Karl-Heinz Biermann

Wo ist Faro?


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selbst gesehen, wie es bei dem Geglitzer der Laser da drinnen im Halbdunklen zugeht, da erkennt man doch kaum jemanden.“

      Kommissar Brandt starrte in die Dunkelheit, die nur von der Reklamebeleuchtung des Clubs und der nächsten Straßenlaterne erhellt wurde. Das Lasergewitter drinnen im Club noch in seinen Augen, hatte er Mühe, seine Blicke der Umgebung anzupassen. Der uralte Mercedes, den er als einen sogenannten Strich-Acht ausmachte, fiel ihm aber sofort auf, als sich seine Augen an die Schwärze der Nacht gewöhnt hatten.

      „Als Sie Faro in das Taxi setzten – war das hier vorn oder gibt es noch einen Hinterausgang?“

      „Es war direkt hier vor dem Eingang, da ungefähr, wo jetzt das Taxi steht.“ Der Manager zeigte auf den alten Mercedes.

      „Sie meinen dieses Auto dort?“ Auch der Kommissar deutete hinüber auf den Strich-Acht.

      „Genauso ein Taxi war es, genauso. Vielleicht ist es sogar dasselbe wie damals. Gehen Sie doch mal der Sache nach, Kommissar. Der Fahrer sitzt bestimmt hinter dem Steuer und pennt, wartet auf potentielle Fahrgäste, die nachher aus dem Club strömen.“ Der Manager schien sich geradezu zu ereifern.

      „Sind Sie sicher, dass es ein Taxi ist?“

      „Das sehen Sie doch.“

      „Dann schauen wir mal nach. Kommen Sie“, forderte der Kommissar ihn auf, „kommen Sie ruhig mit.“

      Sie gingen die paar Schritte bis an den Mercedes. „Also Sie behaupten, es sei ein Taxi. Sehen Sie eine entsprechende Beschilderung auf dem Dach? Ich sehe keine“, feixte Kommissar Brandt.

      Der Manager ging an die Fahrertür des Mercedes, schaute ins Innere, auch nach hinten zu den Rücksitzen. „Dann hat er die Beschilderung abgebaut“, war seine Erkenntnis. „Auf jeden Fall ist es dasselbe Auto.“

      „Dasselbe oder das gleiche?“ Kommissar Brandt nahm einen Finger an die Stirn. „Dass es kein Taxi, sondern ein Privatfahrzeug ist, kommt Ihnen nicht in den Sinn?“

      „Wieso?“

      „Die Farbe, guter Mann, die Farbe des Autos. Auch wenn es recht dunkel ist, kann ich immer noch erkennen, dass sie blau ist, ein schönes, sattes, metallenes Blau.“ Der Kommissar ging näher an das Blech des Autos heran, besah sich den Lack. „Irgendwann erneuert, nicht die Originalfarbe.“ Er schaute auf. „Wissen Sie, wie alt so ein Mercedes ist?“, richtete er süffisant seine Frage an den Manager.

      „Wahrscheinlich alt.“

      „Wahrscheinlich alt? Wahrscheinlich sehr alt. Das ist ein Mercedes Strich-Acht. Von denen gibt’s nicht mehr viele.“ Jetzt sah der Kommissar gebückt in das Wageninnere. „Und Sie wollen Faro in so einen rein-gesetzt haben?“

      „Ja, genau in so ein ... einen Mercedes.“

      Kommissar Brandt richtete sich auf. „Mit Autos scheinen Sie sich aber nicht gut auszukennen. Haben Sie ihn wirklich persönlich in den Wagen gesetzt?“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Genauso wie ich es frage. Sie haben mir bei unserer ersten Begegnung gesagt, dass Sie ihn persönlich in das Taxi gesetzt hatten.“

      „Was heißt persönlich …“ Der Manager druckste herum. „Ich bin mit ihm … ich meine, ich habe genau gesehen, wie er in das Taxi eingestiegen ist.“

      „Wo waren Sie da? Direkt hier am Auto?“

      „Wenn ich genau überlege … hatte ich an der Tür gestanden.“ Der Manager wies zurück zum Eingang des Clubs.

      „Da, wo wir eben standen? Das sind aber einige

      Meter von da aus bis hierher“, konstatierte Kommissar Brandt. „Waren Sie eigentlich bei der Bundeswehr?“, fragte er dann, nachdem er wieder einmal in das

      Wageninnere geschaut hatte.

