Ricarda Huch

Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Mittelalter – I. Römisches Reich Deutscher Nation –


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Übte das Kloster auf die Widerstrebenden Kerkerdruck aus, so konnte es denen, die sich einordneten, zum Paradies werden. Die regelmäßige Einteilung des Tages und der Nacht, der Wechsel zwischen Tätigkeit, beschaulicher Betrachtung und Gespräch wirkten beruhigend. Vor allen Dingen milderte das tröstende Wort des Freundes auch herbstes Leiden. Gab es neidische, gehässige, bösartige Mönche, so waren doch auch solche da, die durch Güte Frieden und durch Begabung Glanz über ihre Umgebung ausgossen. Dem Umstand, dass Schwaben von jeher Dichter erzeugte, ist es zu verdanken, dass uns Kunde denkwürdiger Persönlichkeiten überliefert ist, die die Zierde schwäbischer Klöster waren. In Sankt Gallen lebte Notker, der trotz seines Zungenfehlers ein verehrter Lehrer war, der strenge Zucht mit zärtlicher Fürsorge und Verständnis für jeden einzelnen zu vereinen wusste. Der zarte, magere Mann, dem doch die Kraft nicht fehlte, den Teufel zu überwinden, der ihm zuweilen nachstellte, liebte die jungen Wilden und hatte Nachsicht für die Überschäumenden; in seinen Armen, unter seinen gütigen Worten starb der trotzige Wolo, der ihn eben noch beleidigt hatte, und sein Liebling war der mutwillige Salomon, der später als Bischof von Konstanz der Prächtige und Glückliche genannt wurde. An künstlerischer Begabung war allen Tutilo überlegen. Er dichtete, malte, modellierte und komponierte, besonders bewunderte man sein Saitenspiel. Eine Elfenbeinschnitzerei von seiner Hand, die noch vorhanden ist, stellt den heiligen Gallus dar, wie er den Bären belohnt, der ihm Holz zuträgt. Er liebte die Natur und das Wandern, und seiner Künstlerschaft verdankte er, dass er oft an auswärtige Klöster berufen wurde, um Aufträge auszuführen. Von den schwäbischen Ekkeharden waren mehrere dichterisch begabt. Ekkehard I. (* 910 im Thurgau; † 14. Januar 973 in St. Gallen) war der Dichter des Walthariliedes, dem die lateinische Sprache leider den Stempel des Akademischen aufgedrückt hat, dessen Sequenzen und Hymnen den Gottesdienst zu verschönen bestimmt waren. Die überlieferten Anfangsworte: O martyr aeterni patris und Adoremus gloriosissimum lassen uns die feierliche Pracht dieser Gesänge ahnen. Ekkehard IV. (* um 980; † nach 1057 in St. Gallen), der die Geschichte seines Klosters wie einen buntbebilderten Teppich vor uns ausgebreitet hat, dürfen wir als den ersten Novellendichter unserer Literatur betrachten, einen kundigen Menschendarsteller, einen nachdenklichen, liebreichen und humorvollen Zuschauer des Lebens.

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      Uta und Ekkehard II. im Dom zu M

      Ekkehard II. (* um 985; † 24. Januar 1046) unterschied der Beiname Palatinus, der Höfische; er war ausgezeichnet durch Schönheit, vornehme Haltung und die Überlegenheit, die das Bewusstsein gefälliger Erscheinung, Klugheit und kühle Gemütsart verleihen. Er musste der Herzogin Hadwig von Schwaben den Virgil erklären und es scheint, dass sie mehr Zuneigung für ihn hatte, als er erwiderte. Er besaß eine besondere Kunstfertigkeit im Ausmalen von Handschriften.

      Leuchten des Klosters Reichenau und der damaligen Welt waren Walafried Strabo, von dem liebliche lyrische Gedichte erhalten sind, und Hermannus Contractus, der von Kindheit an gelähmte Sohn eines Grafen von Veringen. Obwohl er nicht gehen, nur mühsam sprechen und kaum die Hand zum Schreiben bewegen konnte, sein Leben gekrümmt im Stuhl sitzend zubrachte, wurde er Abt des Klosters, war er berühmt als Musiker, Theologe, Historiker.

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      Hermann von Reichenau (* 18. Juli 1013; † 24. September 1054 im Kloster Reichenau) auch Hermann der Lahme, Hermannus Contractus, Herimannus Augiensis oder im Spätmittelalter irreführend Hermann von Veringen genannt, da er aus dem Geschlecht der Grafen von Altshausen-Veringen stammte, war ein Benediktiner und bedeutender Wissenschaftler, Komponist und Schriftsteller.

