Friedrich Gerstecker

Friedrich Gerstecker: Reise in die Südsee


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gesegelt – und das will sicherlich viel sagen. Es war alles neu und stark und elegant, einzelne alte lederne Taue ausgenommen, von denen der Kapitän, ein Spanier, aus einer gewissen heimatlichen Anhänglichkeit sich nicht trennen wollte, obgleich sie bei jeder nur möglichen Gelegenheit, und wo sich ihnen nur die geringste Entschuldigung bot, von selber rissen. Das waren die Taue an dem sein Herz hing.

      Mitpassagiere hatte ich keinen, außer den Supercargo des Schiffes, einen alten Schweizer, einen Gentleman im wahren Sinne des Wortes, der mit der „JANE REMORINO“ nach Manila ging, dort eine Ladung Zucker einzunehmen und wieder zurück nach San Francisco zu kehren. Leider starb er später in Kalifornien an einem Schlaganfall. – Der Kapitän selber war in Gibraltar geboren, sprach nur sehr gebrochen Englisch und am liebsten spanisch oder portugiesisch. – Herr Landerer sprach sehr gut spanisch aber kein Englisch und so arbeitete ich auch die Zeit unserer Unterhaltung gewöhnlich im Spanischen herum.

       Unser Tisch war übrigens – besonders auf von Kalifornien abgehenden Schiffen etwas ungemein Seltenes – wahrhaft ausgezeichnet. Der Kapitän hatte eine förmliche Unmasse eingesetzter und gelegter Sachen, Gemüse, Früchte etc., von Italien und Spanien und Frankreich mit an Bord, vortreffliche Weine dabei, Medoc, Port und Rheinwein, kurz es wäre wirklich jammerschade gewesen, hätte das so vortrefflich eingerichtete und verproviantierte Schiff dicht vor dem Hafen von San Francisco in jener Nacht zu Grunde gehen müssen.

      Der Kapitän, ein kleiner lockenköpfiger, etwas hagerer und im Ganzen sehr ruhiger, gelegentlich aber auch wieder einmal sehr lebendiger Mann, von circa vierzig Jahren, hieß ebenfalls Remorino wie das Schiff, das nach einer Schwester von ihm, von seinem eigenen Vater so benannt worden, und hatte noch seinen jüngeren Bruder an Bord, der eigentlich Steuermann sein sollte, aber erst seine zweite Reise machte, und noch wenig von der See oder Seefahrt überhaupt verstand. Zwischen den beiden Brüdern herrschte übrigens ein ewiger Krieg, der sogar einige Male in Tätlichkeiten ausartete.

       Die wunderlichste Figur, außer diesen beiden, war aber jedenfalls der andere „Offizier“ an Bord, von dem ich, so lange ich auf der „JANE REMORINO“ war, nie habe ausfinden können, ob er erster oder zweiter Steuermann, oder nur Bootsmann gewesen sei. Der Kapitän nannte ihn Steuermann, sein Bruder Bootsmann und der Steward vom Schiff – d. h. nur hinter seinem Rücken, bribon und caracho und Gott weiß was sonst noch für Namen. Er war ein Italiener, ich glaube von Genua, und seine halbe Zeit betrunken, obgleich ihm aller „Grog“ entzogen worden, und wenn er seine Wut nicht an den Brüdern auslassen durfte, prügelte er den Steward, von dem er eine unbestimmte Ahnung hatte, was dieser von ihm hielt, und ärgerte die Matrosen, denen er dabei zu gleicher Zeit die entsetzlichsten halb italienischen halb englischen Flüche an den Hals schleuderte, bis seine Herrschaft körperlich wie geistig eines schönen Tages zu Grunde ging.

       Er war nämlich, da ihm in Wirklichkeit jeder gesetzmäßige Schnaps entzogen worden, heimlicher Weise in den Raum hinabgestiegen und hatte sich dort, vermittelst eines Bohrers und Federkiels einen solchen kapitalen Rausch angetrunken, dass er nachher kaum damit wieder an Deck kommen konnte, sich dann oben in den Backbordgangweg mit dem Kopf auf dem Schanddeckel hinzulegen. Natürlich gab das später zu einer furchtbaren Scene Veranlassung und Geogio wäre jedenfalls bös weggekommen, hätte ihn seine eigene Natur nicht noch schlimmer gestraft. Die vielen scharfen Spirituosen, die er förmlich in sich hineingegossen, griffen ihm in die Eingeweide, und er wurde so krank und stöhnte und ächzte die Zeit so entsetzlich, dass wir ein paar Tage wirklich glaubten, er würde gar nicht mit dem Leben davon kommen. Seine gesunde Natur erholte sich aber doch endlich wieder, und der Kapitän beschloss, ihn in den Sandwichsinseln angekommen, fortzuschicken und einen anderen zu mieten, da er aber dort später keinen anderen bekommen konnte; musste er ihn richtig mit weiter nach Manila nehmen.

