Gerstäcker Friedrich

Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.


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ich kenne ihn selber nicht recht, ein Herr Hobelmaus, oder Hobelmann, glaub' ich -"

      „Herr Hobelmann?" brummte der Hauptmann, „die alte Steuerräthin schwärmt ja von einem liebenswürdigen Grafen mit dem sie getanzt haben will."

      „Ein Graf?" sagte der Regierungsrath. „Dann müßte ich das in der Eile des Vorstellens überhört haben."

      „Und was für ein confiscirtes Gesicht der Kerl hat!" fuhr der Hauptmann fort, indem er dem Tanzenden mit den Augen folgte, „und wie er die kurzen Beine schleppt. Wenn das ein Graf ist, fress' ich ihn bei lebendigem Leibe" - und verächtlich die Lippen emporwerfend, drehte sich der Hauptmann ab und ging mit diesem kannibalischen Vorsatz nach der andern Seite des Saales hinüber.

      Dort suchte Franz eben einen Zwist zwischen Herrn Hobelmann und dem jungen Doctor Helmerdiek zu schlichten. Denn der Arzt hatte sich an's Ohr Hobelmann's gedrängt und flüsterte dem Advocaten zu: „Herr, Sie sind ein unverschämter Mensch, wenn Sie sich mit Damen solche Scherze erlauben können. Wenn Sie Ehrgefühl im Leibe haben, so stehen Sie mir Rede."

      Franz deutete dem Advocaten an, daß er es mit einem schwer Kranken zu thun habe, und faßte den gereizten Doctor ohne Weiteres unter den Arm, um ihn mit Gewalt in ein benachbartes Cabinet zu ziehen.

      „Was fällt Ihnen denn ein, lieber Kamerad," sagte er hier, „mit dem alten Herrn da Streit anzufangen? Was hatten Sie nur ihm?"

      „Ich? gar nichts-“, sagte Helmerdiek, etwas verlegen, „aber er verlangte von Ihrer Cousine, Fräulein Franziska - "

      „Nun? - was denn?" und der junge Kettenbrock horchte gespannt auf.

      „Es ist zu unsinnig,“ rief Helmerdiek, etwas verlegen, „und man könnte wahrhaftig darüber lachen, wenn es die junge Dame nicht gar zu sehr in Verlegenheit gebracht hätte.“

      „Aber was um Gottes willen verlangte er denn nur?“

      „Eine Prise.“ /50/

      „Aber, bester Helmerdiek, das ist ja viel zu komisch, um sich darüber zu ärgern."

      „Ich sage Ihnen, Kettenbrock, das ist ein ganz grober, ungeschliffener Mensch. Sehen Sie nur, jetzt hat er da drüben auch schon Streit mit der Steuerräthin bekommen."

      Franz antwortete nicht, denn er gewahrte mit einem Blick, daß seine Gegenwart an der bezeichneten Stelle dringend nöthig sei. Ohne einen Moment Zeit zu verlieren, eilte er auf den wieder in irgend eine Klemme gerathenen Hobelmann zu, nahm ihn, während ihm die Frau Steuerräthin entrüstet und verächtlich den Rücken wandte, unter den Arm und führte ihn ein wenig aus dem Weg.

      „Aber was um Gottes willen haben Sie denn nun schon wieder angefangen?" sagte er dabei leise; „ich hatte Sie doch so dringend gewarnt, mit den Leuten vorsichtig umzugehen."

      „Diesmal war ich allerdings schuld," sagte Herr Hobelmann etwas bestürzt. „Ich glaube wenigstens, ich habe ein Versehen begangen. Jene ungarische Gräfin kam auf mich zu, von der Sie mir sagten, daß sie mit einem Steuerrath durchgegangen sei. In Gedanken verwechselte ich aber den Steuerrath mit dem Grafen, und um doch etwas zu sagen, machte ich einige Andeutungen auf die Liebschaft mit einem Grafen, was sie entsetzlich übel zu nehmen schien. Sie kamen gerade zur rechten Zeit dazu."

      „Aber, bester Herr Hobelmann," sagte Franz, der mit aller Gewalt an sich halten mußte, sein Lachen zu verbeißen, „das hätte sehr unglücklich ablaufen können."

      „Allerdings," erwiderte der Advocat und warf einen verstohlenen Blick über seine Schulter. - „Vorhin nahm mir auch schon eins der männlichen Individuen etwas übel - derartige Leute sind ja entsetzlich reizbar. Sie kamen zum Glück dazwischen. Aber wer war der junge, ganz elegant gekleidete Mann? Und was ist er?"

      „Der? Das ist, wie ich Ihnen schon andeutete, einer unserer unbändigsten Kranken, wenn er einmal losbricht," erwiderte Franz, während Herr Hobelmann auf Helmerdiek zeigte. „Sie werden auch bemerken, daß sich zwei der sogenannten Bedienten stets in seiner Nähe befinden. Halten Sie sich lieber entfernt von ihm."

