Friedrich Gerstecker

Friedrich Gerstecker: Reise in die Südsee


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ich ließ ihn laufen und betrat lieber das Fort, um auch das Innere, denn das Äußere schaute eben nicht viel versprechend aus, zu besehen. Im Inneren sah es aber noch viel schlimmer aus wie draußen, und traurig war da der Anblick dieses kleinen Forts, das vor einem Jahr etwa von der Mannschaft eines französischen Kriegsschiffes – ich glaube des „VINCENNES“ – gestürmt und dessen Kanonen vernagelt wurden. Die Ursache war die erhöhte Steuer auf Brandy und sonstige Spirituosen (welche seit der Zeit sämtlich 5 Dollars pro Gallone, die Gallone etwa zu 5 Flaschen, Steuer zahlen).

       Ein französisches Schiff hatte diese Steuer umgehen wollen und geschmuggelt, war aber ertappt und französisches Eigentum dafür konfissiert worden. Das französische Kriegsschiff handelte, indem es die Partei eines Landsmanns nahm, der gegen die Gesetze des Landes gefehlt hatte, in dem er sich befand, und dafür rechtlicherweise bestraft war, vollkommen ungerecht, außerdem betrug es sich gegen eine Macht, die sich ihm gar nicht widersetzen konnte, so ungroßmütig und roh als möglich. Es beabsichtigte sogar die Stadt zu beschießen, wobei Hunderte von Unschuldigen ihr Leben oder doch ihr Eigentum verloren hätten, die Kranken eines amerikanischen Kriegsschiffes befanden sich aber gerade in der Stadt, und der Kapitän desselben wollte auf die Mahnung des Franzosen diese nicht an Bord nehmen, sondern pflanzte seine Flagge vor dem Haus auf, und dieser bombardierte jetzt die Stadt nicht, sondern sandte seine Leute an Land, ließ das Fort stürmen – das, glaube ich, nicht einmal einen Schuss feuerte – und ruinierte nicht allein die Kanonen desselben gänzlich, die noch jetzt alle mit ihren zerbrochenen Lafetten und abgeschlagenen Richtstücken im traurigsten Zustande liegen, sondern „konfissierte“ auch, wie er es nannte (auf festem Lande würde man es stehlen nennen) den Kriegsschoner des Königs Kamehameha, der ihm etwa 15.000 Dollars gekostet haben soll, und machte dem armen Monarchen auf solche Art begreiflich, dass Frankreich ihm keineswegs das Recht zugestände, die von ihm gegebenen Gesetze auch in Kraft zu erhalten.

      Das muss ich übrigens hier noch bemerken, dass diese letzte französische Gewalttat ihren Anlass nicht allein in der Brandysteuer hatte, sondern dass ihr noch ältere „Missverständnisse“ zum Grunde lagen, in denen die Franzosen allerdings das Recht auf ihrer Seite hatten.

      Die Sache genau auseinanderzusetzen, dazu ist hier nicht der Raum; nur folgendes möge der Leser zu allgemeiner Verständigung wissen.

       Die amerikanischen protestantischen Missionare hatten zuerst auf all diesen Inseln die Eingeborenen zum Christentum bekehrt, und sich mit der Verwandlung ihrer Sprache in eine Schriftsprache und der Übersetzung der Bibel wie mancher anderen Bücher in dieselbe viele Mühe gegeben. Als nun später, zu verschiedenen Zeiten, französische Missionare ebenfalls ihren Wohnsitz dort aufschlagen wollten, um den zum Teil noch heidnischen Eingeborenen auch den Segen der katholischen Religion zukommen zu lassen, so stellten sich die protestantischen Geistlichen nicht etwa auf die Hinterfüße gegen die neue, und ihnen so gefährliche Sekte, nein, allen ihren späteren Verteidigungen nach versicherten sie auf das Heiligste, dass sie sich vollkommen neutral verhalten hätten, und der Missionar Bingham schreibt sogar sehr naiv: „Die frommen Brüder damals hätten nur nicht gewusst, ob sie für diese neue geistliche Lehre mit gutem Gewissen von Gott Gedeihen erbitten sollten“ (und nun sage mir noch jemand etwas gegen die Jesuiten) aber sie steckten sich in ihren Privatbesuchen hinter den König, und besonders hinter die Königin, und ließen die Katholiken, die sie mit bedauerndem Achselzucken dem Volke als „christliche Götzenanbeter“ schilderten, wieder aus dem Lande jagen, während die Insulaner, die sich öffentlich zu dieser neuen Lehre bekannt hatten, teils mit Gefängnis, teils mit öffentlichen Arbeiten bestraft wurden.

