Catherine St.John

Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman


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      Sobald Walsey sie zurückgebracht hatte, erzählte sie Cecilia von ihrem menschenfreundlichen Plan – und Cecilia kicherte animiert. „Kennst du Dorothy Claremont? Sie hat das in ihrer Saison auch gemacht. Glückliche Paare – aber auch die Chumsbys.“

      „Dieser dicke Wichtigtuer mit seiner unangenehmen Frau? Die passen doch sehr gut zusammen, oder?“

      „Ja, das hat sich Dorothy damals wohl auch gedacht. Die beiden Brautleute waren aber nicht ganz so begeistert…“

      Portia hätte gerne weiter mit Cecilia geplaudert – und hinter ihnen saß ja auch die bezähmbare Lady Tenfield, die den Nagel immer auf den Kopf traf, aber da kam ja schon wieder einer!

      Sie linste rasch auf ihre Tanzkarte: ein Mr. Kemble. Wirklich „nur“ ein Mr. – oder jemand mit vornehmster Verwandtschaft, selbst aber nur der dritte Enkel eines Herzogs? Ob sie das mit geschickten Fragen herausfinden konnte? Hatte sie wohl Geschick für solche Dinge?

      Mr. Kemble verbeugte sich vor ihr und lächelte freundlich, also erhob sie sich, knickste leicht und legte die Hand auf seine Armbeuge.

      Ein Ländler schon wieder… Sie stellten sich am Ende der langen Reihe auf, erwiesen einander und den Nachbaren ihre Reverenzen und begannen.

      Wenn die Figuren es gestatteten, plauderte Kemble einigermaßen interessant, auch wenn die Frage, ob es Miss Willingham denn in London gefalle, noch nicht gerade von großer Originalität zeugte. Portia erwiderte artig, sie lebe immer in London, bei Verwandten hier in Mayfair, womit sie sich als durchaus standesgemäß ausgewiesen hatte. Einfaches Bürgertum ohne Verbindungen wohnte schließlich weiter östlich, nicht wahr? Oder im Norden der Stadt… so genau wusste sie das auch nicht.

      Mr. Kemble freute sich, dies zu hören, denn er lebte auch in Mayfair, gar nicht einmal so weit von der South Audley Street entfernt. Er lebte bei seinen Eltern und nur in den unmodischen Jahreszeiten pflegte man sich aufs Land zurückzuziehen.

      Das klang Portia, die sich nachdenklich drehte und die vorgeschriebenen Schritte mit der gebotenen Grazie ausführte, recht vielversprechend; also erkundigte sie sich, wo das Landgut seiner Eltern denn zu finden sei.

      Er seufzte. „Einige Tagesreisen von London entfernt, schon fast in Yorkshire! Warum sich unsere Altvorderen ausgerechnet dort ansiedeln mussten, verstehe ich auch nicht.“

      „Aber vielleicht hatte ihnen dort irgendein König das Land geschenkt? Da kann man ja schlecht sagen: Herzlichen Dank, Euer Majestät, aber haben Sie nicht auch etwas in Surrey im Angebot?“

      Er kicherte. „Das Gesicht des Königs hätte ich ja gerne gesehen! Leider weiß ich gar nicht, welcher das gewesen sein könnte.“

      „Oh, aber die eigene Familiengeschichte ist doch interessant? Was die Familie in alten Zeiten geleistet hat, woher der Titel – so man einen hat – rührt, was man dafür getan hat. Mir hat einmal jemand erzählt, einer seiner Vorfahren habe zur Zeit der Rosenkriege gleich drei Könige verraten. Gut, das ist eher kein Ruhmesblatt, aber auch da weht einen doch der Hauch der Geschichte an, meinen Sie nicht?“

      „Nun, vielleicht haben Sie da recht… ich sollte es mir wohl einmal angelegen sein lassen, die Familiengeschichte zu studieren. Bis jetzt war das für mich immer ein Haufen muffig dreinblickender Gestalten in merkwürdiger Kleidung, zu Hause in der Ahnengalerie, wo sie einen vorwurfsvoll anschauen.“ Er grinste und sie erwiderte das mit einem freundlichen Lächeln. Das machte ihn gleich noch etwas zutraulicher und so erzählte er, dass er sich bei Erzählungen seiner Großeltern immer sehr gelangweilt und deshalb auch nicht recht zugehört habe; Pferderennen und Wettfahrten mit Vierspännern hätten ihm deutlich mehr zugesagt.