      „Er steht mich noch fortwährend finster an," sagte Herr Hobelmann, den das beunruhigte.

      „Es fällt gar nicht so selten vor," meinte Kettenbrock, „daß ein solcher Patient gegen irgend ein ihm ausstoßendes fremdes Gesicht plötzlich einen Widerwillen zeigt, und geschieht das, so müssen wir solche, ihren kranken Geist erregende Elemente allerdings sogleich entfernen. Im vorigen Jahr stürzte sich ein ähnlicher Kranker trotz aller Aufsicht auf einen Fremden, der ihm nicht das Mindeste zu Leide gethan, und ehe wir zu Hülfe springen konnten, hatte er ihm die Halsader durchgebissen."

      „Es ist entsetzlich!" sagte Herr Hobelmann und fing an, sich nicht mehr recht geheuer zu fühlen.

      „Franz - auf ein Wort," zürnte in diesem Augenblick die Frau Steuerräthin, die gerade wieder vorüberrauschte - „ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen."

      „Ich stehe im Moment zu Diensten'" versetzte der junge Mann.

      „Wissen Sie was, mein bester Doctor," bemerkte Herr Hobelmann - „ich denke, ich werde mich jetzt lieber wieder entfernen. Ich habe Ihre Zeit eigentlich schon zu lange in Anspruch genommen, und es wird spät."

      „Mein bester Herr Hobelmann, es war mir eine große Freude, Ihnen gefällig gewesen zu sein, aber - wenn Sie nicht länger bleiben wollen - das Souper muß übrigens gleich beginnen."

      „Ich danke Ihnen sehr. Apropos - Sie entschuldigen jedenfalls die Frage - ist hier - ist hier vielleicht irgend Jemand von den Leuten, dem man ein Trinkgeld -"

      „Das ist nicht nöthig," sagte Franz, dessen muthwilliger Blick gerade aus den unfern der Thür stehenden Hauptmann fiel, „wenn Sie aber Jemandem eine Kleinigkeit geben wollen, so ist das der Krankenwärter dort, der da drüben an der Thür steht."

      „Ah, der Mann mit dem großen Schnurrbart?"

      „Derselbe." /52/

      „Ich bin Ihnen verbunden. Wie aber werde ich mich jetzt am besten nach Hause finden? Droschken sind doch jetzt nicht mehr zu finden."

      „Nein, aber ich habe dafür gesorgt. Der Diener dort in der Scharlachweste wird Sie begleiten, damit Sie nicht irre gehen."

      „Ah, nur bis auf den Markt, dann finde ich meinen Weg schon allein."

      „So wie Sie in die Ihnen bekannte Gegend kommen, können Sie ihn zurückschicken."

      „Und Ihrem Herrn Onkel, dem Herrn Obermedicinalrath, bitte ich mich bestens zu empfehlen. Er wird jetzt beschäftigt sein, und ich möchte ihn nicht stören."

      „Ich werde es übernehmen, mein werther Herr Hobelmann. Bitte, gehen Sie nach dieser Seite herüber; da drüben kommt der junge Kranke wieder, der, wie es scheint, die Idiosynkrasie wider Sie hat, und ich möchte daher nicht gern, daß Sie ihm begegneten."

      „Wünsche einen recht angenehmen Abend," sagte Herr Hobelmann rasch, der Anordnung aus das Bereitwilligste Folge leistend, und von dem Bedienten - dem Kutscher des Regierungsrathes, den Franz schon vorher genau instruirt hatte - begleitet, arbeitete sich der Advocat, sehr zum Erstaunen der Gäste, äußerst rücksichtslos auf den Hauptmann zu. Er war ja im Begriff fortzugehen und dicht an der Treppe, was brauchte er also mit den „Verrückten", für die er doch die ganze Gesellschaft hielt, noch viel Umstände zu machen.

      Mit einigem Erstaunen sah ihn Hauptmann von Stimbeck so gerade auf sich zukommen. Sollte der Fremde etwa eine oder die andere der Bemerkungen gehört haben, die er vorher ziemlich laut über ihn gemacht? - Was that's denn? Er mochte ihn zur Rede stellen, desto besser - an kurzer, derber Antwort sollt' es nicht fehlen. Herr Hobelmann kam näher. Jetzt war er nur noch zwei Schritt entfernt - er bog weder rechts noch links aus - jetzt noch einen - der Hauptmann maß ihn trotzig mit den Augen - jetzt streckte er den Arm aus, und Hauptmann von Stimbeck fühlte, wie ihm etwas /53/ Papiernes in die Hand gedrückt wurde. - War das die Karte seines vermeintlichen Gegners? - und das „confiscirte Gesicht" nickte dazu so gnädig. Im nächsten Augenblick war Hobelmann durch die Thür verschwunden, während Stimbeck