Catherine St.John

Rätsel im Ballsaal. Historischer Roman


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sagen, dass ich einer von ihnen bin. Viscount Lynet ist einer und Mr. Stafford ebenfalls.“

      „Benedict de Lys kenne ich natürlich, von Mr. Stafford habe ich noch nie gehört. Wer ist das?“

      „Oh – äh – er leitet einen recht vornehmen Herrenclub.“

      „Eine Spielhölle?“, hauchte sie halb entsetzt, halb fasziniert.

      „Nein. Nein, nicht so. Sicher kann man dort spielen und trinken und – äh – sich unterhalten, aber das findet durchaus mit Niveau statt. Aber ich wollte nicht über Stafford tratschen. Die Jungen in den Waisenhäusern bekommen eine recht annehmbare Schulbildung, lernen akzentfrei zu sprechen und sich gesittet zu betragen, so dass sie durchaus Lakaien in vornehmen Häusern werden können. Oder Stallburschen, Reitknechte, Gärtnergehilfen.“

      Portia nickte billigend. „Und das ist der Anfang eines möglichen Aufstiegs, ich verstehe. Sehr löblich – das trägt Ihnen gewiss viel Ehre ein.“

      Er grinste. „Kaum, Miss Willingham. Diejenigen, die davon wissen – und das sind nicht gerade viele – wundern sich eher, wie ich mich mit diesen schmutzigen Kindern abgeben kann.“

      „Wo Sie doch Ihre Zeit viel nutzbringender darauf verwenden könnten, mit einem Standesgenossen darauf zu wetten, welche Fliege die Fensterscheibe schneller hinaufkrabbelt“, schlug Portia vor und blickte verschmitzt zu ihm auf.

      Wenn er grinste, erhellte sich sein manchmal doch etwas düsterer Blick und er hatte ein Grübchen neben dem rechten Mundwinkel. Eigentlich war er recht sympathisch, fand sie.

      „Ganz recht“, bestätigte er dann aber nur. „Wie alt sind denn die Mädchen in Ihrem Waisenhaus?“

      „Oh, zwischen vier und dreizehn. Danach können sie nicht mehr länger bleiben. Ich finde das zu früh, um in die Welt hinausgeschickt zu werden, aber es gibt so viele elternlose kleine Mädchen und das Heim ist nicht groß genug, um alle aufzunehmen, ohne die Ältesten zu entlassen. Jüngere als vier Jahre gibt es natürlich auch, aber die sehe ich seltener, weil sie für Unterricht noch etwas zu jung sind.“

      Cecil nickte wieder. „Wir bräuchten eben mehr solcher Heime. Gut geführte, natürlich.“

      „Oder für die Mütter die Möglichkeit, ihre Kinder bei sich zu behalten und zugleich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“, schlug Portia vor.

      „Ein interessanter Gedanke“, lobte er. „Ich werde mich auf jeden Fall damit auseinandersetzen. Wir werden uns auf dem nächsten Ball bestimmt sehen und das Gespräch fortsetzen können.“

      „Das sollte mich freuen, Mylord.“

      Sie ließ sich zu Lady Hertwood zurückgeleiten und knickste dort höflich vor ihm.

      „Das war aber ein langer Tanz“, murmelte Melinda.

      „Oh – meinst du, zu lange? Wir haben uns noch unterhalten und sind dabei durch den Ballsaal promeniert, für alle Welt sichtbar. War das unangemessen?“

      Melinda lächelte. „Nicht doch, ich dachte nur – recht vielversprechend?“

      „Er ist sehr nett und vor allem auch klug, scheint mir. Vielleicht treffe ich ihn auf anderen Bällen wieder!“

      „ich würde es dir wünschen, Portia. Ach herrje…“

      Portia sah auf; Viscount Kelling. Nun, so furchtbar fand sie ihn nun auch wieder nicht, aber in der Konversation arg öde und im Ton eher unfreundlich.

      Sie folgte ihm auf die Tanzfläche, lächelte freundlich, knickste graziös und ließ sich von ihm durch die Figuren führen. Gelegentlich tauschte sie mit ihrer Nachbarin den Platz, wenn der Schritte es erforderten, aber ansonsten sprach der Viscount. Zunächst über das Wetter (immer noch unangenehm kühl, nicht wahr?), über den Ball (überfüllt, aber so etwas zeigte ja den Erfolg einer Veranstaltung, nicht wahr?) und über die Vorzüge Londons (so ein reiches Angebot an Unterhaltungen, nicht wahr?).

