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fragte das Mädchen.

      Nun war es aber so, dass die Hexe auch keinen Fernseher hatte.

      „Wie? Keinen Fernseher? Keinen DVD-Player? Keinen Beamer?“, fragte das Mädchen erschüttert.

      Die Hexe schüttelte den Kopf.

      „Dann will ich sofort nach Hause“, jammerte das Bübchen und gab der Hexe die Handynummer und zur Sicherheit auch die Festnetznummer der braven Mutter, denn bei der merkwürdigen Alten wusste man ja nie.

      „Wahrscheinlich hat sie keine Flatrate“, flüsterte das Bübchen.

      „Wahrscheinlich hat sie gar kein Telefon“, flüsterte das Mädchen.

      Und so war es auch. Die Hexe aber rupfte sich vor Verlegenheit und Scham ein Haar nach dem anderen aus. Dabei schluchzte sie und erzählte den Kindern weinend, wer sie war und was sie wollte. Beim Was-sie-wollte hörten das Bübchen und das Mädchen schon nicht mehr zu.

      „Ich darf sie aber in den Backofen schubsen“, rief das Bübchen.

      „Nein ich“, kreischte das Mädchen.

      Und dann zogen und zerrten die Kinder an der Hexe, dass der Pfefferkuchen am Häuschen wackelte. Womöglich wäre der Alten noch ein Unheil geschehen, wäre nicht just in diesem Moment die von Herzen gute Mutter herbeigeeilt. Weil nämlich das Bübchen auf dem Weg zum Hexenhaus aus Langeweile sein halbes Franzbrötchen verkrümelt hatte, während dem Mädchen aus einem Loch in der Hosentasche nach und nach die beim Mittagessen verschmähten Erbsen herausgefallen waren, hatte die gute Mutter ihre lieben Kleinen wiederfinden können.

      War das eine Freude!

      „Ward ihr denn auch artig?“, fragte die Mutter.

      „Na logo“, sagte das Bübchen.

      „Und ob“, sagt das Mädchen und es war noch nicht mal gelogen.

      Die gute Mutter aber dankte der Hexe vieltausendmal. Und die Hexe dankte der guten Mutter vieltausendmal zurück.

      Noch am gleichen Abend aber nahm die Hexe ihren Raben, den Kater, den Besen und sonst gar nichts und verschwand aus dem Wald. An die Tür vom Pfefferkuchenhäuschen zauberte sie von unterwegs einen Zettel. Auf dem stand: Lieber Hänsel, liebe Gretel! Komme gleich wieder.

      Sie ist es bis heute nicht.

      Forty-five

      Ein junger Mann! Oder sagen wir: Ein Mann, der sich immer noch jung fühlt. Ein jung gebliebener Mann sozusagen. Also ein Mann in den besten Jahren. Das Ganze in einem Bett. Irgendwo. Irgendwann.

      Seit sieben Stunden, achtundzwanzig Minuten und fünfzehn Sekunden ist oben erwähnter Mann fünfundvierzig Jahre alt. Im besten Alter sozusagen. Mit etwas Glück befindet er sich genau in diesem Moment auf dem statistisch erwarteten Höhepunkt seines Lebens.

      So also fühlt man sich, wenn man fünfundvierzig ist, denkt der Mann. Nicht mehr ganz jung! Aber noch lange nicht alt! Und ein kleines bisschen zum Kotzen!

      „Geschieht dir recht! Was säufst du auch wie ein Loch?“ Selbiges sagt ihm seine innere Stimme. Sein Alter Ego! Sein ewig nörglerischer Widersacher, der immer was zu meckern hat und alles immer besser weiß.

      „Immerhin ist mein Geburtstag“, kontert der Mann.

      „Meiner auch!“ Sein Alter Ego verlangt vorzugsweise nach dem letzten Wort. Das kommt uns irgendwie bekannt vor.

      „Streitet doch nicht“, säuselt da eine Stimme neben ihm. Der Mann reißt den Kopf herum, was man tunlichst vermeiden sollte, wenn man nur Stunden zuvor diverse Gläser Rotwein, Bier und zwei Gläser Sekt konsumiert hat, was sein Alter Ego hämisch kommentieren würde, wenn wir ihn denn ließen. So aber reicht uns die Erwähnung, dass sich der Mann fortan nicht nur zum Kotzen, sondern noch dazu schwindelig und leicht benommen fühlt.

