Rudolf Cronau

Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutsches Leben in Amerika - Teil 2


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die sich dazu unterschrieben haben, vor jetzt nicht über 50. Nichtsdestoweniger habe ich auf meiner Seiten nicht ermangeln wollen, damit einen Anfang zu machen, der Hoffnung lebend, dass sich noch mehrere einfinden werden, selbiges zu befördern, sonsten ich mich genöthigt sehen würde, bald wieder damit aufzuhören.“

      Da diese Ermunterung ohne Wirkung blieb, so stellte Franklin den Druck der „Philadelphischen Zeitung“ wieder ein. Die geringe Teilnahme der deutschen Bevölkerung an diesem Unternehmen erklärt sich dadurch, dass Franklin wiederholt Äußerungen getan hatte, aus denen starke Abneigung gegen alles Deutsche hervorleuchtete.

      Dem scharfen Blick Christoph Saurs entging es nicht, dass er sich eine lohnende Existenz gründen könne, wenn er in Germantown eine Druckerei eröffne und bei der Vervielfältigung der von seinen Landsleuten verfassten Schriften gotische Lettern verwende, die aus alter Gewohnheit von den Deutschen bevorzugt wurden. Wie richtig er rechnete, beweist die Tatsache, dass fortan fast alle Werke der deutschen Sektierer in und um Germantown bei ihm verlegt wurden.

      Die Frage, ob Saur auch die ersten deutschen Lettern nach Amerika brachte, ist noch offen. Die Ansicht Seidenstickers, dies sei der Fall gewesen, wurde neuerdings durch den Fund eines im Besitz des Herrn Julius Sachse in Philadelphia befindlichen, mit gotischen Lettern gedruckten Büchleins hinfällig, das die Jahreszahl 1728 trägt.

      Seidensticker erwähnt in einem für den „Deutschen Pionier“ geschriebenen Aufsatz über „Deutsch-amerikanische Inkunabeln“ mehrere Überlieferungen, wie es in Germantown zur Einrichtung einer deutschen Druckerei gekommen sei. Nach einer derselben hätten die aus Westfalen stammenden Tunker eine Druckerpresse nebst Lettern von ihren in der Heimat zurückgebliebenen Glaubensgenossen zugeschickt erhalten. Einer anderen Überlieferung zufolge habe der Tunker Jacob Gaus Presse und Lettern mitgebracht, um für die deutschen Sekten in Pennsylvanien religiöse Schriften zu drucken. Da er dazu nicht geschickt genug gewesen sei, habe er den Apparat müßig stehen lassen, der später von Christoph Saur erworben worden wäre.

      Unzweifelhaft nahm die deutsche Druckerei in Nordamerika erst mit Saur ihren Aufschwung. Er ergriff den neuen Beruf mit förmlicher Begeisterung, überzeugt, durch die Gründung einer deutschen Druckerei ein gottgefälliges Werk zu verrichten. So schrieb er in einem vom 17. November 1738 datierten Brief:

       „Womit finde ich Worte, den guten Gott zu loben? Ich bin ihm hoch verpflichtet! Mein Alles sey zu seinem Dienst und Verherrlichung seines Namens! Dieses war in Schwachheit meine Begierde und Verlangen vor das viele Gute, so mir die Zeit meines Hierseyns und meines gantzen Lebens wiederfahren. Darum habe ich auch gewünschet, eine deutsche Druckerei im Lande mir anzulegen, die mir ... gekauft und hierher befördert. Nun könnte man kein bequemer Vehiculum finden, solches durchs ganze Land bekannt zu machen, als zuerst einen Calender zu drucken.“

      Dieser Kalender erschien unter dem Titel:

       Der Hoch-Deutsch Amerikanische Calender auf das Jahr nach der gnadenreichen Geburt unseres Herrn und Heylands Jesu Christi 1739.

      Er enthielt neben den üblichen Mitteilungen allerhand nützliche Belehrungen über Pflanzenkunde, Gesundheits- und Krankheitspflege, Geschichte, Länder- und Völkerkunde und dergleichen mehr. Dem Kalender folgte noch im selben Jahre ein von den Klosterbrüdern zu Ephrata zusammengestelltes, 792 Seiten umfassendes Gesangbuch. Dasselbe war „allen in der Wüsten girrenden und einsamen Turteltäublein“ gewidmet und trug den wunderlichen Titel: „Zionitischer Weyrauchs-Hügel oder Myrrhen-berg, worinnen allerley liebliches und wohlriechendes, nach Apotheker-Kunst zubereitetes Rauch-Werk zu finden.“

      Es bezeugt gewiss den Wagemut Saurs, dass er, nachdem dieses Werk kaum fertig war, schon zur Herausgabe einer deutschen Zeitung schritt. Dieselbe erschien am 20. August 1739, hatte vier doppelspaltige Seiten von 13 Zoll Höhe und 9 Zoll Breite und trug den Titel: „Der Hoch-Deutsch Pennsylvanische Geschichtsschreiber oder Sammlung wichtiger Nachrichten aus dem Natur- und Kirchenreich.“

      Dieser Erstling der deutsch-amerikanischen Zeitungspresse sollte dem ursprünglichen Plan des Herausgebers zufolge viermal im Jahre erscheinen. Die Zeitung schlug aber gleich mit ihrer ersten Nummer so gut ein, dass Saur sich entschloss, sie jeden Monat erscheinen zu lassen. Im Jahre 1748 konnte sie bereits halbmonatlich erscheinen. Drei Jahre später belief sich die Auflage bereits auf 4.000 Exemplare, die über das ganze östliche Pennsylvanien Verbreitung fanden.

