glaubte, ich müßte den Verstand verlieren, wie ich so dastand und ihnen zuhörte,« sagte die Haushälterin, »so unheimlich war es. Anfangs waren sie lustig, und unser gnädiger Herr lachte über alles, was er verspielte. Aber jetzt sind sie ganz still, nur wenn unser Rittmeister einen neuen Acker verloren hat, dann flucht er, und der andere lacht.«
Der alte Kutscher murmelte in sich hinein und las, aber er sprach keine Bibelworte aus. Über seine zitternden Lippen kam nichts anderes als dies: »Kate um Kate, Wald um Wald, Weide um Weide, Acker um Acker.«
»Was hilft es, daß du liesest?«, sagte die Haushälterin. »Wenn du ein ganzer Kerl wärest, so gingest du hinein und brächtest ihn im guten oder bösen dazu, aufzuhören, bevor er noch den ganzen Hof verspielt hat.«
»Ich habe lang genug in diesem Hause gedient, damit ich weiß, wie leicht es ist, einen Silfverbrandt dazu zu bringen, mit etwas aufzuhören, wenn er einmal im Zuge ist. Geradeso gut könnte ich versuchen, die Toten aufzuwecken.«
»Ja, dies müßte auch genug sein, um seine Eltern aus dem Grabe zu wecken,« sagte die Haushälterin.
Der Kutscher schlug das Buch zu. »Das ist das schlimmste an der ganzen Sache, daß er nicht einsieht, daß es nicht angeht, auf diesem Hofe ein solches Leben zu führen. Ich weiß noch, wie oft ich zu seinem seligen Vater sagte: ›Gebt Töreby nicht Herrn Henrik,‹ sagte ich, ›er kann nie ein Herr nach Altvaters Sinn werden. Gebt es seinem Bruder, der ist gesetzt und ernst, und laßt Herrn Henrik einen Hof, der keine solche Verantwortung auferlegt.‹«
»Ja, jetzt fällt Töreby weder an Herrn Henrik noch an Herrn August. Jetzt kommt es an diesen Hauptmann Duwe, bis er es wieder an einen anderen verspielt.«
Der Kutscher erhob sich entschlossen. Er knöpfte seine Jacke zu und nahm den Kienspan aus dem Halter. Man sah deutlich, daß es seine Absicht war, zu gehen und zu versuchen, mit seinem Herrn zu sprechen.
Aber als er den Kienspan hob, hielt er ihn so, daß ein Lichtschein auf die viereckige Öffnung im Boden fiel, durch die er in den Stall hinunter zu klettern pflegte. Und nun sahen beide, der Kutscher wie die Haushälterin, daß auf der Leiter, die durch das Loch hervorragte, ein Heinzelmännchen stand. Es stand auf der obersten Staffel, klein und grau war es und trug Kniehosen und eine graue Jacke mit Silberknöpfen. Es lauschte mit solcher Bestürzung und Verblüffung, daß es aussah, als sei es völlig versteinert.
Kutscher und Haushälterin wandten sofort den Blick ab. Keines von ihnen verriet auch nur durch eine Miene, daß sie das Heinzelmännchen gesehen hatten.
»Ja, nun glaub' ich, ist's das beste, wenn wir alten Leute gehen und uns niederlegen,« sagte der Kutscher in einem Ton, den er unbefangen zu machen suchte. »Du weißt, in diesem Hofe braucht man nachts nicht aufzubleiben, auch wenn ein Unglück zu erwarten wäre. Hier ist jemand, der wacht.«
»Ja, du hast recht. Hier ist einer, der wacht,« sagte die Haushälterin unterwürfig. Ohne ein weiteres Wort nahm sie die Laterne vom Boden aus, kroch durch die Luke hinaus und verschwand über die Bodentreppe.
Als die alte Frau ins Haus zurückkam, war es ihre bestimmte Absicht, sich ungesäumt zur Ruhe zu legen. Denn einerseits wußte sie, daß unnötiges Nachtwachen dasjenige war, was das Heinzelmännchen am wenigsten leiden mochte, andrerseits glaubte sie, daß es die Sache ohnehin in Ordnung bringen würde, nun es wußte, was auf dem Spiele stand. Aber sie hatte noch kaum mehr von sich gelegt als den schweren Schlüsselbund, da überkam sie eine so starke Lust zu erfahren, wie es nun zwischen den Spielenden stand, daß sie sich wieder zur Speisesaaltüre schlich.
Als sie sich bückte und das Auge an das Schlüsselloch legte, sah sie, daß Rittmeister Silfverbrandt und Hauptmann Duwe noch am Spieltisch saßen. Der Rittmeister sah furchtbar müde und matt aus. Der Haushälterin wollte es scheinen, als hätte er sich in der kurzen Spanne Zeit, die sie fortgewesen war, völlig verändert. Er war nunmehr weder schön, noch jung, noch stattlich, sondern gebleicht und verstört, mit Säcken unter den Augen, Runzeln auf der Stirn und tastenden Händen. Duwe war rot im Gesicht, und die Augen standen ihm blutunterlaufen aus dem Kopfe, aber er verbarg alle Erregung unter frohgelauntem Plaudern und unaufhörlichem Lachen.
