ob ich das kann, stammelte sie und wurde sehr rot. Ich habe so wenig Beobachtungsgabe; es ist besser, ich rufe eins der Mädchen. Sie war schon fort, ehe wir Zeit hatten, Einspruch zu erheben.
Hm, brummte Gryce nachdenklich, während er eine Vase vom Eckbrett nahm und hineinschaute.
Ich enthielt mich jeder Aeußerung.
Frau Daniels kam mit einem Stubenmädchen von einnehmendem Aeußern zurück.
Hier ist Fanny, sagte sie, die Ihnen die gewünschte Auskunft über Emilie geben kann. Ich habe ihr mitgeteilt, fuhr sie mit großer Ruhe fort, Herrn Gryce einen bedeutsamen Blick zuwerfend, daß Sie Ihre Nichte suchen, die sich vor einiger Zeit heimlich von Ihrer Familie entfernt hat, um irgendwo in Dienst zu treten.
Ganz richtig, versetzte Gryce, den Blick auf das Tellertuch gerichtet, welches Fanny in der Hand hielt. Dann wiederholte er die Frage, welche er schon an die Haushälterin gerichtet hatte.
Das Mädchen erwiderte ohne Zögern: Sie war schon hübsch, aber nicht jedem gefällt ein Gesicht, das so weiß aussah wie dies Tuch, ehe ich die Löffel damit abgetrocknet hatte. Ihr Haar war das schwärzeste, das mir je vorgekommen ist, und ihre Augen waren noch dunkler. Sie war sehr mager und überhaupt, was ihre Figur betrifft – Fanny warf einen vielsagenden Blick auf ihre eigene üppige Gestalt und zuckte die Achseln.
Trifft diese Beschreibung zu, Frau Daniels? erkundigte sich Gryce, dabei das Häubchen auf Fannys Kopf mit großer Aufmerksamkeit betrachtend.
So ziemlich, erwiderte jene in leisem Ton. Dann fügte sie plötzlich mit großer Entschiedenheit hinzu: Stark war Emilie allerdings nicht, sondern sehr schlank. Ich habe gesehen – Sie brach schnell ab und winkte Fanny, sich zu entfernen.
Noch einen Augenblick, bat Gryce freundlich. Sie sagen, das Mädchen hatte dunkle Augen – dunkler als die Ihrigen?
Jawohl, Herr, versetzte Fanny und zupfte verschämt an den Bändern ihres Häubchens.
Darf ich Ihr Haar sehen?
Sie nahm das Häubchen lächelnd ab.
Hübsch, sehr hübsch. Und die übrigen Dienerinnen – Sie haben noch andere, nicht wahr?
Noch zwei, versetzte Frau Daniels.
Und alle mit helleren Augen als Emilie?
Ja, ungefähr von derselben Farbe wie die Fannys.
Jetzt entließ Gryce das Mädchen; ich sah, er war mit dem Ergebnis seiner Erkundigungen zufrieden.
Wir schickten uns eben an, in den Hof hinunterzugehen, als sich die Tür eines Vorderzimmers öffnete und Herr Blake heraustrat. Er war im Straßenanzug und trug den Hut in der Hand; ich erkannte ihn auf den ersten Blick. Ueberrascht und schweigend standen wir da, und Frau Daniels ward rot bis zu den Schläfen.
Herr Blake ist Junggeselle und eine vornehme, stolze, zurückhaltende, etwas düstere Erscheinung. Als er auf uns zukam, fiel gerade ein Lichtstrahl durch das Fenster zu unserer Rechten voll auf sein Gesicht; er schien ganz in trübe Gedanken versunken.
Unwillkürlich schrak ich zurück in dem Gefühl, daß wir ohne Befugnis hier eingedrungen seien; Gryce dagegen trat einen Schritt näher.
Herr Blake, wenn ich nicht irre, sagte er, sich höflich verbeugend.
Der Angeredete fuhr wie aus einem Traum erwachend auf, bemerkte Gryces verbindliches Lächeln und erwiderte seinen Gruß, jedoch zerstreut und mit stolzer Miene.
Erlauben Sie, daß ich Ihnen meinen Namen nenne, fuhr mein Vorgesetzter fort. Detektiv Gryce. Heute wurde bei uns auf dem Bureau Anzeige gemacht, daß ein Mädchen, welches in Ihren Diensten stand, letzte Nacht auf seltsame Art aus dem Hause verschwunden ist; ich bin mit meinem Kollegen gekommen, um zu untersuchen, ob genauere Nachforschungen angestellt werden müssen. Entschuldigen Sie gütigst unser Eindringen; ich stelle mich ganz zu Ihrer Verfügung.
Offenbar war die Störung Herrn Blake sehr lästig; sein Blick fiel auf Frau Daniels.