       Es wird mir wahrhaft nicht einfallen zu erörtern,, welche von beiden Konfessionen, die protestantische oder die katholische, den Vorzug verdiente, und ob die protestantischen Geistlichen wirklich nur zum Besten ihrer „interessanten“ Eingeborenen den katholischen Glauben von den Sandwichsinseln entfernt zu halten wünschten (die sonst so bibelfesten und alles nur mit der Bibel beweisenden und fortwährend Bibelstellen zitierenden Herren schienen ganz die Worte: „Prüfet alles und das Beste behaltet!“ vergessen zu haben) während die Katholiken, hätte ihnen nur das Seelenheil der Insulaner am Herzen gelegen, ebenfalls recht gut wissen mussten, wie konfus diese armen Teufel wurden, wenn man ihnen zu gleicher Zeit zwei ganz verschiedene christliche Religionen anbot. So viel aber ist sicher, es geschah, die Katholiken wurden vertrieben und die Folge davon war, dass Monsieur La Place, Kapitän der französischen Fregatte „ARTEMISE“, mit Gewalt französische Missionare (im Jahr 1839) ans Land setzte, und nach der folgenden Klausel in dem Vertrag, den er dem König unter Androhung von Beschießung der Stadt vorlegte, auch noch 20.000 Dollars als Kaution für das künftige gute Betragen der Inseln mitnahm: „dass der König der Sandwichsinseln den Händen des Kapitäns der „ARTEMISE“ 20.000 Dollars als Bürgschaft gebe, wie sein künftiges Betragen gegen Frankreich sein soll; welche Summe ihm die Regierung zurückzahlen wird, sobald sie zu der Überzeugung gekommen ist, dass der vorliegende Vertrag getreu erfüllt wurde.“

      Die französische Regierung ist übrigens bis jetzt wahrscheinlich noch nicht zu der Überzeugung gelangt; die 20.000 Dollars sind wenigstens noch nicht an die Sandwichsinseln zurückgezahlt worden. Armer Kamehameha, ich fürchte, sie wird sich jetzt sehr schwer überzeugen lassen!

       Auf diese letzte Gewalttat der Franzosen sandte die Regierung der Sandwichsinseln den jungen Prinzen mit einem Begleiter, dem Finanzminister, nach England und Amerika, dort wo möglich Schutz und Genugtuung zu bekommen. England und Amerika haben sich aber nicht, wie es scheint, mit der etwas delikaten und gefährlichen Sache befassen wollen; die Abgesandten kehrten unverrichteter Dinge wieder zurück, und es blieb wie es war.

      Die hohe Steuer auf Spirituosen indessen ist trotz aller französischen Drohungen geblieben, und ward auch dies von den Missionaren bewirkt, was ich glaube, so kann man es ihnen, meiner Meinung nach, nur Dank wissen. Spirituöse Getränke sind gewiss für alle wilden Völker Gift, und die nordamerikanischen Insulaner haben das leider genugsam erfahren. Hier habe ich nicht einen einzigen betrunkenen Eingeborenen gesehen, ja selbst nicht einmal einen betrunkenen Matrosen, obgleich das schon manchmal vorkommen soll. Ganz verboten sind Wein und Spirituosen allerdings nicht, aber die wenigen Trinkhäuser dürfen nicht dicht am Wasser sein, sondern sind weiter oben in der Stadt, und dadurch wird es den landenden Bootsleuten etwas erschwert, sich rasch einen Rausch anzutrinken, und die Gasthäuser, wenn sie nicht ganz besondere – und ich glaube sehr teure – „Lizenz“ dafür haben, dürfen nicht glasweise ausschenken.

       Nach jenem letzten für die Stadt so unglücklichen Besuch der französischen Fregatte, war kein französisches Kriegsschiff mehr eingelaufen; gerade während meiner Anwesenheit auf Oahu kam aber auf einmal die Kanaka-Bevölkerung in die größte Bewegung, und das rasche Hin- und Herlaufen Einzelner wie ihre lebhaften Reden und Gestikulationen kündeten etwas außergewöhnliches an. Es war dies denn auch in der Tat nichts geringeres als ein französisches Kriegsschiff, das sich vor Honolulu zeigte, und da ganz kurz vorher wieder ein französisches Schiff wegen Schmuggelns verbotener Spirituosen bestraft worden war, vermuteten die Kanakas nichts geringeres, als neuen Streit mit den hier allerdings gerade nicht beliebten Franzosen. Hierin hatten sie sich aber getäuscht, es war das Kriegsschiff „LA SERIEUSE“, das sich keineswegs feindselig betrug, so dass die Eigentümer der strohgedeckten Hütten sich wieder beruhigten. Die „SERIEUSE“ lag noch im inneren Hafen, als ich die Inseln wieder verließ.

      Kalifornien hat übrigens gegenwärtig diese Inseln total verwandelt, und die Eingeborenen werden aus einem Erstaunen in das andere förmlich hinein geworfen.

       Die Missionare hatten sie schon im Anfang mit für sie, gar wunderbaren Sachen bekannt gemacht. Die Schmiedekunst besonders war ihnen etwas Neues und Fremdes, Lesen und Schreiben dann, ja die Europäer selber mit ihren Schiffen und Kleidern, Waffen und Gerätschaften. Das sollte aber alles nur der Anfang zu einer noch größeren Entwicklung gewesen sein; Billarde und Kegelbahnen erregten hierauf ihre Bewunderung, die sogar noch, wie sie damals glaubten, zu ihrer höchsten Höhe durch die Errichtung eines Liebhabertheaters gesteigert wurde. Sie ahnten aber nicht, was noch mehr für sie aufbehalten sei, und das Insulanerviertel kam vor kurzer Zeit in förmliche Aufregung, als ein Schwarm wirklicher Kunstreiter, mit weißen, sehr eng anschließenden und sehr schmutzigen Trikots, gemalten Gesichtern und unechten Goldtressen auf erst kurz vorher dort an Ort und Stelle gekauften und