Corinna Behrens

Imke, Träume - Tränen - Meistercup


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      Beim Training wirkte Tina lustlos. Einen harmlosen Schuss von Imke ließ sie durch die Hände ins Tor gleiten.

      »Mensch, Tina, wir haben doch gemeinsam besprochen, dass wir uns anstrengen«, sagte Imke leise zu ihr.

      »Jaja, euer blöder Meistercup. Ich weiß.« Ihre Stimme klang missmutig. Sie holte den Ball mit den Händen aus dem Netz und schlug ihn mit dem Fuß weit weg hinter das Tor.

      »Was soll das denn?«, motzte Imke. »Du spinnst ja wohl!«

      »Du läufst doch so gerne. Bitte, so nervst du mich wenigstens nicht.«

      »Ach, ich nerve dich? Du nervst mit deinem Verhalten!« Imke stemmte die Hände in die Hüften.

      »Was ist da los?«, fragte Hannah und lief zu den Mädchen.

      »Die schießt einfach meinen Ball weg.«

      »Jetzt fang nicht an zu flennen«, sagte Tina und lehnte sich an den Torpfosten.

      »Du holst deinen Ball und Schluss«, forderte Hannah Imke auf.

      »Ich? Wieso ich?«

      »Darüber werde ich jetzt nicht diskutieren.« Hannah reagierte ungewohnt streng. Imke stampfte mit dem Fuß auf, drehte sich um und lief los. Sie hörte, wie Hannah Tina sanft fragte, ob alles in Ordnung sei. Das steigerte ihre Empörung. »Klasse«, maulte sie vor sich hin. »Tina hat voll die schlechte Laune und ich kann es ausbaden.«

      Imke griff zu ihrem Ball und drehte sich um. Hannah hatte das Schusstraining beendete und rief die Mädchen zusammen. Tina schlenderte Richtung Kabinenhäuschen.

      Was ist bloß mit Tina los? Imke schwankte zwischen Ärger und Sorge um ihre Freundin.

      Nach dem Training zog sich Imke eine Jacke über ihren Trainingsanzug und verließ die Kabine.

      Sie sah sich einige Zeit das Training der Frauenmannschaft an.

      Die Sportanlage des SV Winkelbach war großzügig gebaut. Auf dem Hauptplatz mit einer Tribüne fanden meistens die Punktspiele der Herrenmannschaft statt.

      Trainiert wurde auf einem großen Trainingsplatz und einen kleineren Jugendplatz. Zudem stand den Teams noch ein roter Ascheplatz zur Verfügung. Dieser war auch bei schlechten Witterungsbedingungen bespielbar. Auf diesem spielten und trainierten die wenigsten gerne, denn durch die steinige granulare Oberfläche kam es häufig zu Schürfwunden und Verletzungen.

      Der SV Winkelbach war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden und hatte mit seinem Herrenteam erfolgreiche Zeiten erlebt. Doch der Verein hatte sich finanziell übernommen, die erste Mannschaft war innerhalb weniger Jahre von der Landesliga in die Kreisklasse abgestiegen. Seitdem versuchte der SV Winkelbach, an alte Zeiten anzuknüpfen.

      Vor vier Jahren hatte sich der Verein auch für den weiblichen Fußball geöffnet. Schnell etablierte sich die Frauenmannschaft in der Kreisliga.

      Mädchen mit Spaß am Kicken gab es immer mehr. Neben der C-Jugend spielten inzwischen auch jüngere Mädchen im Verein. Die herausragende Jugendarbeit beim SV Winkelbach sprach sich herum.

      Norbert Kampe, der Trainer der Frauenmannschaft übernahm das Amt in der Winterpause. Der bisherige Trainer Rolf Müller hatte aus beruflichen Gründen den Verein verlassen.

      Norbert ließ die Frauen um den Platz laufen. Imke beobachte, dass sich Hannah angeregt mit Lisa Wimmer, Tinas Mutter, unterhielt.

      Nach einer Weile rief Norbert seine Spielerinnen zusammen. Eva, die sich erst nach der Winterpause dem Verein angeschlossen hatte, schnaufte schwer. Sie war über dreißig, etwas fülliger und hatte lange kein Fußball mehr gespielt.