Legen Sie der Sache wirklich eine solche Wichtigkeit bei? fragte er.
Sie nickte bloß; es mochte ihr wohl schwer sein, Worte zu finden.
Er sah sie noch immer zweifelnd an. Mir scheint doch, daß es kaum nötig war, gleich die äußersten Maßregeln zu ergreifen; das Mädchen wird sicherlich wiederkommen und wenn nicht – er zuckte die Achseln und zog seine Handschuhe aus der Tasche.
Das Bedenklichste ist nur, meinte Gryce, unverwandt auf die Handschuhe blickend, daß das Mädchen nicht allein fortgegangen ist, sondern, entweder freiwillig oder gezwungen, in Begleitung von Leuten, die zuvor in Ihr Haus eingebrochen waren.
Was ist allerdings seltsam, bemerkte Herr Blake, scheinbar ohne besonderes Interesse. Wenn, was Sie sagen, erwiesen ist, bedürste es wohl einiger Aufklärung. Ich wünsche nicht den Gerichten beim Schutz der Verfolgten hinderlich zu sein. Indessen – er zuckte abermals mit gleichgültiger Miene die Achseln.
Frau Daniels bebte an allen Gliedern; sie tat einen Schritt vorwärts, als wollte sie reden, zog sich dann jedoch zögernd und unentschlossen wieder zurück.
Gryce schien das nicht zu bemerken.
Wollen Sie vielleicht das Zimmer des Mädchens mit mir besichtigen? fragte er. Ich glaube Ihnen dort beweisen zu können, daß nicht übergroßer Eifer und Vorwitz uns hergeführt hat.
Das gebe ich Ihnen gern zu, ohne mich erst durch den Augenschein zu überzeugen, entgegnete der Herr des Hauses nicht ohne Gereiztheit. Wenn jedoch irgend etwas besonders Auffälliges vorliegt, will ich mich Ihren Wünschen gern fügen. In welchem Teil des Hauses befindet sich jenes Zimmer, Frau Daniels?
Es ist – ich habe ihr das Hinterzimmer im dritten Stock gegeben, erwiderte die alte Frau, ihn ängstlich betrachtend. Es ist hell und geräumig genug zum Nähen, und sie war so nett, daß –
Herr Blake hatte inzwischen die Handschuhe angezogen und winkte ihr ungeduldig zu, ihn mit derartigen Einzelheiten zu verschonen. Sein Verlangen, daß sie vorangehen und ihnen den Weg zeigen sollte, schien sie mit neuer Furcht und Unruhe zu erfüllen.
Ich glaube, Sie brauchen Herrn Blake nicht hinaufzubemühen, wandte sie sich an Gryce. Wenn er erfährt, daß der Vorhang zerrissen war, der Stuhl umgeworfen, das Fenster geöffnet und –
Aber Gryce war schon auf der Treppe, von Herrn Blake geleitet, den ihr schwächlicher Widerstand sofort zu einem Entschluß gebracht zu haben schien.
Großer Gott, murmelte sie vor sich hin, wer hätte das ahnen können! – In ihrer Aufregung meine Gegenwart völlig übersehend, eilte sie an mir vorbei nach dem oberen Zimmer, wohin ich ihr schleunig folgte.
Drittes Kapitel.
Als ich eintrat, stand Herr Blake mitten im Zimmer, den Hut noch immer in der Hand, und sah gleichgültig auf Gryce, der ihm mit unermüdlichem Eifer alle einzelnen Punkte auseinandersetzte, die uns aufgefallen waren. Frau Daniels beobachtete seine ehrfurchtgebietende Gestalt von dem Winkel aus, in den sie sich zurückgezogen hatte, mit scheuen Blicken.
Man hat sie gewaltsam fortgeführt, wie Sie sehen, rief Gryce, ihr nicht einmal Zeit gelassen, ihre Kleider mitzunehmen. Er beugte sich rasch nieder und zog vor den Blicken seines zerstreuten Zuhörers eine Kommodeschublade auf.
Ein unterdrückter Schreckensruf traf unser Ohr, und Frau Daniels eilte herzu.
Bitte, meine Herren, flehte sie und stellte sich vor der Kommode auf, das Oeffnen der Schubladen zu verhindern, bedenken Sie, dies sind die Kleidungsstücke eines sittsamen Mädchens, welches erröten würde, sie vor fremden Augen enthüllt zu sehen.
Gryce schob die Schublade sofort wieder zu.
Sie haben recht, sagte er; entschuldigen Sie das rauhe Wesen eines etwas verhärteten Polizeibeamten.
Sie trat noch näher an die Kommode heran, sie mit ihrer hagern Gestalt deckend und schützend. Ihre Blicke streiften