßten. War ja dessen in der einsamen Veste Trautwangen seit ihrer Erbauung so vieles umgegangen, und ging gewißlich noch mit diesem Augenblicke drinnen um! Hier in der Stadt mochten wohl viele Berthas weinen, und viele Walthers singen, und viele alte Herrn Hughs nach ihren fernen Söhnen fragen! –

      In solchen Gedanken ward der junge Rittersmann durch einen Diener Tebaldos unterbrochen, welcher ihm, von dem Kaufherrn dazu angestellt, alle sein reisiges Gezeug wohl geputzt und sonnenblank ins Zimmer trug, auch sich erbot, ihn zu wappnen; er verstehe sich darauf. Indem sich nun Otto wohlgefällig nach dem hellen Gewaffen umsah, sprach der Diener: »Ihr müßt verzeihen, edler Herr, daß auf dem Küris, grade über der Herzgrube, ein kleiner Flecken sitzen geblieben ist. Er mag von erst jüngst darauf gesprühtem Blute sein, zum wenigsten kommt es mir so vor, aber weil man ihn in den ersten Stunden vernachlässigt hat, ist Rost daraus geworden, der sich wohl nicht verlieren wird, solange die prächtige Rüstung selbsten besteht. Aber fürwahr, edler Ritter, es ist nicht meine Schuld.« – »Nein, Gutfreund, es ist nicht deine Schuld«, wiederholte Otto langsam und traurig, und starren Blickes auf den Küris schauend, denn er erkannte wohl Heerdegen von Lichtenrieds Blut, das gegen ihn aufgesprüht sein mußte, als er sich beim Verbande über ihn hingebeugt hatte. Nun kam ihm die ganze Rüstung unheimlich vor, er hatte gar keine Lust, sie überhaupt wieder anzulegen, und schickte den Diener mit einem Gruße an Tebaldo fort. Er habe schon einen, der ihn wappne, und wolle in kurzem nachkommen, sagte er. Aber es war an kein Wappnen zu denken. Als er allein war, ging er erhitzt in der Stube auf und ab, wie ein edelscheues Roß an dem Harnisch vorbei, und wenn er ihm ja einmal nahe kam, geschah es, um mit allen Künsten, deren er sich aus den Lehren der alten Knappen und Reisigen seines Vaters entsinnen konnte, an dem Blutflecken zu reiben und zu putzen, sich immermehr dadurch überzeugend, wie ganz vergeblich sein Bestreben sei. »Es geht nicht aus!« seufzte er dann, und schritt noch unwilliger und herzbetrübter umher.

      Da vernahm er endlich im Nebengemach ein lautes Sprechen, ein Schelten und Verwünschen, das schnell durch seine Sinne drang, weil von Waffenstücken die Rede war, so dem Eigner mißhagten, und sich nicht recht wollten anlegen lassen. Im Wunsche, den wirren Gedanken seines Hauptes, den schmerzhaften Schlägen seines Herzens zu entfliehen, riß Otto ungestüm die Tür auf, ein halb geharnischter Ritter trat ihm eben so ungestüm entgegen, und fragte, was er wolle? Aber beide blieben einander in Verwunderung gegenüber stehn, weil Otto alsbald sah, daß er den ehemaligen Gegner Folkos von Montfaucon, den Grafen Archimbald von Walbeck, vor sich hatte, und auch dieser den Jüngling, den Zeugen seines Kampfes und seines Unfalls, zu erkennen schien. Man verständigte sich bald, und Archimbald sagte: »Ich bin nicht eitel genug, Euch zu wünschen, daß Ihr mir im Fallen vor den Waffen des fränkischen Freiherrn Gesellschaft leisten möchtet. Vielmehr sähe ich es von Herzen gern, wenn Ihr der schönen Gabriele ihren Ring wiedererkämpftet, und ob auch, die Wahrheit zu sagen, nicht viel Wahrscheinlichkeit dazu vorhanden ist, so weiß doch niemand, was ihm bevorsteht, im Übeln sowohl, als im Guten; Glück also auf die