Cristina Fabry

Karfreitagabend


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die Duftöle in einer Tonschale.

      „Dass ihr in der kurzen Zeit wirklich alles zusammenbekommen habt, grenzt an ein Wunder.“, lobte Frau Zebedäus ihre Freundinnen.

      „Habt ihr denn bei euren Einkäufen auch gehört, was sich um die neunte Stunde im Tempel ereignet hat?“, fragte Zebedäus.

      „Nein.“, sagte Salome. „Für Tratsch hatten wir es zu eilig. Was ist denn passiert?“

      „Der Vorhang zum Allerheiligsten ist mitten durchgerissen und heruntergefallen.“

      Maria Alphäus schlug die Hände vors Gesicht. „Ha Schem!“, rief sie, „was hat das zu bedeuten?“

      „Vielleicht will der Allerhöchste uns bestrafen, weil wir Menschen seinen Sohn ermordet haben. Und nun liegt das Allerheiligste nackt und ungeschützt vor den Blicken Unwürdiger wie Körbe an einem Marktstand.“

      „Vielleicht wollte der Allmächtige damit aber auch sagen, dass der alte Kasten mit den Gesetzestafeln nicht mehr das Allerheiligste ist, seit Jesus zu uns gekommen ist.“, überlegte Maria Magdalena. „Vielleicht hat das Opfer Jesu uns auch alle zu Priestern und Priesterinnen gemacht.“

      „Oder es kam einfach vom Erdbeben.“, sagte Noomi, die kleine Schwester von Johannes und Andreas.

      In schweigender Konzentration rührten die Frauen die Körpersalbe und das Öl zum Tränken der Leinentücher zusammen. Anschließend füllten sie die Salbe in einen Tiegel und strichen das Öl auf die Stoffbahnen, die sie schließlich fein säuberlich falteten, sodass sie gut durchzogen.

      Dann legte sich Frau Zebedäus einen Schal um den Kopf, zündete die Schabbatkerzen an, fächelte sich mit beiden Händen das Licht zu und sprach die uralten Worte: „Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du uns geheiligt hast durch die Gebote und uns befohlen, das Schabbatlicht anzuzünden.“

      Zebedäus setzte das Ritual aus Rezitationen, Gesängen und Gebeten fort und sie begannen schweigend mit dem Abendessen.

      Alle paar Minuten klopfte jemand an die Tür und flüsterte das Losungswort. Martha rannte ständig zwischen Herd und Haustür hin und her, bis sie irgendwann ihre Schwester anfuhr: „Könntest du wenigstens die Brüder und Schwestern hereinlassen, wenn du schon darauf bestehst, dich der Hausarbeit zu enthalten, auch wenn kein Jesus in der Nähe ist, an dessen Lippen du hängen kannst?“

      „Entschuldige.“, antwortete Maria von Bethanien. „Ich war so in Gedanken. Ich übernehme das. Ich kann dir aber auch beim Kochen helfen.“

      „Pass nur auf die Tür auf. Du kannst mir nachher beim Reinigen der Schüsseln helfen.“

      Simon Petrus lag in der dunkelsten Ecke des Hauses und weinte leise in seine Armbeuge. Der Ärmel war schon nass von Rotz und Tränen und er konnte sich einfach nicht beruhigen. Thomas setzte sich auf eine Bank, lehnte an der Wand und starrte in das Dämmerlicht. Dann sprach er mehr zu sich selbst, als zu den Anwesenden: „Ich habe immer geahnt, dass es so endet. Die Mächtigen lassen sich nicht einfach so ihren Platz streitig machen, an keinem Ort dieser Welt und zu keiner Zeit. Sie vernichten jeden, der sich ihnen in den Weg stellt. Jesus war zu radikal, zu undiplomatisch und außerdem viel zu erfolgreich, als dass sie ihn hätten dulden können. Und er wusste das. Er ist einfach sehenden Auges in sein Unglück gerannt und hat uns alle mit in den Abgrund gerissen.“

      Maria von Bethanien nahm sich einen Schemel und setzte sich direkt vor Thomas. „So ist er nicht.“, widersprach sie ihm. „Er reißt uns in keinen Abgrund. Er hat uns den Weg in den Himmel gezeigt. Es ist schlimm für uns, dass wir diesen Weg jetzt ohne ihn zu Ende gehen müssen, aber er hat uns gezeigt, wie wir das schaffen können.“

      „Ach, halt die Klappe, Weib!“, wies Thomas sie in ihre Schranken. „Was verstehst du schon von diesen Dingen? Hilf lieber deiner Schwester beim Kochen, damit sie nicht alles allein bewältigen muss!“

