Corinna Behrens

Imke und die gestohlenen Trikots


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Trikotsätze, jede Spielerin erhält einen Trainingsanzug und zwei Paar Fußballschuhe. Im August sponsere ich ein Trainingslager. Dieses Jahr fliegen wir nach Stockholm. Wir spielen dort bei einem internationalen Turnier mit. Da muss es doch jeder leidenschaftlichen Fußballerin in den Füßen kribbeln. Gib dir einen Stoß, Imke.«

      Ihre Eltern hatten schweigend zugehört. Ihre Mutter hatte den Arm um sie gelegt. Das hörte sich alles verlockend an, aber sie spielte doch so gerne in ihrem Verein, mit ihren Freundinnen – und sie war begeistert von ihrer Trainerin.

      Sie erinnerte sich noch an ihren ersten Trainingstag. Einige Wochen zuvor war sie mit den Eltern nach Winkelbach gezogen. Am Anfang hatte Imke keinen Kontakt gefunden, denn sie besaß nicht viel Selbstvertrauen. Am liebsten vergrub sie sich zu Hause in ihren Büchern, hörte Musik und träumte vor sich hin. In ihrer neuen Klasse saß sie neben Tina, großgewachsen, voller Tatendrang, redselig und mitreißend. Sie hatte Imke überredet, sie zum Fußballtraining zu begleiten. Tina war die Torhüterin des SV Winkelbach. Zunächst hatte Imke immer eine Ausrede erfunden, doch Tina war hartnäckig geblieben und eines Tages hatte sie sie zum Fußballplatz begleitet. Sie war überrascht, wie viele Mitschülerinnen sie dort traf. Anfangs trainierte Imke gehemmt, doch alle motivierten sie, dabeizubleiben. Es war dann aber die Trainerin, die Imke überzeugte, dass der Fußball und sie zusammengehörten. Hannah hatte sofort gesehen, welches Talent in ihr schlummerte und mit Geduld hatte sie ihr immer mehr Selbstbewusstsein gegeben. In den ersten Spielen hatte Imke sich noch nicht viel zugetraut. Doch bald merkte sie, dass ihre geringe Körpergröße ein Vorteil war, sie bewegte sich flink und trickreich und mit jedem weiteren Spiel stieg ihr Selbstvertrauen. Inzwischen zählte Imke längst zu den Leistungsträgerinnen ihrer Mannschaft. Sie schoss nicht nur entscheidende Tore, sondern bereitete viele Aktionen für ihre Mitspielerinnen vor. Imke war technisch begabt, besaß ein großes Kämpferherz und liebte den Fußball. Außerhalb des Fußballplatzes wurde sie aufgeschlossener und unternahm mehr. Mit Tina verband sie inzwischen eine innige Freundschaft.

      Hannah rief die Spielerinnen zusammen.

      »Ich habe eine tolle Nachricht für euch«, sagte sie lächelnd in die Runde.

      Mit großen Augen sahen die Mädchen ihre Trainerin an. Die Eltern waren nähergetreten.

      Hannah grinste und ihre Spielerinnen wurden ungeduldig.

      »Sag endlich, was los ist!«, rief Tina.

      »Also, eure Eltern, der Vorstand und Fans haben Geld gesammelt«, die Trainerin deutete in Richtung der Kabine, wo Karin, bekleidet mit einem blauschwarzen Trikot, heraustrat, »damit wir einen neuen Satz Trikots kaufen können«, beendete Hannah ihren Satz.

      Einen Moment schien es allen die Sprache verschlagen zu haben. »Juhu«, rief Tina dann, und rannte auf Karin zu. Andere Mädchen folgten ihr, strichen über das Trikot, umarmten ihre Eltern oder die Trainerin und hüpften vor Freude. Alle redeten durcheinander.

      Imke sah mit breitem Grinsen zu Herrn Dormann und seinen zwei Töchtern. Sie unterdrückte das Verlangen, ihnen die Zunge herauszustrecken.

      »Nächste Woche weihen wir die Trikots ein und nehmen uns vor, damit Meister zu werden«, sagte Hanna.

      »Jaaa«, riefen die Winkelbacher Spielerinnen überschwänglich.

      »Können wir nicht alle ein Trikot mit nach Hause nehmen?« Tanja, die Mittelfeldspielerin, sah Hannah mit ihren rehbraunen Augen flehend an.

