Cornelia Reiwald

Die Seidenstraße – gestern - heute - morgen


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Front und sein Leben riskierend.

      Es ging 1916 um die Einflusszonen und Kontrolle oder Teilung des Ottomanischen Reiches zwischen den Briten und Frankreich, das vom Russischen Reich akzeptiert wurde. Das Abkommen teilte das Ottomanische Reich in französische und britische Zonen. Israel, Palästina, Jordanien, Südirak, Haifa und Acre gingen an die Briten. Südost-Türkei, Nord-Irak und Syrien sowie Libanon gingen an die Franzosen. Russland erhielt West-Armenien, Konstantinopel, Italien Süd-Anatolien. Ein kleiner Teil Palästinas fiel unter internationale Administration.

      Die Araber hofften, dass die Briten ihnen die versprochene Heimat zugestehen würden, im Austausch für deren Beistand im Krieg gegen die Türken. Die Briten hatten den Kuchen aber schon verteilt, die Araber wurden vergessen und die Türken jubelten, weil die Kurden damit keinen eigenen Staat erhielten. Diese komplexe Situation hat sich zu einem modernen globalen Terrorkrieg entwickelt.

      Danach arbeitete Lawrence für das Auslandsministerium, die Royal Air Force, schrieb Bücher und kam 1935 bei einem Motorradunfall um Leben. Er war 46. Sein Ziel, ein freies Arabien, nicht erreicht zu haben, bedrückte ihn zutiefst.

      Die Vermischung von Buch, Tatsachen und britischen Dokumenten ist verführerisch. Lawrence of Arabia geht als mutiger Kriegsheld daraus hervor. Lawrence war ein Denker, Philosoph, Rebell und Krieger. Churchill beschrieb ihn als eines der größten Wesen unserer Zeit: »Ich fürchte, was auch immer wir brauchen, so wie er wird keiner sein.«

      WINTERREISE

      Es war eine Winterreise: Südostasien, von Ost nach West, China, Schanghai, Xian nach Italien, Venedig, Rom. Ich kenne und liebe Schanghai und Venedig. Was dazwischen liegt, suchte ich auf der Karte. Exotische Namen in 40 Ländern, die neugierig machen. 8.897 km oder weit mehr mit Abstechern in alle Richtungen. Man kann im Zug, auf dem Schiff oder im Flugzeug, per Bus, Auto oder Rad oder per pedes seine Ziele erreichen. Kamele, Pferde und Maulesel stehen für kurze Distanzen zur Verfügung und werden ausgetauscht. Man kann eilig oder langsam reisen, jeder hat seine eigenen Vorstellungen. Eine Reise für Neugierige, die sich gerne überraschen lassen und das Staunen nicht verlernt haben. Eine Reise für Aussteiger, Mutige, die etwas anderes suchen, die Unzufriedenheit in Humor wandeln können. Die sich nicht in Politik, von der sie nichts verstehen, einmischen und nie versuchen, Menschen eines Besseren zu belehren.

      Sechs Monate Balkanländer, Ex-Sowjetunion, Belarus, die Stan-Länder, Zentral- und Vorderasien, Osteuropa, Westeuropa, Eurasia mit Abstechern nach Vorderasien, Russland und dem Mittleren Osten. Es gibt viele Wege von Osten nach Westen, ein ganzes Netzwerk, auf dem seit Tausenden Jahren gehandelt, getauscht, verkauft wird. Vom Sklaven zu Chinas Seide, von der die ganze Welt träumte. Von Hard- zu Software.

      Eine Reise ohne präzisen Plan, vielen Stopovers in alle Richtungen, mit viel Zeit und einem Ziel: Go west or East. Ohne Guides, dafür Spürnase, den Einwohnern zuhörend und ähnlich den Reisenden vor Tausenden Jahren den Handel im Kopf. Eine kleine Gruppe von wilden Reportern, die schreiben, filmen, YouTuber, TikToker, Filmer, Fotografen, Erzähler. Keine Crews. Keine Gruppenreise. Meist allein unterwegs, weil jeder seine eigenen Ideen realisieren und diese nicht teilen will. Man reist allein anders als zu zweit. Man wird angesprochen und ich höre gerne zu, was Menschen fernab erzählen. Singen. Kochen. Tun. Sind. Wünschen. Leben. Handel. – Politik von fremden Ländern versteht man nicht, Geschichte aber schon. Man reist als Diplomat.

      Der Begleiter hieß COVID, er hatte sich still verbreitet und niemand wusste davon.

