Harley Barker

Love and Crime


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die man sich nur vorstellen kann.

      Und trotzdem zieht dieser Wagen meine Aufmerksamkeit auf sich. Er steht im Schatten einer der vielen Bäume. Doch er ist hier so auffällig, dass das auch nichts bringt.

      Ich bin so sehr auf ihn konzentriert, dass ich erschrocken zusammenzucke, als eine laute Stimme hinter mir ertönt. Ruckartig drehe ich mich auf der Stelle um und schaue die Person mit weit geöffneten Augen an, die mir da gegenüber steht.

      „Was ist denn mit dir los? Du bist doch sonst nicht so schreckhaft“, stellt Katie fest, als sie mich aufmerksam betrachtet.

      Katie ist meine älteste Freundin in den USA. Mittlerweile kennen wir uns schon seit Jahren und ich bin froh darüber, dass wir uns über den Weg gelaufen sind. Sie hat mir hier einiges einfacher gemacht.

      „Ich war gerade nur in Gedanken“, erwidere ich und zucke mit den Schultern.

      Sie sieht mich noch so an, als würde sie mir kein Wort glauben. Ich mache mich sogar darauf gefasst, dass sie weiter nachfragt. Doch zu meiner Überraschung macht sie das nicht. Stattdessen kommt sie näher und lässt sich auf die Bettkante sinken, wobei sie ihre Tasche neben sich auf den Boden stellt und ihr Rock von rechts nach links schwingt.

      „Und? Wie war dein Flug? Sind dir heiße Typen begegnet?“

      „Langweilig und nein“, antworte ich nur. Gleichzeitig gehe ich zu meinem Koffer und werfe ihn aufs Bett, um ihn zu öffnen.

      „Du willst doch jetzt nicht wirklich anfangen, den auszupacken, oder?“ Ihre Stimme klingt beinahe entsetzt. Und auch ihr Gesichtsausdruck passt dazu.

      „Ja, eigentlich hatte ich das vor.“

      „Vergiss es“, bestimmt sie und schüttelt energisch den Kopf. „Dafür wirst du noch genug Zeit haben, schließlich wohnst du jetzt hier. Nun werden wir aber an den Strand fahren, dort essen und Spaß haben.“ Sie greift mit der einen Hand nach meiner Tasche und mit der anderen nach meinem Handgelenk. Ich habe nicht einmal die Chance, ein Argument vorzubringen, so schnell ist sie.

      Auf der anderen Seite will ich das aber auch gar nicht. Insgeheim bin ich froh darüber, dass ich nicht hier drin sitzen muss. In den nächsten Tagen werde ich genug zu tun haben, sodass ich wahrscheinlich nicht sehr viel Zeit mit meiner Freundin verbringen kann. In den ersten Tagen habe ich noch einige Dinge zu erledigen. Deswegen lasse ich mich von ihr hinter sich herziehen, bis wir ihren Wagen erreicht haben.

      Ein letztes Mal begutachte ich noch einmal den schwarzen Geländewagen, der noch immer da steht. Ich kann nichts gegen das unbehagliche Gefühl unternehmen, was sich in mir breit macht. Und normalerweise kann ich mich immer darauf verlassen. Deswegen rufe ich mir wieder in Erinnerung, dass hier nie etwas passiert. Deswegen hat mein Dad auch ein Haus in dieser Gegend ausgesucht. Schließlich hat er auf der Arbeit schon genug mit Verbrechen zu tun.

      „Hast du schon Vorstellungsgespräche vereinbart?“, fragt Katie mich, als wir uns eine halbe Stunde später einen freien Tisch in der Strandbar gesucht haben.

      „Drei Stück. Es sind völlig unterschiedliche Salons, sodass ich mich nicht wirklich darauf vorbereiten kann. Aber im Endeffekt wird es eh nur darum gehen, wie gut ich mit Haaren umgehen kann.“

      „Das wird eh überbewertet. Ich bin der Meinung, dass man das antworten sollte, was einem als Erstes in den Kopf kommt. Ehrlichkeit und so. So habe ich auch meinen Job in dem Restaurant bekommen.“

      Nachdenklich schaue ich sie an. Ich bin ehrlich, wenn ich sage, dass ich noch nie so genau darüber nachgedacht habe. Eigentlich bin ich auch derjenige, der es lieber auf sich zukommen lässt. In dem speziellen Fall habe ich aber versucht mich wenigstens ein wenig vorzubereiten. Heißt also, dass ich mich wenigstens über die Geschäfte ein wenig schlau gemacht habe. Es ist gut zu hören, dass meine Freundin anscheinend der gleichen Meinung ist, wie ich auch.