      „Aber man wächst aus diesen Jugendtorheiten ja auch langsam heraus, nicht wahr, Miss Willingham? Ich denke, Sie haben mir da durchaus Anregungen gegeben, herzlichen Dank auch dafür! Und natürlich für diesen Tanz.“

      Passenderweise endete die Musik in genau diesem Moment und Mr. Kemble zog Portias Hand elegant an seine Lippen.

      Sie lächelte höflich, bewahrte aber doch etwas Zurückhaltung.

      „William Kemble“, sagte da eine tiefe Stimme links neben ihr, „ich wusste es doch! Kennen Sie mich noch?“

      Mr. Kemble löste seinen Blick von Portia, die nach links blickte und mehr als höflich lächelte.

      „Walsey? Der Freund meines Onkels! Natürlich! Lange nicht mehr gesehen, Walsey – und ausgerechnet hier? Sie mögen doch keine Bälle?“

      „Das tue ich auch nicht. Ich bin im Interesse der Familie hier. Aber der heutige Ball hat mir eigentlich recht gut gefallen.“ Er lächelte Portia zu, was Mr. Kemble an seine Manieren erinnerte – hastig stellte er die beiden einander vor und blinzelte irritiert, als beide fröhlich lachten.

      „Danke, Kemble“, erklärte Walsey schließlich, „aber wir kennen uns schon – zumindest haben wir bereits miteinander getanzt. Sie kommen also etwas zu spät…“

      Kemble ließ seinen Blick zwischen den beiden hin und her wandern. „Ja, das denke ich auch. In mehrfacher Hinsicht, wie mir scheint?“

      Angesichts der verständnislosen Mienen lachte er kurz auf und entschuldigte sich dann, der habe da einen Bekannten gesehen, den er unbedingt sprechen müsse.

      „Worüber haben Sie sich mit ihm unterhalten, Miss Willingham?“, fragte Walsey und wirkte unmittelbar danach direkt erschrocken, als erschiene ihm diese Frage nun unangebracht. Also schob rasch nach: „Wenn Ihnen diese Frage nicht aufdringlich erscheint?“

      Portia sah fragend zu ihm auf. „Warum denn? Nein, das ist doch nicht aufdringlich. Er schien sich nicht für seine Familiengeschichte zu interessieren, offenbar blicken seine Vorfahren in der heimischen Ahnengalerie zu missbilligend auf ihn herab. Und ich fand, dass Familiengeschichte doch interessant ist, zu wissen, wann jemand für besondere Leistungen belohnt wurde – mit einem Titel etwa – oder sich ganz besonders blamiert hat. Da hat er Besserung gelobt. Nun, wahrscheinlich war das nur eine Floskel. Aber er scheint recht sympathisch zu sein, nur vielleicht noch ein wenig – grün?“

      Walsey lächelte. „Das mag sein. Ich bin, wie Sie wahrscheinlich gehört haben, mit seinem Onkel George befreundet, der zurzeit den Titel trägt – und William war immer schon das, was man einen Lausbuben nennt, den Kopf stets voller dummer Streiche. Und seitdem scheint er sich nicht zu sehr verändert zu haben.“

      Portia kicherte. „Ich sehe ihn förmlich vor mir, Äpfel stehlen, einen wilden Bullen reizen, mit einem Bettvorleger und einem Scheunendach seine Flugfähigkeiten ausprobieren…“

      „Haben Sie das etwa getan?“

      „Nicht doch, ich war ein recht braves Kind. Die Nachbarsjungen haben solche Heldentaten unternommen und ich durfte dann, wenn ich zufällig auf Arneby weilte, Krankenbesuche machen, wenn sie mit gebrochenen Armen und Knöcheln darniederlagen. Manchmal habe ich sie schon beneidet um die Freiheiten, die sie hatten – nicht um die Knochenbrüche!“

      Sie waren plaudernd um die Tanzfläche promeniert und Portia erschrak, als sich ein sichtlich pikierter junger Herr vor ihr aufbaute: „Miss Willingham, ich glaube, das ist unser Tanz, nicht wahr?“

      Mit einem bedauernden Lächeln zu Walsey wandte sie sich ihrem neuen Tänzer zu und bemühte sich, ihn nicht spüren zu lassen, dass er sie gestört hatte.

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