      „Nein. Warum fragen Sie das?“

      „Schon gut. Ich dachte an Ihre Augen, vielleicht sind Sie nachtblind. Beim Bund werden solche Leute abgelehnt.“

      „Na hören Sie mal!“, empörte sich der Manager.

      „Was soll’s“, entgegnete der Kommissar. Immerhin habe ich jetzt dank seines Augenfehlers einen Anhaltspunkt, dachte er. Und mit dem hier fang ich gleich mal an, zog einen Notizblock aus der Tasche und schrieb das Kennzeichen des alten Mercedes auf.

      5

      Obwohl Kommissar Brandt am Vorabend den Club in der Kieler Altstadt aufgesucht hatte und erst spät nach Hause zurückgekehrt war, betrat er am nächsten Morgen pünktlich zum Dienstbeginn sein Büro im Kieler Polizeipräsidium in der Gartenstraße. Kaum dass er an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, tönte das Telefon. Sein Chef bat ihn am anderen Ende der Leitung umgehend in den Besprechungsraum.

      Dort sah er einige Kollegen versammelt, allesamt jünger als er und bis auf einen in niederen Dienst-graden. Der Dezernatsleiter ergriff sofort das Wort. „Hier“, zeigt er auf eine Karte an der Wand hinter sich, „wurde heute früh eine nackte Frauenleiche gefunden.“

      Kommissar Brandt war etwas verblüfft, dass sein Vorgesetzter auf eine Stelle am Nord-Ostsee-Kanal nah bei der Schleuse Holtenau wies.

      „In der Gegend, in der das Handy des verschwundenen Rockstars zuletzt geortet wurde“, ergänzte der Dezernatsleiter, als hätte er die Überraschung seines Hauptkommissars gespürt.

      „Heute früh?“, bemerkte dieser immer noch erstaunt. „Wer war denn vor Ort?“

      „Die Kollegen Wiesenknecht und Wagner.“ Der Dezernatsleiter zeigte auf die beiden Beamten, die nicht mit am Tisch saßen, sondern an einem Fenstersims lehnten. Kommissar Brandt befand, dass sie sich dort quasi lümmelten.

      „Ich nehme an, man hat die Leiche schon in die Rechtsmedizin verbracht. Spurensicherung?“ Seine Frage schickte er in die Richtung der beiden jüngeren Kollegen.

      Bevor sie antworten konnten, fuhr der Dezernats-leiter fort: „Bis vorhin noch erfolgt. Ergebnisse kommen heute im Lauf des Tages. Ich möchte, dass du“, er zeigte auf ihn, „an leitender Stelle die Ermittlungen übernimmst. Die Kollegen Wiesenknecht und Wagner werden dir zuarbeiten.“

      Was das bedeutete, nahm Kommissar Brandt so hin, dass er sich wieder mal allein durch den Fall zu wühlen hatte. Na bitte, dachte er. Aber dann fiel ihm die Sache des verschwundenen Faros ein. „Was ist mit dem Fall des Rockmusikers?“, warf er in die Runde, blickte dann zu seinem Chef. „Ich würde ihn jetzt zu diesem Zeitpunkt ungern aufgeben.“

      „Aber du wolltest dich doch zuerst gar nicht so sehr da reinhängen.“ Der Dezernatsleiter bemerkte wohl seinen Ausrutscher, mit dem sich sein Hauptkommissar in Anwesenheit der übrigen Beamten brüskiert fühlen konnte. „Dafür hast du jetzt einen richtigen Mordfall“, folgte seine beschwichtigende Erklärung.

      „Und ich habe möglicherweise im Fall des verschwundenen Faro eine Spur“, entgegnete der Kommissar gewichtig. Sein geringschätziger Blick streifte die beiden Kollegen, die am Fenstersims lehnten.

      „Eine Spur? Tatsächlich!?“, fuhr sein Chef auf. „Wie relevant?“

      „Nun, ich habe eine Möglichkeit an das Taxi heranzukommen, mit dem dieser Rockmusiker zum Schiff gebracht werden sollte. Wenn es überhaupt ein Taxi gewesen ist.“ Kommissar Brandt hob beide Hände, signalisierte so, dass er mehr dazu nicht sagen wollte.

      „Interessant“, befand der Dezernatsleiter. „Darüber will ich später mehr erfahren.“

      „Ich würde mir aber trotzdem gern den Fundort der toten Frau anschauen. Dagegen ist doch nichts einzuwenden, oder?“

      „Kann nicht schaden. Aber nimm die Kollegen mit.“ Der Dezernatsleiter wies auf die Beamten Wiesenknecht und Wagner.

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