       Als Entgelt dafür, dass im Kloster eine Gruppe von Menschen den ewigen Opferrauch des Gebetes zum Himmel aufsteigen ließ und die Gebote des Herrn der Liebe stellvertretend für das ganze Volk auf sich nahm, widmete man den Mönchen außerordentliche Verehrung. Als einmal Kaiser Konrad II. zu Ingelheim Ostern feierte, leitete Ekkehard IV., damals Vorsteher der Schule zu Mainz, den Gottesdienst und hatte schon die Hand zur Vorführung der Sequenz erhoben, als die Bischöfe, die neben dem Kaiser saßen, diesen um Erlaubnis baten, ihren ehemaligen Lehrer bei dem, worin er selbst sie unterwiesen habe, zu unterstützen. Da der Kaiser Gewährung nickte, vollführten sie mit Ekkehard, der Tränen der Freude weinte, die heilige Handlung. Indessen nicht nur dass die Ehrfurcht vor dem Lehrer die Schüler bis in die höchsten Würden begleitete, das ganze Volk brachte den Mönchen Verehrung entgegen, und die Verehrung äußerte sich in Schenkungen, die die Klöster reich machten. Sie wurden dadurch instandgesetzt, Geldgeschäfte zu treiben, und wenn das auch schädliche Folgen hatte, indem es diejenigen, welche der Welt abgesagt hatten, in sehr weltliche Interessen verstrickte, so vollzog doch das Kloster als eine Art Bank eine Funktion, die in dem reger sich entfaltenden kulturellen Leben nicht fehlen durfte.

      Nie wieder hat es eine Einrichtung gegeben, die wie das Kloster der karolingischen und ottonischen Zeit so vielen nützlichen Zwecken und großen Ideen diente. Von ihnen, wenn auch nicht nur von ihnen, ging die Kultivierung des Bodens aus, sie lichteten Wälder, bestellten Äcker, bauten Reben, gaben ein Vorbild umsichtiger Wirtschaft; sie beschäftigten Handwerker und Künstler, pflegten die Musik, förderten die Wissenschaft, unterrichteten die Kinder, waren Schule, Akademie, Universität. Nachdem die staatliche Armenpflege, die Karl der Große organisiert hatte, in den Stürmen der Zeit untergegangen war, übernahmen sie die Klöster. Täglich empfingen dort die Armen der Umgegend Unterstützung an Nahrung und Geld, Pilger wurden aufgenommen und Kranke verpflegt, so waren sie zugleich Hospize und Hospitäler. Als Versorgungsanstalten nahmen sie die vielen auf, die für den Kampf des Lebens zu schwach waren, die infolge gestörten Gleichgewichts der Kräfte, infolge irgendwelcher körperlicher oder geistiger Gebrechen draußen im rücksichtslosen Wettkampf der Arbeit und des Ehrgeizes scheitern mussten, alle die unscheinbaren, allzu zarten Pflanzen, die von achtlosen Füßen zertreten werden, aber unter verständnisvoller Pflege erblühen und Früchte tragen können. Sie waren Gefängnisse, wo der Schuldbeladene verhindert wurde zu schaden, wo er aber nicht aus der Gesellschaft der Guten und Gesunden ausgestoßen war, wo er Strafe erlitt, aber auch Zuspruch, Läuterung und Erhebung finden konnte.

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      Bischof Otto von Bamberg (* um 1060; † 30. Juni 1139)

       Der edle Bischof Otto von Bamberg sagte einmal, als jemand meinte, es gebe schon zuviel Klöster, er solle nicht neue gründen: die Welt sei für den Menschen die Fremde, darum müsse es Herbergen geben, und solche Herbergen seien die Klöster. Sie seien nicht für diejenigen da, die sich auf Erden heimisch fühlten, sondern für die Fremden. Den Fremdlingen auf Erden öffnete sich die gastliche Pforte als ein Vorhof der ewigen Ruhe.

      Die alten Klöster mit ihren Kirchen und Kreuzgängen sind im Lauf der Jahrhunderte entweder ganz zerstört oder umgebaut worden. Die Abtei Prüm in der Eifel, die Karl Martells Schwester Bertrada zu Anfang des 8. Jahrhunderts stiftete, stammt in ihrer jetzigen Gestalt aus dem 18. Jahrhundert, Fulda ist vom Barock beherrscht, Sankt Gallen vom Rokoko, ebenso fast alle bayrischen und österreichischen Klöster, im sächsischen Korvey, wo der Mönch Widukind die Geschichten seines Volkes schrieb, muss man die romanischen Überbleibsel des alten Baus aufsuchen. Aber wenn man die Insel Reichenau betritt, dann wird man in die Zeit der Erstlinge des Glaubens entrückt. Hier ist alles fest umgrenzt, alles schlicht geformt, alles Symbol und Geheimnis. Die Häuser sind klein, selbst die Kirchen niedrig, und dennoch, mit ihren dicken Mauern, ihren flachen Decken und kurzen Säulen erscheinen sie gewaltig und hauchen überirdische Schauer aus. Die Göttergestalt Christi, die wir von den halbzerstörten Wandgemälden ablesen, wie sie Kranke heilt und Tote erweckt, steigt aus bodenlosen Abgründen hervor, Führer durch Blut und Tränen in ein Reich jenseits der Sterne. Erdrückend wäre die Heiligkeit dieser Räume, wenn sie nicht Natur hold umgäbe: um die Gemäuer singt die Welle, flüstert das Schilf, blüht und rauscht die Linde. Der Gott, der hier angebetet wird, liebt die Natur, sie ist seine Tochter und atmet dicht an seinem Herzen. An den Spalieren reifen Äpfel und Birnen, Pfirsiche und Trauben, nicht nur durch die Güter, die Schiffe ihr von weither zuführen, ist diese Aue reich, sondern durch das, was sie selbst hervorbringt. Hier sind alle Menschen, die hohen und die niederen, die Herren und die Bettler, Kinder