      Merkwürdig war aber die Weise in der der junge Steuermann diesen Vorfall, mit einem Streit den Geogio ebenfalls mit dem Steward gehabt, in seinem „Log,“ das, als auf einem englischen Schiffe unter englischer Flagge auch englisch geführt werden musste, eintrug – ich schrieb es mir damals ab, und gebe es hier dem Leser nur des merkwürdigen Eindrucks wegen, den dies gebrochene Englisch jedes Mal auf mich machte – ich wurde und werde es bis auf den heutigen Tag noch, förmlich schwindelig, wenn ich die Zeilen nur einfach überlas. Doch sie mögen am besten für sich selber sprechen.

      The B'mann Geogio makes question with the Steward when this was busy in taking out plates of the Deck sterm table whay he called the stward for to carry watter from buckets to a barrel and the saylors said for many times tat he want do for to carry the crew out; the steward said tat saw him in the sterich robing Brandy from a cask and proof tat it was so, when he sleep in the windlass as a drokker.

       Der Steward war ein junger Bursche von Mauritius glaub' ich, ein gewandter Gesell, der französisch und spanisch gleich gut und fließend sprach.

      Der Kapitän selber war ein guter Katholik – seine Lieblingsheiligen hingen in der Kajüte sowohl als in seiner Koje, aber außerdem hatte er noch eine besondere Zuneigung zu der Figur, welche auf seiner Gallion, ganz vorn am Schiff, gewissermaßen als Sinnbild des ganzen Fahrzeugs stand, und übrigens ausgezeichnet gearbeitet war. Sie stellte ein junges Weib oder Mädchen vor, genau in Lebensgröße, das Gewand in goldenen Falten bis auf die Füße herunterfallend, Gesicht und Hände in natürlicher Farbe und große Glasaugen klug und lebendig vorausschauend. Vorn am Bug, wenn man darunter hin ruderte, machte die Figur einen ganz eigentümlichen Eindruck, und ich bin noch bis auf den heutigen Tag fest davon überzeugt der Kapitän schrieb dem Bilde mehr als selbst natürliche Kräfte zu, wie er denn auch steif und fest dem Schiff ein eignes selbstbewusstes Denken zuteilte, das sich besonders darin äußerte die Leute zu kennen, die am Steuer standen, und bald sein Gefallen durch ruhiges stetes Gehen, bald sein Missfallen durch Anspringen gegen die See und andere kleine Unarten auszudrücken.

       Er war aber in jeder anderen Ansicht ein vortrefflicher Kapitän, und diese kleine Schwäche, die zugleich eine bedeutende Liebe für sein Fahrzeug selber anzeigte, hab' ich ihm gern vergeben.

      Die Matrosen waren meist Engländer und Irländer, aufgelesen in San Francisco wie sie zu bekommen gewesen waren, für 40 Dollars den Monat, und das in Betracht gezogen eine so gute Mannschaft, wie sich unter dergleichen Umständen erwarten ließ. Unser wackeres Fahrzeug segelte dabei vortrefflich, und wir passierten mehrmals andere Fahrzeuge bei vollkommen günstigem Wind, ohne ein einziges Leesegel auf zu haben, während die anderen Schiffe jeden nur möglichen Lappen von Leinwand gesetzt hatten, erreichten auch Honolulu, trotz dem dass wir die Nacht draußen vor der Bai vor Anker gelegen, zwei Tage eher als vier andere mit uns zu gleicher Zeit ausgelaufene Fahrzeuge.

      Doch ich will mein Tagebuch wieder aufnehmen, denn wir nähern uns den Inseln, und der Leser hat ja jetzt ungefähr eine Idee von der Schiffsmannschaft der „JANE REMORINO“, die übrigens dennoch zu wenig interessant ist, die Südseeinseln deshalb zu vernachlässigen.

       Die Nord-West- und Nord-Nord-West-Passate herrschen nicht die ganze Strecke bis zu den Inseln vor. Je weiter wir deshalb südwestlich steuerten, desto mehr ging der Wind über Norden herum nach Osten, und vom 4. Dezember an hatten wir Ost zu Süd und Ost-Süd-Ost-Wind.

      Sonntag den 8. Dezember. Wind vortrefflich – ging heute wieder nach Ost zu Nord herum, und wir halten jetzt Süd-West, gerade auf die größte der Sandwichsinseln zu; die wir heute hoffentlich nach einer Fahrt von 16 Tagen in Sicht bekommen werden.

      Das Wetter ist herrlich, der Thermometer steht morgens halb 11 Uhr in der ziemlich kühlen Kajüte auf 22° Réaumur oder 79° Fahrenheit etwa. Die Reise selbst ist in dieser Jahreszeit etwas monoton, da man in und auf der See fast gar nichts von Fischen oder anderen Seetieren zu sehen bekommt. Fliegende Fische haben sich einige seit dem 25° nördlicher Breite gezeigt, aber auch nicht viele. Die Walfische (Wale sind keine Fische, sondern Säugetiere) haben sich in dieser Jahreszeit ebenfalls hier fortgezogen, also auch mit ihnen die Walfischfänger, und selten ist's dass einmal ein Segel am fernen Horizont sichtbar wird. Selbst der Kapitän hatte Langeweile, der doch gewiss daran gewöhnt ist sich mit nichts zu beschäftigen, und schikanierte seinen Hund; aber das Land konnte nicht weit sein, und dann kam wieder Leben in die schon fast erschlaffte Existenz.

       Unter den Südseeinseln hatte ich mir bis in letzter Zeit übrigens einen Ort gedacht,