      1000 MILLIARDEN FÜR EINEN WEG

      Es ist Zeit, dass wir die Welt auf den Kopf stellen. China zementiert nicht seine Vormacht, aber hatte die Idee der Neuen Seidenstraße. Chinas Investitionen ziehen weitere Ideen an. Es handelt sich nicht um ein Fantasieprojekt; China und alle Beteiligten haben eine präzise Blaupause, die zum Erfolg führen soll. Chinesen sind ein Geschenk des Himmels, hörte ich immer wieder. Henry Kissinger sagte es richtig: »Kritiker kennen und verstehen die Kultur Chinas nicht.«

      Beim mehr als eine Trillion teuren Seidenstraße-Projekt von Anfang an mit dabei zu sein, bedeutet Mitspracherecht und Verständnis. Große und auch kleine Firmen sind dabei. Viele Firmennamen kennt man nicht, selbst die Großen bleiben still. Aus einer Idee wurde Realität, die in viele Richtungen still wächst und Erfolg und Verlust verspricht. Wie im Leben. Verlierer gewinnen an Erfahrungen. Die Seidenstraße nach Tausenden von Jahren wieder zu beleben ist ein Abenteuer, an dem jeder teilnehmen kann. Kritiker, Vorsichtige, Enthusiasten. Umweltschützer, Financiers, Demokraten, Sozialisten, Aufbauer und Zerstörer. Investieren vor gewinnen, riskieren, abwarten, arbeiten. Westliche Modelle anpassen und nicht kopieren. Kommunizieren.

      Gewinner gibt es schon heute viele, sie reden nicht davon. Die Seidenstraße ist ein Unternehmen in die Zukunft. Verlierer fangen neu an. Die Seidenstraße ist ein Projekt für big and small Business, für die, die daran glauben und überzeugt sind, dass sie gewinnen werden, wie Dschingis, Alexander oder Attila. Mutige Investoren, die daran glauben, dass die Welt neuen Input braucht.

      Kein Weg der Welt verbindet so viele Länder und Völker, so viel Geschichte, so viel Unbekanntes, Spannendes und Faszinierendes. So viel, was wir nicht kennen. Drei Viertel der Welt. So viel Zukunft.

      ATTILA

      Outsider, gefürchteter Bogenschütze, Schwertwerfer, Schildhalter, Krieger, Reiter. Barbar, intelligent und freundlich, wenn es ihm passte. In der Mongolei 400 v. Chr. zu Pferd geboren, auf dem Pferd lebend, ohne stabile Armee mit ihm untergebenen Hunnen, Alemannen, Burgundern, Ostrogoten, Skythen oder Xiongnu und allen Nomaden, die sich ihm entlang der Seidenstraße anschlossen kämpfend. Sein Leben war erobern, überleben, gewinnen. Von Westrom bis und mit China.

      Beutelust oder Nahrung? Er zerstörte, was ihm im Weg stand, tötete, hinterließ Steine und Knochen. Seine neue Reiterkampftechnik brachte den Feind außer Kontrolle, diese spielte bis ins 5. Jahrhundert eine bedeutende Rolle.

      Attila attackierte unerwartet und verschwand nach gewonnener Schlacht mit der Beute. Er schlug die Goten, die Gallier, Italiener, Griechen. Er jagte die Germanen nach Westrom, wo sie zu dessen Untergang beitrugen. Hunnen und Visigoten schlugen die Römer 378 n. Chr., bis keiner von ihnen mehr aufstand, und plünderten Westrom. China vertrieb Attilas Todesreiter, als sie über die große Mauer klettern wollten, und beschreibt sie als Dämonen. Die Mongolen schafften die Mauer ein Jahrtausend später.

      Die Hunnen fielen 375 in Europa ein und wurden zu den gefürchtetsten Feinden. Attilas persönlicher Umgang mit seiner Armee stand in großem Kontrast zu den Römern, die dieses Reich nicht zusammenhalten konnten.

      Attila kam aus einer Familie, die ihm und seinem Bruder Bleda Lateinisch und Griechisch, die Kriegskunst, den Umgang mit Pferden und hohen Besuchern beigebracht hatte. Aus welchem Nomadenstamm er kam, ist unbekannt. Kräftige Statur, eher klein, großer Kopf, kleine Augen, flache Nase, braun gebrannt und Bart. Nie ansässig, immer unterwegs, in chinesischer Seiden-Jurte seine Nächte verbringend, die Seidenstraße nach Westen erkämpfend, heimatlos die Welt erobernd. Seine Armee rekrutierte er aus Männern vieler ethnischen Gruppen und machte sich zum Herrscher aller Hunnen. Sie zogen mit Familien, Tieren und Zelten durch die Steppe; bei Angriffen blieben diese zurück. Später etablierte sich Attila zwischen den Feldzügen in einem Holzhaus in Ungarn. Er hatte den Reichtum der Seidenstraße bis Rom erobert. Der Mythos vom ungewaschenen Mann ist falsch und wenn er selten fürstlich Gäste empfing, trank er Wasser aus einem Holzbecher und aß wenig.

      Seine Soldaten trugen schwer eingefettete Lederuniformen gegen den Regen, Stahleinlagen schützten vor Pfeilen und Schwertwerfern. Die eingefetteten Lederstiefel waren weich, eben zum Reiten, zum Gehen ungeeignet – man lebte auf dem Pferd.

      Sein Vater, König Rugila, starb während des Anschlags auf Konstantinopel. Attila wurde König mit seinem Bruder und einer gigantischen Armee, die Ostrom immer wieder für deren Schutz vor Angreifern in gutem Gold bezahlte. Attila brach den Vertrag mehrmals freundschaftlich. Es ließ seinen Bruder ermorden, um die ganze Macht an sich zu reißen, weil er nur so sein Ziel erreichen konnte. Attila und seine Vandalen waren Roms gefürchtetste und unberechenbarste Feinde. Seine Reiternomaden