      Doch Hannah schüttelte lächelnd den Kopf. »Nachher vergesst ihr es zu Hause. Nein, nein! Wir legen sie zurück in den Koffer und verschließen sie in unserer Kammer.«

      Lauter glückliche Mädchen verließen an diesem Tage die Trainingsanlage. Niemand ahnte, dass diese Freude nicht lange anhalten würde.

      Ein gemeiner Diebstahl

      

      Imke, Tina und Tanja radelten am Montagnachmittag zum Training.

      Tanja erzählte ihnen vom Klavierunterricht, den sie zweimal in der Woche bei einer älteren Dame erhielt.

      »Manno, die ist so streng«, stöhnte sie. »Am liebsten möchte ich alles hinschmeißen!«

      »Wie lange klimperst du schon auf den Tasten herum?«, fragte Tina und grinste breit.

      »Das weißt du doch. Zu meinem zehnten Geburtstag haben mir meine Eltern das Klavier plus Unterrichtsstunden geschenkt.«

      »Seit drei Jahren?« Tina blies die Backen auf. »Dann kannst du ja langsam ein Konzert geben!«

      Tanja lachte. »Frag noch einmal in zehn Jahren nach!«

      »Hast du dir das Klavier gewünscht?«, fragte Imke.

      Tanja hob die Schultern. »Weiß ich gar nicht mehr. Ich glaube, das war eher ein Wunsch meiner Eltern. Aber es ist cool, ein Musikinstrument spielen zu können!«

      »E-Gitarre oder Schlagzeug wären cool«, entgegnete Tina. »Klavier ist was für Snobs!«

      »Ach, du spinnst«, winkte Tanja ab. »Klavier ist immer noch besser als deine Computerspiele.« »Ich finde die meisten Games urcool! Mein Vater besorgt mir immer die neusten Spiele.«

      »Spielt ihr auch zusammen?«, fragte Imke.

      Tina schwieg einen Moment. »Früher schon.« Ihre Stimme klang leiser. »Inzwischen bin ich froh, wenn er mal zu Hause ist.«

      »Arbeitet er so viel?« Tanja nahm eine Hand vom Lenkrad und legte sie während des Fahrens auf Tinas Schulter.

      »Ihr wisst ja, dass er IT-Spezialist ist. Früher hat er von seiner Firma aus alles geregelt, aber inzwischen betreut er viele Firmen vor Ort. Er ist dann häufig mehrere Tage unterwegs. Manchmal sogar Wochen!«

      »Puh, das ist hart!« Imke blies die Backen auf. »Dein Vater hat lange nicht mehr bei einem Spiel zugesehen, oder? Dann ist er auch am Wochenende unterwegs?«

      »Ja. Er hat gesagt, dass viele Firmen ihre IT-Probleme gerne am Wochenende lösen wollen.«

      Sie bogen in das Sportplatzgelände ein.

      »Was ist da los?«, fragte Imke. Vor den Umkleidekabinen parkte ein Polizeiwagen.

      Die drei Freundinnen bremsten und stiegen von ihren Fahrrädern ab.

      »Was macht die Polizei hier?« Tina sah ihre Freundinnen erstaunt an.

      »Vielleicht suchen sie dich.« Imke grinste.

      »Na klar. Ich bin eine ganz Gefährliche. Ihr solltet euch vor mir in Acht nehmen.« Tinas Stimme wurde immer tiefer.

      »Hör auf, ich bekomme ja Angst vor dir.« Tanja schüttelte den Kopf, doch dann kicherten alle drei gleichzeitig.

      Sie sperrten ihre Fahrräder ab.

      »Ich möchte echt wissen, was hier los ist«, flüsterte Tanja. »Die sehen alle so bedröppelt aus.«

      »Ja«, wisperte Tina. »Sogar Willi Janssen ist da!«

      »Uff!« Imke blieb stehen. »Warum ist der denn zu unserer Trainingszeit da?«

      Willi Janssen war seit Jahrzehnten der erste Vorsitzende des SV Winkelbachs.

      Tina hob die Schultern. »Sie sehen dauernd in das Gerätehäuschen. Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert!«

      Neben Willi Janssen stand Hannah, die ihre Hände in die Hüfte gestemmt hatte. Zwei uniformierte Polizisten sahen in das Häuschen. Leo Gehrlich, der Platzwart, trat heraus und hob die Schultern.

      »Hannah, was ist passiert?«, fragte Imke.

      Fünf Blicke richteten sich auf die Mädchen.

      »Ach, ihr. Ist es schon so weit? Nun, ja, ähm …«, stammelte die Trainerin.

      Leo kaute energisch auf seinem Kaugummi herum. Willi Janssen räusperte sich einige Male.

      »Tja,