      Imke sah sich um. Meistens schaute Tina auch beim Frauentraining zu, aber diesmal schien das nicht der Fall zu sein. Die Kälte kroch durch die verschwitzte Trainingskleidung. Besser wäre es, sie würde nach Hause fahren. In diesem Moment hörte sie Norbert lautstark schreien: »Eure Trainingsdisziplin ist unterirdisch. Gerade von dir bin ich enttäuscht, Hannah. Du bist doch selbst Trainerin!«

      »Norbert, wir laufen bei dir nur. Wir müssen uns aber auch taktisch und technisch verbessern«, antwortete Hannah verärgert.

      »Ihr schnauft doch alle, wenn ihr ein paar Runden rennen müsst. Ohne Grundkondition brauche ich euch nichts anderes beizubringen.«

      »Anhand von Spielformen könnte man sich auch die nötige Fitness erarbeiten.« Hannah verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Trainingszeit für Rundenrennen ist viel zu kostbar.«

      »So, zu kostbar. Ich bin lange genug Trainer und lasse mir von dir keine Trainingsmethoden erklären. Ist das klar!«

      Hannah hob die Schulter. »Okay, Norbert, du bist der Trainer.«

      »Genau. Deswegen lauft ihr jetzt alle noch einige diagonale Steigerungsläufe. Bedankt euch dafür bei Hannah.«

      »Halt nächstes Mal einfach den Mund«, murrte Eva.

      »Sie hat doch recht«, flüsterte Lisa.

      »Klar stimmt es. Aber besprecht so etwas nach dem Training. Ich bin fix und fertig. « Marion wischte sich über die Stirn. »Ich fall gleich tot um. Mit jedem Schritt spüre ich meine zweiunddreißig Lenze!«

      »Was soll ich sagen?«, stöhnte Lisa. »Ich werde fünfunddreißig!«

      »Wer bietet mehr?« Hannah knuffte Lisa beim Vorbeilaufen in die Seite.

      »H a n n a h!«, brüllte Norbert über den Platz. »Noch ein Wort und wir hängen noch einige Sprints dran.«

      Imke hatte die Diskussion erbost angehört.

      Wie unfair behandelte Norbert ihre Trainerin? Warum ließ Hannah sich das überhaupt gefallen?

      Ausgerechnet er sprach von fehlender Kondition, mit seinem dicken Bauch, den er vor sich her trug. Nie sah Imke ihn mitlaufen. Stattdessen trieb er mit lauten Kommandos seine Spielerinnen über den Platz.

      Es war inzwischen dunkel und nur das Fluchtlicht spendete Helligkeit. Imke wandte sich ab und schlendert zurück zum Ausgang, doch dann vernahm sie Tinas Stimme. Einen Moment überlegte sie, weiterzugehen. Aber in ihr brodelte es wegen Norberts Verhalten gegenüber Hannah. Wenn sie Glück hatte, erwischte sie Tina in einem gutgelaunten Moment und sie könnten sich darüber unterhalten.

      Jäh hielt sie inne, denn Tina stand mit Sabrina, der Tochter von Norbert, zusammen. Sabrina betonte ihre schlanke Figur mit enger moderner Kleidung, ihr Gesicht war geschminkt und die langen blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. In der Hand hielt sie eine Zigarette. Sabrina fuhr öfter mit ihrem Vater zum Training. Ihr Interesse galt aber mehr den Jungen der A-Jugend, die noch eine Stunde parallel mit den Frauen trainierten. Die beiden Mädchen schienen sich angefreundet zu haben, dabei war Tina drei Jahre jünger.

      Die zwei standen auf der Terrasse des Vereinsheims.

      Im Hintergrund erkannte sie Stefan, der ständige Schatten von Sabrina. Er hielt seinen Helm unter dem Arm und lehnte an der Terrassenbrüstung. Stefan war bereits volljährig. Der großgewachsene junge Mann wirkte durchtrainiert. Meistens trug er Lederklamotten, weil er ein Mini-Motorbike fuhr.

      Einige aus ihrer Mannschaft erzählten, dass Stefan für Sabrina schwärmte. Er hatte seine Lehre abgebrochen und verdiente sich sein Geld mit Nebenjobs. Sabrina besuchte dieselbe Schule wie Tina, Tanja und Imke.

      Sabrina zog an der Zigarette und gab sie Tina, die ebenfalls einen Zug inhalierte. »Oh, wenn das meine Ma sehen würde.«

      »Bleib locker. Du bist wie ein Baby, wie deine kleine Freundin.«

      Imkes Herz schlug schneller. War etwa sie gemeint?

      Tina nahm einen weiteren tiefen Zug und fing an zu husten.

      Sabrina lachte laut auf. »Mann, du bist echt noch ein Baby!« Sie griff zu der Zigarette. »Wenn du auf Bens