verräterischen Mord und dem Soldatenaufruhr unterliegen mussten. Die grossen Generale, aus welchen ihre Umgebung bestand, konnten es nicht hindern, und einzelne wollten auch wohl nicht, weil ihr Ehrgeiz, wenn auch mit Schaudern, auf den Thron hinblickte. Auf die Länge wäre unausbleiblich ein Zustand wie zur Zeit des Gallienus und der Dreissig Tyrannen wieder eingetreten, wozu es im Jahre 285 schon allen Anschein hatte, und das Reich wäre von neuem in Stücke gegangen, vielleicht auf immer. Diocletian ergriff das wahre Gegenmittel; er umgab sich mit Nachfolgern und Mitregenten. Damit war der Usurpation des Ehrgeizes Ziel und Zweck verrückt, dem Lageraufruhr der Erfolg sehr erschwert. Denn wenn bloss einer der Kaiser oder Caesaren fiel, wenn es nicht gelang, an einem Tag die zwei oder vier Herrscher etwa in Nikomedien, Alexandrien, Mailand und Trier zugleich aufzuheben und zu ermorden, so gab es für die vereinzelte Gewalttat unfehlbar einen oder mehrere Rächer; alle Guten wussten sofort, an wen sie sich anzuschliessen hatten, und brauchten sich nicht mehr in besinnungslosem Schrecken der ersten besten Soldatenwahl in die Arme zu werfen. Der zweite sehr grosse Vorzug von Diocletians Massregel war die Teilung der Reichsarbeit, die nun mit Ruhe und Besinnung, nach festen gemeinsamen Planen unternommen und im Ganzen glorreich durchgeführt werden konnte.
Rätselhaft aber kömmt uns das künstliche System dieser Adoptionen vor. Der einfachste Ausweg, obenhin betrachtet, wäre es offenbar gewesen, wenn Diocletian eine begabte Familie von mehrern Brüdern adoptiert und in die Provinzen und Regierungsaufgaben verteilt hätte. Was dem Hause des Carus zum Teil durch Schuld Carins misslungen war, konnte jetzt viel eher gelingen, nämlich der Übergang aus dem wechselvollen Caesarismus Ich wüsste nicht, weshalb die Wissenschaft gegen diesen von Romieu aufgebrachten Ausdruck sich spröde erweisen sollte, indem derselbe eine ganz bestimmte Sache sehr gut bezeichnet. in eine erbliche Dynastie, auf welche am Ende jede monarchische Herrschaft mit Notwendigkeit hindrängt. Oder fürchtete er, selber von einer auf diese Weise erhobenen Familie beiseite geschoben zu werden? Ein so imposanter Mensch lässt sich nicht ohne weiteres beseitigen. Mochte er den Banden des Blutes in dieser zerfallenen Zeit keine sittliche Wirkung mehr zutrauen? Er selbst hat nachher die Caesaren zu Schwiegersöhnen der Imperatoren gemacht. Musste er möglichst viele Ehrgeizige durch die Adoption oder die Hoffnung darauf zu befriedigen suchen? Er wusste besser als sonst jemand, dass man gerade die Gefährlichsten nie zufriedenstellt, auch lag es gar nicht in seinem Wesen, sich sonderlich um aller Welt Zufriedenheit und Beistimmung zu bemühen. Fasst man aber die einzelnen Tatsachen und ihre nachweisbaren oder vermutlichen Motive näher ins Auge, so lässt die lückenhafte Überlieferung zwar manches unerklärt, doch leitet sie vielleicht im ganzen auf die richtige Spur.
Angesichts des gallischen Bauernkrieges erhebt Diocletian noch im Jahr 285 seinen Kriegsgenossen Maximian zum Caesar und im folgenden Jahre zum Augustus Über den Gebrauch dieser beiden Titel vgl. die Untersuchung bei Preuss, a. a. O., S. 174 ff.; das Verhältnis der Adoption drückt sich schon in dessen Beinamen Herculius aus, der vom Sohne des Zeus entlehnt ist. Nachdem beide sechs Jahre lang rastlos gegen Barbaren, empörte Provinzen und Usurpatoren an allen Enden des Reiches gekämpft, ohne dasselbe unter sich förmlich geteilt zu haben, erheben sie (292) zu Caesaren die Feldherrn Galerius und Constantius Chlorus, wobei es ausdrücklich von Diocletian ausgesprochen wird, »es sollten fortan immer zwei Grössere im Staat sein, als Herrscher, und zwei Geringere, als Helfer« De mortibus persecutorum 18.. Maximians Sohn, Maxentius, wird ohne Umstände übergangen Der Lobredner Mamertinus hatte noch im nämlichen Jahre (Panegyr. III, 14) auf denselben als vermutlichen Thronfolger hingedeutet., dafür aber ein neues, künstliches Band der Pietät geknüpft, indem die Caesaren die Töchter der Imperatoren heiraten müssen, Galerius die Valeria, Constantius die Theodora, letztere strenge genommen nur die Stieftochter Maximians Ob die frühern Frauen, welche sie verstiessen, gesetzlich angetraute Gemahlinnen waren, bleibt bei derjenigen des Galerius unentschieden; die Helena des Constantius war offenbar eine blosse Beischläferin.. Die Caesaren waren in der Schule des Aurelian und Probus gebildet, Constantius von hoher Geburt und mütterlicherseits der Grossneffe des Claudius Gothicus; Galerius dagegen ein riesiger Hirtensohn, der nur um so lieber sich verlauten liess, dass seine Mutter von einem göttlichen Wesen in Schlangengestalt oder gar wie Rhea Silvia von Mars geschwängert