      Aber das ist erst mal egal. Denn auf der Bettkante, auf seiner Bettkante, keinen Meter von ihm entfernt und somit zum Greifen nahe, sitzt eine Frau. Genauer gesagt: Der Traum von einer Frau. Einer Frau, wie sie fraulicher nicht sein könnte. Wobei wir jedem selbst überlassen möchten, sich auszumalen, wie die fraulichste Frau aller Zeiten auszusehen hat.

      Sie trägt irgendetwas zwischen nichts und gar nichts, wenn man von einer Federboa absieht, die sie bedauerlicherweise jedoch so geschickt um sich drapiert hat, dass man von ihrer Nacktheit ziemlich genau gar nichts erkennen kann. Trotzdem wird dem Mann augenblicklich ganz anders.

      Die Frau lächelt verständnisvoll.

      „Los, sag was“, sagt sein Alter Ego.

      „Wer bist du?“ stammelt der Mann.

      Sein Alter Ego kann es nicht fassen: „Wahnsinnig originell! Diesen Einstieg hätte selbst Pu, der Bär, nicht besser vermasseln können. Auf deiner Bettkante sitzt die Frau deiner Träume und du diskutierst mit ihr die Seinsfrage.“

      „Ich bin eine Fee, mein Lieber“, haucht die Frau. „Deine Fee! Denn du hast heute Geburtstag. Und weil du Geburtstag hast, hast du einen Wunsch frei.“

      Sein Alter Ego atmet auf. „Okay, Alter, das ist ja noch mal gut gegangen! Bau jetzt bloß keinen Mist!“

      „Einen Wunsch?“, stottert der Mann.

      „Das hat sie doch gesagt, du Trottel. Und zwar laut und deutlich“, meckert sein Alter Ego.

      „Bingo“, sagt die Fee, was den Mann zugegebenermaßen etwas irritiert, denn irgendwie hätte er von einer Fee verbalmetaphorisch Größeres erwartet.

      Aber abgesehen davon ist natürlich absolut klar, dass es nur eine Sache gibt, die man sich mit fünfundvierzig, also als Mann in den besten Jahren, von einer Frau wie dieser, fast nackt auf der Bettkante, wünschen kann.

      „Ich wünsche mir ...“, sagt der Mann und stockt.

      Wir können sein Zögern nur zu gut verstehen. Es macht ihn uns nachgerade sympathisch. Schließlich ist die Frau eine Fee. Wahrscheinlich sind Feen heilig. Wie Engel. Und prüde sowieso.

      Sein Alter Ego sieht das anders: „Idiot, sag es einfach. Wenn sie dir eine scheuert, hast du eben Pech gehabt. Wenn nicht, erlebst du mit ihr die Nacht der Nächte.“

      „Und ich kann mir wirklich alles wünschen?“, fragt der Mann.

      „Alles, mein Lieber“, haucht die Fee und lächelt. Dabei rutscht sie auf der Bettkante noch ein Stück dichter an ihn heran, womit es – zurückhaltend ausgedrückt – im Bett schon reichlich eng wird.

      „Nun, mach schon, du Idiot. Oder willst du es noch schriftlich haben?“, drängelt sein Alter Ego.

      „Ich wünsche mir …“, sagt der Mann.

      Wie sagt man, was man will?

      So genau wissen wir das auch nicht. Der Mann könnte sich beispielsweise wünschen, dass sie die Federboa ablegt. Oder dass sie ihn küsst.

      Sein Alter Ego verfällt in Schnappatmung: „Seid ihr denn alle bescheuert? Einen Wunsch, hat sie gesagt. Dann ist sie nackt oder küsst ihn und ist weg. Er will SIE. SIE! SIE! Also los, du Trottel! Sag es!“

      „KLAPPE!“, brüllt der Mann.

      Die Fee grinst. Gar nicht feen-like. Vielleicht ist sie gar keine Fee. Vielleicht ist sie nur eine Fata Morgana.

      „Ich will“, sagt der Mann und seufzt, „DICH! DICH! DICH!“

      Nach diesen eloquent vorgebrachten Worten greift er nach der Federboa und kneift in Erwartung der Ohrfeige, die da kommen wird, die Augen zu.

      „Aufstehen!“, säuselt es an seiner Seite. Mit ihrem Zahnpastalächeln schwebt seine bessere Hälfte morgenmunter über ihm. „Alles Gute zum Geburtstag!“

      Sie mustert ihn prüfend. „Was ist mit dir? Du siehst irgendwie so – verwirrt aus.“

      „Hm“,