      Ich will gerade den Mund öffnen, als ich auf die Straße schaue. Und was ich dort entdecke, überrascht mich. Der Geländewagen, den ich schon vor dem Haus meiner Eltern gesehen habe, steht auf der anderen Straßenseite, nur ein paar Meter entfernt. Mir ist bewusst, dass es mehrere davon gibt, schließlich ist es ein schönes Auto, und es dementsprechend nichts zu bedeuten hat. Auf der anderen Seite bin ich mir sicher, dass es der gleiche Wagen ist.

      „Ich bin gleich wieder da“, erkläre ich und stehe gleichzeitig auf. Ich lasse den Wagen nicht aus den Augen. Ich habe keine Ahnung, wer sich auf der anderen Seite der Fenster befindet, doch ich habe vor, es herauszufinden. Und wenn es nur darum geht, meine aufgebrachten Nerven zu beruhigen.

      „Wo willst du hin?“ Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Katie mich irritiert ansieht. Doch die Erklärung muss warten.

      Mit schnellen Schritten nähere ich mich ihm. Ich lasse nicht den kleinsten Zweifel daran, wohin ich will. Doch kaum komme ich in seine Nähe, wird der Motor schlagartig gestartet und der tiefe Ton des Auspuffs dröhnt in meinen Ohren. Er verschwindet mit durchdrehenden Reifen, so schnell, dass es nicht lange dauert, bis er aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.

      Ich hingegen bleibe mitten auf der Straße stehen und schaue ihm nach. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Vorhin habe ich mir noch eingeredet, dass es ein Zufall ist. Nun bin ich mir da aber nicht mehr so sicher.

      Verwirrt schaue ich ihm nach, auch als ich ihn schon längst nicht mehr sehe.

      „Kannst du mir mal verraten, wer das war?“ Katie taucht neben mir auf und schaut ebenfalls in die Richtung, in die der Wagen verschwunden ist. Sie konzentriert sich auf mich.

      „Ich habe keine Ahnung“, flüstere ich so leise, dass ich meine eigenen Worte kaum verstehen kann. Innerlich versuche ich mir noch immer einzureden, dass es ein blöder Zufall ist. Doch ich finde es schon merkwürdig, dass er einfach verschwunden ist. Und das ist ein Grund, den ich als Bestätigung für mein merkwürdiges Gefühl nehme. Schließlich würde das wohl kaum ein normaler Mensch machen.

      Aber ich wünsche mir, dass ich mich getäuscht habe. Ich weiß nicht, an was mein Dad da genau arbeitet. Aber ich kann mir denken, dass die letzten Sekunden wahrscheinlich kein gutes Zeichen waren, wenn es wirklich mit ihm zu tun hat.

       Ja, die meisten würden jetzt wahrscheinlich Panik bekommen. Bei mir ist es anders. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Ich bin neugierig, wer es war.

      3

      Am nächsten Nachmittag sitze ich im Schneidersitz auf meinem Bett und betrachte den Inhalt des Schrankes, den ich vorhin angefangen habe einzuräumen. Noch immer liegen ein paar der Klamotten auf dem Boden verteilt. In den letzten Tagen war ich so sehr darauf konzentriert, mich wenigstens einigermaßen auf die Gespräche vorzubereiten, dass ich mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht habe, was ich anziehen soll. Das erste Gespräch ist bereits heute und danach direkt das Grillfest. Ich brauche also etwas, was ich zu beiden Terminen tragen kann, da ich nicht absehen kann, ob ich mich vorher noch umziehen kann.

      Seufzend stehe ich auf und gehe noch einmal, zum gefühlt hunderten Mal, alles durch, was infrage kommen würde. Egal, ob es ein Rock und eine Bluse, oder ein Hosenanzug ist. Doch auch jetzt habe ich keine Eingebung, was das richtige Outfit ist. Außerdem wandert mein Kopf immer wieder zum Fenster und ich schaue hinaus. Ich will kontrollieren, ob der Wagen wieder da steht, wo er sich gestern befunden hat. Doch soweit ich das beurteilen kann ist er bis jetzt noch nicht wieder aufgetaucht.

       Oder er befindet sich an einer Stelle, die ich von hier aus nicht im Blick habe.

      „Mein Rat an dich: Zieh dir bequeme Klamotten an. Als Friseurin geht es nicht darum, dass du den ganzen Tag in so engen Klamotten da stehst, in denen du kaum atmen kannst. Und auch nicht darum, die höchsten Schuhe an den Füßen zu haben, nur um einen Kopf größer zu sein“, ertönt die Stimme von Monica hinter mir. „Sondern darum, dass zu tragen, was zwar gut aussieht, aber in dem man sich wohlfühlt.“ Mit vor der Brust verschränkten Armen steht sie in der Tür und lächelt mich an.

      „Das Problem ist nur, dass ich mich in allen Sachen wohlfühle“, gebe ich zurück.