      Martha fuhr herum und ging eilig ein paar Schritte auf Thomas zu. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, schleuderte sie ihm entgegen. „Der Herr hat mit meiner Schwester stundenlang über die Dinge geredet, von denen sie angeblich nichts versteht. Und zwar nur mit meiner Schwester. Du bist nicht dabei gewesen. Du bist drei Jahre hinter Jesus hergelaufen, aber eben immer nur hinter ihm geblieben. Nichts hast du von ihm gelernt. Du bist immer noch derselbe, der du vor drei Jahren warst. Und wenn du in Sorge bist, dass ich mit dem Kochen nicht hinterher komme, dann hilf du mir doch. Aber nein, das kannst du ja auch nicht, mit deinen groben und ungeschickten Männerhänden!“

      Thomas stand auf und sah Martha fest in die Augen. „Ich dulde nicht, dass ein Weib so mit mir spricht!“, sagte er mit bedrohlicher Stimme. „Was hat es euch gebracht, dass ihr wie kleine Kinder alles geglaubt habt, was Jesus gesagt hat, nur weil ihr es gern glauben wolltet, weil es so schön klang? Das Übel in der Welt überwindet man nicht, indem man fest daran glaubt, dass es den Verursachern schon irgendwie an den Kragen gehen wird. Man muss die Verursacher selbst am Kragen zu fassen kriegen. Aber das ist schwierig, gefährlich und kompliziert. Das geht nicht so einfach von der Hand wie Brot backen oder Lammfleisch würzen.“

      Philippus nahm den Aufgebrachten beiseite „Komm, Thomas, wir wollen nicht streiten, es ist so schon schlimm genug. Wir sind doch Brüder und Schwestern, wir sollten uns gegenseitig stützen. Das hätte Jesus so gewollt.“

      „Und woher willst ausgerechnet du wissen, was Jesus gewollt hätte?“

      Der Schlag ging tief, denn Philippus hatte sich schon oft gefragt, was die engsten Vertrauten des Meisters hatten, das er nicht besaß, schließlich stammte er genauso aus Betsaida wie Simon Petrus und Andreas, ihr Vater war mit seinem Vater zusammen fischen gegangen. Doch er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und antwortete: „So oft hat er gesagt, dass wir uns gegenseitig unterstützen sollen. Und Liebe und Frieden gehörte zu seinen größten Anliegen. Man muss nicht der Lieblingsjünger Jesu sein, um zu wissen, dass er das so gewollt hätte.“

      Bei diesem Stichwort klopfte es wieder an der Tür, das Losungswort ertönte, Maria von Bethanien öffnete und ließ Johannes eintreten.

      „Wenn man vom Teufel spricht.“, zischte Thomas.

      „Hör auf solchen Unsinn zu reden.“, wies Philippus ihn zurecht. Dann wandte er sich an den Lieblingsjünger Jesu: „Wo kommst du so spät her Johannes? Gibt es etwas Neues?“

      „Ich hab die Mutter des Meisters nach Hause gebracht.“, antwortete der Gefragte. „Sie war sehr mitgenommen, darum bin ich noch eine Weile bei ihr geblieben. Ihre Kinder sind jetzt bei ihr und kümmern sich. Ich war wirklich in Sorge, dass sie vor Kummer direkt sterben könnte. Aber sie ist eine starke Frau.“

      „Sie ist die Mutter des Messias.“, sagte Martha. „Warum sollte Gott dafür eine schwache Frau ausgewählt haben?“

      „Auf jeden Fall bin ich auf dem Rückweg über den Friedhof gelaufen und da habe ich gesehen, dass die Römer bewaffnete Wächter am Grab des Meisters haben aufstellen lassen. Sie wollen wohl verhindern, dass wir seinen Leichnam stehlen und dann behaupten, er sei von den Toten auferstanden.“

      „Vielleicht wollen sie auch einfach nur einen Volksaufstand verhindern, denn es gibt immer noch mehr als genug Leute in Galiläa, die vollkommen empört sind, dass die Römer Jesus hingerichtet haben.“, meinte Martha.

      „Kann nicht mal einer den Weibern den Mund verbieten?“, fragte Thomas leise.

      „Komm, wir gehen nach hinten, weit weg vom Herd.“, beschwichtigte Philippus ihn. „Ich verstehe ja, dass du aufgewühlt bist. Das sind wir alle. Aber sag jetzt nichts, was dir hinterher leidtut.“

      „Ich frage mich tatsächlich.“, erklärte Thomas, nachdem sie sich in eine etwas stillere Ecke zurückgezogen hatten, „warum ich all die Jahre Jesus von Nazareth gefolgt bin, obwohl ich die ganze Zeit geahnt habe, dass es genauso endet.“

      „Vielleicht, weil du gehofft hast, dass du nicht Recht behältst?“

      „Ja. Vielleicht. Aber ich habe Recht behalten.“

      „Wer