      Nicht wahr? war dabei eine reine Floskel, er wartete nie ab, ob Portia etwas dazu anzumerken wünschte, sondern sprach sofort weiter.

      Nachdem die Standardthemen abgehandelt waren, kam er zur Sache: „Sie haben vorhin mit Walsey getanzt?“

      „Gewiss.“ Hoffentlich vertrieben ihn einsilbige Antworten – aber sie hatte da wenig Hoffnung.

      „Er wird Sie nicht heiraten, wissen Sie.“

      „Ach?“ Welch unverschämte Bemerkung! Sie verwarf die Strategie der Einsilbigkeit, dafür war sie zu ärgerlich.

      „Sie glauben, ich wolle jeden Mann heiraten, der mich zum Tanz auffordert? Ist Ihnen nicht klar, dass wir praktisch keine Aufforderung ablehnen dürfen? Sollte ich sagen Nein, ich tanze nicht mit Ihnen, Sie wollen mich bestimmt nicht heiraten? Das gäbe einen netten Skandal!“

      „Wie meinen Sie das, Miss Willingham?“

      „Genauso wie ich es gesagt habe.“

      Zurück zur Einsilbigkeit!

      Diese Kombination wirkte bestimmt dämpfend, lobte sie sich selbst.

      „Aber alle jungen Damen wollen doch heiraten?“

      „Und die Männer nicht, außer wenn die junge Dame die lästige Beigabe zu einem hübschen Packen Staatspapiere ist. Das ist mir auch klar. Deshalb höre ich doch nicht bei jedem Gentleman, der sich vor mir verbeugt, sofort Hochzeitglocken läuten!“

      „Bei Walsey jedenfalls nicht. Ist wohl auch besser so.“

      „Ach.“

      Das fand Kelling wohl nicht neugierig genug, jedenfalls zog er ein arrogantes Gesicht und sprach nicht mehr weiter. Ein Steingesicht ziehen konnte Portia auch; sie beschränkte sich darauf, die zweite Dame im Carré freundlich anzulächeln, eine schüchterne Debütantin, die dafür recht dankbar zu sein schien.

      In verkniffenem Schweigen endete der Tanz und der Viscount brachte Portia zurück, gönnte ihr kürzest mögliche Verbeugung und entfernte sich.

      „Da ist aber jemand beleidigt“, stellte Lady Tenfield fest, die hinter Melinda saß und leise vor sich hin kicherte.

      „Oh, Mylady!” Portia erhob sich hastig wieder und knickste ehrerbietig. „Ja, ich glaube, er ist – nun, zumindest enttäuscht. Er wollte mir Klatsch über Lord Walsey erzählen und ich habe deutliches Desinteresse gezeigt. Lord Walsey kam mir recht vernünftig vor und Lord Kelling: nun ja.“

      „Alberner Langweiler. Walsey ist vernünftig, er kennt auch meinen Neffen und einige andere kluge Männer, die sich für den ton nicht interessieren. Ich frage mich nur, warum er jetzt wieder in der Gesellschaft auftaucht…“

      „Wie die meisten Menschen, die nicht ganz freiwillig auf solchen Festivitäten erscheinen, sucht er wohl nach einer Ehefrau. Wäre ich denn hier, wenn ich nicht heiraten wollte?“

      „Gut gesprochen, Kindchen! Wenn man diese Suche aber hinter sich hat, ist es recht nett, sich das Treiben anzuschauen und ein bisschen mitzuklatschen. Nicht wahr, Lady Hertwood – Lady Lynet?“

      Cecilia, die sich gerade neben Melinda niederließ, grinste spöttisch. „Wobei das Wissen, selbst nicht mehr Spekulationsobjekt zu sein, fast der reizvollste Aspekt sein dürfte.“

      Portia lachte. „Auf diesen Tag freue ich mich schon – denn ganz ehrlich müsste ich diesen Heiratszirkus nicht ununterbrochen haben.“

      „Das müsste wohl niemand“, antwortete Cecilia fächelnd. „Heiß hier… Nicht umsonst endet die Saison ja genau dann, wenn sie den Menschen zum Halse heraushängt.“

      „Na, nicht deshalb, Kindchen! Das liegt wohl eher an der Parlamentspause.“

      „Die haben wohl auch keine Lust mehr“,