      Es bedarf kaum der Erwähnung, dass Saur seine Zeitung nicht nur druckte, sondern auch selbst zusammenstellte. Er befleißigte sich dabei der größten Gewissenhaftigkeit. Nichts war ihm so peinlich, als wenn in seine Zeitung Nachrichten hineingerieten, die sich später als falsch erwiesen.

       Für die Uneigennützigkeit Saurs im Verkehr mit seinen Abnehmern zeugt die Tatsache, dass er, obwohl dieselben statt der ursprünglich angekündigten vier Nummern jährlich zwölf erhielten, den Subskriptionspreis von 3 Schillingen (40 Cents) unverändert beibehielt. Daran wurde auch nicht gerüttelt, als später das Blatt halbmonatlich und endlich als „Germantowner Zeitung“ wöchentlich herauskam. Als Grund hierfür gab Saur die Erklärung, dass den größeren Auslagen für Zusammenstellen, Druck und Papier auch größere Einnahmen aus den Anzeigen gegenüberständen und dass ein ehrlicher Mann sich nicht doppelt bezahlt machen dürfe.

      Im Jahre 1742 schritt Saur zu dem in Anbetracht damaliger Verhältnisse erstaunlichen Unternehmen, eine deutsche Bibel zu drucken, wozu er neue Typen aus Frankfurt a. M. bestellte. Bereits im Sommer 1743 konnte der 1272 Seiten starke Quartband den Subskribenten ausgeliefert werden, wobei Saur das Exemplar um zwei Schillinge billiger als den ursprünglich auf 14 Schillinge festgesetzten Preis abgab. „Für Arme und Bedürftige“, so kündigte er in seiner Zeitung an, „ist kein Preis“.

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      Titelblatt der ersten mit deutschen Lettern in Amerika gedruckten Zeitung.

       Für die Geschichte der Buchdruckerkunst in Amerika ist die Saursche Bibel insofern von besonderer Wichtigkeit, als sie die erste in europäischer Sprache auf der westlichen Erdhälfte hervorgebrachte Bibel ist. Ihr ging nur eine im Jahre 1663 in der Sprache der Massachusettsindianer gedruckte Bibel voraus, welche von dem Missionär Eliot hergestellt war. Eine englische Bibelausgabe erschien in Amerika erst 40 Jahre nach der deutschen.

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      Titelblatt der ersten in Amerika gedruckten deutschen Bibel.

      In den Jahren 1763 und 1776 veranstalteten die Söhne Saurs noch zwei Neuauflagen der Bibel. Der Gesamtverlag umfasste, bevor im Revolutionskrieg schweres Unglück über die Saursche Familie hereinbrach, 150 Werke des verschiedensten Inhalts. Saurs Druckerei befand sich in einem höchst bescheidenen Hintergebäude seines in Germantown gelegenen Wohnhauses. Leider mussten beide Gebäude in der Mitte des vorigen Jahrhunderts einem Neubau weichen. Dem eifrigen Betreiben des wackern Druckers Christoph Saur ist die Errichtung der Germantown Academy zu danken, die im Jahre 1761 eröffnet wurde und noch heute besteht. Ihr Lehrpersonal bestand zunächst aus einem deutschen und einem englischen Lehrer, sowie einem Hilfslehrer.

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      Christoph Saurs Wohnhaus und Druckerei

      Dass im Jahre 1690 in Germantown auch die erste Papierfabrik in Amerika errichtet wurde, möge nebenbei bemerkt sein.

       So knüpfen sich an den Namen Germantown mancherlei Vorgänge, die nicht bloß für die Geschichte des Deutschtums in Amerika, sondern überhaupt für die Kulturgeschichte der Neuen Welt von hervorragender Bedeutung sind. Kein Historiker, der es unternehmen wollte, die kulturelle Entwicklung Amerikas, insbesondere der großen transatlantischen Republik, zu schildern, dürfte versäumen, Germantowns und seiner Gründer zu gedenken.

      Germantown blieb nicht die einzige Mennonitenniederlassung der Neuen Welt. Durch den Erfolg ihrer Glaubensgenossen angeregt, kamen bald andere Mennoniten aus Deutschland, England und der Schweiz. Besonders stark war ihr Zuzug während der Jahre 1709, 1717 und 1726. Ihr Hauptsitz wurde der pennsylvanische Kreis Lancaster,