Die Haushälterin hatte noch keine zwei Minuten an der Speisesaaltüre gelauscht, als Silfverbrandt den Stuhl zurückschob und rief: »Jetzt ist es aus, Duwe. Jetzt habe ich vom ganzen Hof nur mehr die Tanneninsel dort draußen im See übrig. Die mußt du mir lassen, damit es doch noch etwas auf Erden gibt, was ich mein nennen kann.«
Duwe lachte, aber er sah nicht zufrieden drein. »Ewig schade, das Spiel abzubrechen,« sagte er. »Wenn du all das andere gewagt hast, kannst du uns wohl auch um diesen Steinhaufen würfeln lassen.«
Silfverbrandt ging im Zimmer auf und ab. Man sah es ihm wohl an, daß er noch vom Spielteufel besessen war. Er trauerte nicht so sehr, daß er alles verloren hatte, wie daß er nicht weiter spielen konnte.
»Was setzest du gegen die Insel?« fragte er. Duwe bedachte sich einen Augenblick. Die Haushälterin begriff, daß er einen Einsatz ausfindig zu machen suchte, der Silfverbrandt sicher bewegen konnte, weiterzuspielen.
»Ich setze dein Reitpferd,« sagte Duwe.
Silfverbrandt liebte sein Reitpferd über alles auf Erden. Er begann ganz schrecklich zu fluchen. Er fragte Duwe, ob er denn der leibhaftige Böse wäre, da er ihn solchermaßen versuchte.
Die Haushälterin merkte, daß der Rittmeister jedesmal, wenn er auf seiner Wanderung zu einer dunklen Ecke des Zimmers kam, wo Duwe ihn nicht sehen konnte, vor Zorn die Hände ballte.
»Das ärgste ist, daß ich weiß, daß ich dich erschlagen werde, wenn ich dich auf meinem Pferd reiten und auf meinem Hof befehlen sehen werde,« sagte er zu Duwe.
»Kannst du es einem armen Kerl nicht gönnen, wenn er es auf seine alten Tage ein bißchen sorgenfrei hat?« sagte Duwe und lachte. »Du bist ja jung und stark, du findest schon bald anderswo Pferd und Hof.«
Die ganze Zeit, die die Haushälterin da stand, hatte sie sich gewundert, was wohl mit der Türe los sein mochte, die vom Saale in den Flur führte. Einmal ums andere öffnete sie sich ein wenig und schloß sich wieder. Aber jedesmal wenn Silfverbrandt an dieser Tür vorbeiging, war es, als ob eine kleine Hand sich durch den Spalt hineinsteckte und ihm zuwinkte.
Silfverbrandt ging mehrere Male an der Türe vorbei, ohne etwas zu merken, aber plötzlich blieb er stehen und starrte sie an.
»Na, kommst du jetzt?« fragte Duwe.
»Ich bin im Augenblick wieder da,« sagte Silfverbrandt und ging in den Flur hinaus.
Die Haushälterin glitt stumm wie ein Schatten von der Speisesaaltüre fort. Eine Sekunde darauf stand sie in der Vorratskammer, das Gesicht an ein Fensterchen gedrückt, das auf den Flur ging.
Da stand Silfverbrandt über das Heinzelmännchen gebeugt. Altvater hielt eine kleine Laterne in der Hand, und von dort verbreitete sich ein wenig Licht in den dunklen Raum.
»Was gibst du mir, wenn ich es so einrichte, daß du den Hof zurückgewinnst?« fragte der Hausgeist.
»Ich gebe dir, was du willst,« sagte Silfverbrandt.
Das Heinzelmännchen fuhr mit der Hand in die Tasche und zog ein paar Würfel heraus. »Wenn ich dir diese Würfel leihe und du heute nacht mit ihnen spielst, so glaube ich wohl, daß du den Hof zurückgewinnst,« sagte es zu Silfverbrandt.
Silfverbrandt streckte die Hand aus. »Gib her! Gib her!«, sagte er.
»Du bekommst sie nur unter der Bedingung, daß du morgen mit mir um einen Einsatz spielst, den ich selbst bestimme,« sagte das Heinzelmännchen.
Just in diesem Augenblick schrie die arme Eule laut und schaurig. Silfverbrandt sah auf und lauschte.
Die alte Haushälterin merkte, wie die Augen des Heinzelmännchens böse und gehässig zu funkeln begannen. Sie wollte schon die Scheibe einschlagen und ihrem Herrn zurufen, auf seiner Hut zu sein und kein Bündnis mit ihm einzugehen. Aber im selben Augenblick sah der Hausgeist mit einem furchtbaren Blick zu ihr auf. Sie blieb