Denny van Heynen

Mord an Halloween


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Geheimnis und außer Cole wusste bisher niemand davon. Ich hätte es ihm wahrscheinlich auch nicht erzählt, hätte er nicht zufällig meine Truhe mit den Karten im Schlafzimmer entdeckt. Irgendwann hatte er schließlich wissen wollen, wozu sie gut waren und weshalb ich mich manchmal abends zurückzog.

      Nach Dienstschluss war ich meistens zu fertig, um noch irgendetwas tun zu können. Meine gesunde Ernährung vernachlässigte ich etwas und kochte mir Gerichte, die entweder schnell gingen oder einfach waren. Hatte ich darauf einmal keine Lust, bestellte ich mir etwas bei einem Lieferdienst. Früher hatte ich sogar einen eigenen, kleinen Fitnessraum, doch ich fand einfach keine Zeit, um darin mit meinen Sportgeräten zu trainieren. Einige Wochen lang hatte ich mit dem Gedanken gespielt, mich im örtlichen Fitnessstudio anzumelden, doch meine Einsätze waren oftmals zu spontan, als das ich einer Mitgliedsschaft hätte treu bleiben können.

      Ich hatte stattdessen auf meinen Partner gehört, die Sportgeräte verkauft und das Geld zurückgelegt. Als Detective verdienten wir beide ungefähr dasselbe – was nicht gerade wenig war – aber etwas auf der hohen Kante zu haben, konnte nicht schaden. Ein Teil von dem Geld war in die Renovierungsarbeiten des ungenutzten Zimmers geflossen. Ich hatte mir neben einem kleinen Holztisch auch einen bequemen Stuhl gegönnt und mit Cole´s Hilfe die Wände in einem satten Rotton gestrichen. Die Farbe stand für Willenskraft sowie positive Schwingungen und sollte meine Konzentration auf die Karten lenken. An einer Wand hatte ich ein hochwertig verarbeitetes Mahagoni – Regal befestigt, worauf einige meiner Holztruhen standen. Darin verbargen sich meine Orakelkarten und meine Pendel.

      Ich war meinem Freund dankbar, dass er mich dazu überredet hatte, meiner ungewöhnlichen Beschäftigung wenigstens zuhause offen nachzugehen. Mit Cole schien alles so leicht zu sein...

      Kapitel 2: Der Tag vor Halloween

      Wir frühstückten gemeinsam. Neben Mehrkornbrötchen gab es pflanzlichen Aufschnitt und für jeden ein Glas Sojamilch. Ich fand das Beisammensein einfach herrlich, denn wo ich sonst alleine am Tisch saß und in mein Brötchen biss, war nun jemand an meiner Seite, mit dem ich über meine Sorgen (die meist mit einem ungeklärten Fall zu tun hatten) sprechen konnte.

      Einige Sonnenstrahlen drangen durch das Küchenfenster. Auf der Ablage stellte Cole das benutzte Geschirr ab, während ich mich kurz auf die Couch setzte und mir unser gemeinsames Tablet schnappte, um meine Nachrichten zu überprüfen. Ich tauschte mich in verschiedenen Foren aus und legte mittlerweile sogar für andere die Karten. Das geschah allerdings nicht so oft, wie ich es mir gewünscht hätte, da meine Arbeit als Detective natürlich Vorrang hatte.

      Keine neuen Benachrichtigungen, las ich und schaltete das Tablet wieder aus.

      Cole hatte inzwischen gespült, steckte aber noch in seinen Schlafklamotten. Ich sah auf die Uhr.

      „Schatz, wir müssen uns beeilen, sonst gibt’s Ärger von oben“ erinnerte ich ihn leicht gestresst.

      Wenigen Minuten später verließen wir beide in normaler Alltagskleidung das Haus. Als Detectives trugen wir keine berufsspezifische Kleidung – anders als unsere Kollegen, die Police Officer – weil wir die Erfahrung gemacht hatten, dass wir so leichter an Informationen kamen. In der Einfahrt parkten zwei Dienstwagen. Eigentlich benötigten wir nur einen, da wir ohnehin meistens zu zweit unterwegs waren, doch Cole hatte sein Auto behalten wollen, weil wir gelegentlich an unterschiedlichen Orten sein mussten, wo wir beispielsweise Zeugen befragten. Mir war es recht, denn es ging wirklich deutlich schneller, wenn einer von uns beiden im Außendienst war und der andere Berichte schrieb oder auf dem Police Office ein Verhör durchführte. Mit dem Inspector, der unsere Beziehung am Arbeitsplatz tolerierte, hatten wir uns auf diese Vorgehensweise einigen können.