worden. Jetzt gab es vier Höfe, Verwaltungen und Armeen; über Gallien und Britannien waltete Constantius, über den Donaulanden nebst Griechenland Galerius, dem Maximian waren Italien, Spanien und Afrika, dem Stifter ihrer Macht endlich Thracien, Asien und Ägypten vorbehalten. Über zwölf Jahre dauerte unter so verschiedenen und zum Teil so rohen Menschen die merkwürdigste Eintracht »Der harmonische Vierklang«, sagt Julian in den Caesares. – Auf den Münzen wird diese Concordia beständig gerühmt. – Über Persönlichkeit und Herkommen der beiden Caesaren umständlich Preuss, a. a. O., S. 48 ff., die vollends unerklärlich wird, wenn man sieht, wie der eine in den Gebieten des andern mitregiert und Heere anführt, und wie wenig Diocletian zum Beispiel den leidenschaftlichen Galerius in Gegenwart ganzer Heere schont. Was von ihm kömmt, die schwierigsten Kriegspläne, die bedenklichsten Befehle, alles wird mit kindlicher Unterwürfigkeit vollzogen; keinen Augenblick wird daran gezweifelt, dass er die Seele des Ganzen ist. »Sie sahen empor zu ihm«, sagt Aurelius Victor, »wie zu einem Vater oder höchsten Gott; wie viel dies aber heissen will, wird erst klar, wenn man all den Familienmord von Romulus bis auf unsere Tage daneben hält.«
Die wahre Feuerprobe des Gehorsams bestand in der Folge der Mitkaiser Maximian, als Diocletian, nach zwanzigjähriger Doppelregierung, ihn zu der schon längst abgeredeten gemeinschaftlichen Abdankung nötigte (305). Maximian fügte sich Panegyr. VI (Max. et Const. M.), 9: consilii olim inter vos placiti constantia et pietate fraterna., obwohl mit grossem Widerwillen; er liess es geduldig geschehen, dass auch diesmal bei der Ernennung zweier neuer Caesaren (an der Stelle der zu Kaisern beförderten Galerius und Constantius) sein Sohn Maxentius übergangen wurde, und dass er selbst, der alte Sieger über Bagauden, Germanen und Mauren, bei der Caesarenwahl gar nichts zu sagen hatte; Diocletian hatte dieselbe ausschliesslich seinem Adoptivsohn Galerius vorbehalten In dem einzigen analogen Fall früherer Zeiten liegt gerade hier eine Verschiedenheit; Hadrian adoptiert den Antonin unter der Bedingung, dass dieser den Lucius Verus und den Marc Aurel adoptiere; Diocletian dagegen lässt dem künftigen Oberkaiser freie Hand., welcher einen getreuen Offizier, Severus, zum Caesar des Westens und seinen Neffen, Maximinus Daza, zum Caesar des Ostens erhob. Dem Constantius Chlorus ging es ähnlich wie dem Maximian; obwohl zur Kaiserwürde avanciert, musste er sich statt eines seiner Söhne den Severus als eventuellen Caesar gefallen lassen, wobei die christlichen Autoren Orosius VII, 25. – Auch bei Eutrop. X, 1 liegt ein Missverständnis zugrunde. ganz unnützerweise seine bescheidene Mässigung rühmen.
In einer nicht viel später verfassten Schrift De mortibus persecutorum. Früher glaubte ich nicht, dass die Schrift von Lactantius sei, schliesse mich aber jetzt den vielen und überzeugenden Gründen an, welche Ebert (in den Berichten der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1870) für dessen Urheberschaft geltend gemacht hat. werden die persönlichen Beweggründe dieser Staatsaktionen dramatisch ausgesponnen. Schon Gibbon erkannte, dass wir hier keine reine Geschichte, sondern die Erzählung eines erbitterten Feindes vor uns haben, der namentlich darin irregeht, dass er die abdankenden alten Imperatoren durch Galerius terrorisiert darstellt. Ein höchst merkwürdiger Zug aber Cap. 20. – Die sonstigen, erst auf eine vielleicht ferne Zukunft gehenden Absichten, welche der Autor hier bei Galerius schon im Jahre 305 vorauserraten will, sind wohl blosse Fiktionen. ist wohl nicht ersonnen: es wird dem Galerius die Absicht beigelegt, einst nach zwanzigjähriger Herrschaft, wenn die Thronfolge auf lange hinaus geordnet sein würde, abzudanken, gleich Diocletian. Der Autor hält dies für einen freiwilligen Entschluss, den er bei seinem glühenden Hasse gegen Galerius wahrscheinlich nur ungerne berichtet; wenn uns aber nicht alles trügt, so haben wir es hier mit einem vorgeschriebenen und sehr wesentlichen Hauptgesetz des diocletanischen Systems zu tun, welches die Zeitgenossen nur stückweise erraten haben. Diese Festsetzung einer zwanzigjährigen Dauer des Herrscheramtes bildet den Schlußstein und Regulator des Ganzen. Sie sollte den Adoptionen und Thronfolgen den Stempel des Unabwendbaren, Notwendigen aufdrücken.
Gleich im folgenden Jahre (306) wird freilich dies ganze System durchbrochen und unheilbar gestört durch die Usurpation der beseitigt geglaubten Kaisersöhne: Constantin (der Grosse) erbt mit Hilfe der Soldaten die Herrschaft seines Vaters, Maxentius reisst Italien an sich, und auch der alte Maximian verlässt den Sitz widerwilliger Ruhe, um sich seinem Sohne beizugesellen.