      Schon nach zehn Minuten standen wir vor einem grauen Gebäude. Bevor ich den Motor ausschaltete, küsste ich meinen Partner.

      „Jetzt bist du es aber, der sich beeilen muss“ hauchte der Dunkelblonde, als sich unsere Lippen voneinander lösten.

      Ich lächelte.

      „Wir haben bestimmt noch ein oder zwei Minuten...“

      Kurze Zeit danach gingen wir in das Police Office. Auf unserer Etage befanden sich ein Großraumbüro und verschiedene separate Zimmer. Ein Verhörraum, ein Pausenraum und das Büro unseres Vorgesetzten gehörten ebenfalls dazu.

      „Guten Morgen, Morkride und Mason“ sagte Bale in gewohnt rauem Tonfall.

      „Guten Morgen, Inspector“ antworteten wir im Gleichklang und gingen zu dem älteren Mann.

      Er war Ende fünfzig, trug eine graue Halbglatze und hüllte seine wenigen Pfunde, welche er zu viel hatte, gerne in einen braunen Trenchcoat. Nur selten sahen wir Inspector Bale in seinem zweiten Outfit; einem graugestreiften Hosenanzug. Das war jedoch nicht verwunderlich, weil er für die Ermittlungsarbeit lebte und man ihn so gut wie immer im Dienst antreffen konnte.

      „Morgen ist Halloween, da müssen wir uns wieder auf einiges vorbereiten“ erklärte er.

      Verwüstungen, Sachbeschädigungen und Diebstähle standen an diesem heidnischen Fest auf der Tagesordnung. Meistens machten es sich Räuber zu eigen, dass das Verkaufspersonal mit Beratungen zu Halloween – Kostümen abgelenkt war. Zudem fielen in dieser Jahreszeit Verbrecher mit Masken einfach nicht auf und konnten so unbehelligt in der Menge von Zombies, Skeletten und Hexen untertauchen.

      Seit einigen Jahren gab es verschiedene Mordfälle, welche auf den 31. Oktober fielen. Man konnte dabei an einen Serienmörder denken, doch es waren meist bloß sonderbare Zufälle und Menschen, die wir erst nach langwierigen Ermittlungen als Mörder enttarnen konnten. Offenbar ließ der schaurige Tag in einigen die Bestie zum Vorschein kommen. Zwar machten mein Freund und ich unsere Arbeit gut, doch hin und wieder heizte uns Bale kräftig ein. Das war verständlich, denn er wollte den guten Ruf seiner Dienststelle nicht verlieren und einen Fall immer so schnell wie möglich beenden.

      „Es gibt einfach zu viele Verbrecher da draußen“ war sich der Inspector sicher.

      Er befand sich seit über zwanzig Jahren im Dienst, seine müden braunen Augen hatten bereits viel gesehen. Wahrscheinlich hatte der Mann deshalb seine eigene Art, welche auf Fremde seltsam wirken konnte.

      Wir hatten unsere Kollegen – kurz nachdem wir unsere Gefühle füreinander ausgesprochen hatten – über unsere Beziehung aufgeklärt. Wir mochten einfach keine Geheimnisse und wollten nicht für vermeintliches Getuschel am Arbeitsplatz sorgen.

      „Ich hoffe, es gibt morgen wieder eine Ihrer berühmten Torten, Mr. Morkride“ riss mich Bale aus meinen Gedanken.

      „Natürlich, ich habe bereits alle Zutaten eingekauft und werde sie heute Abend backen“ antwortete Cole lächelnd.

      Er kümmerte sich seit Jahren um das leibliche Wohl der wenigen Angestellten, die über Halloween arbeiten mussten. Weshalb er dies tat, wusste ich nicht und manchmal hatte ich das Gefühl, dass der ein oder andere Mitarbeiter überhaupt nur wegen dieser Torte seinen Dienst an Samhain antrat. Cole hatte am Vortag einige Lebensmittel besorgt, da er wusste, dass die benötigten Zutaten während des heidnischen Festes meist ausverkauft waren. Familien hatten sich schon Tage zuvor auf Halloween eingestellt und veranstalteten dann oft kleinere Feiern für ihre Gäste. Ich war selbst gespannt auf das, was uns dieses Jahr erwarten würde, denn mein Partner hütete neue Kreationen wie seine Augäpfel.

      „Hände auf den Boden und Schnauze halten!“ rief eine verzerrte Stimme.

      Schockiert fuhren wir herum. Vor uns stand eine Gestalt mit einer großen Maschinenpistole in den Händen.

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