Friedrich Gerstecker

Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43


Скачать книгу

werden als Beten und vielleicht Lesen eines religiösen Buches. Natürlich gibt's auch Ausnahmen.

      Was mich in New-York befremdete, war, dass ich gar keine Soldaten sah, außer manchmal ein paar etwas militärisch aussehende Burschen mit blauen Jacken, eben solchen Beinkleidern und wachstuchenen Mützen; es waren dies „Uncle Sam's“ Soldaten, die für 8 Dollars den Monat sich für den Staat aufopfern. Selten ist's, dass sich einmal ein ordentlicher Mann unter sie verliert; gewöhnlich sind es solche, die keine Lust zum Arbeiten haben oder auf keine andere Art ihr Fortkommen finden können. Natürlich stehen sie, die Offiziere ausgenommen, nicht in Achtung. Sonst gibt es Bürgermilitär, mehrere amerikanische und deutsche Kompanien, die bei Festen oder anderen Gelegenheiten ausrücken und ziemlich geschmackvoll uniformiert sind.

       Vor kurzem hatte sich auch eine Anzahl Schotten vereint und eine Kompanie gebildet, und zwar in altschottischer Hochländertracht, die verschiedenen Verbände in ihren Farben, mit Plaid und Federbarett und blauen Mützen, Schild, Claymore und ihren Standarten; die Häuptlinge mit ihren Adlerfedern geschmückt, und die Sackpfeifer lustig ihre schottischen Nationallieder spielend. So zogen sie durch den größten Teil der Stadt und sahen prachtvoll aus. Am nächsten Tage aber hielt sich der „Herald“ nicht wenig darüber auf, dass Leute, die doch auf Anständigkeit Anspruch machten, sich nicht schämten, „mit bloßen Beinen“ durch die Straßen zu ziehen und noch dazu mit Musik, damit ja alle Leute recht aufmerksam darauf werden möchten. – Wenn sie sich mit ihren „bloßen Beinen“ heimlich durch die Straßen geschlichen hätten, würde es ihm besser gefallen haben.

      Sehr viele Auswanderer kamen noch in diesen Tagen an und füllten alle Wirtshäuser; was mir aber höchst sonderbar vorkam, war, dass sich die Amerikaner nicht so um die Fremden zu drängen schienen, als ich mir bisher eingebildet hatte, und zu meinem größten Leidwesen sah ich, dass ein Irishman (Irländer) und ein Dutchman (Deutscher) nur sehr wenig mehr als die Schwarzen geachtet wurden. Ehrenvolle Ausnahmen gibt es hiervon, wie sich von selbst versteht, denn der gebildete Amerikaner weiß einen Unterschied zu machen; die Achtung, in der der Deutsche, den vielgelesenen Berichten nach, stehen sollte, hatte ich mir aber doch eigentlich ganz anders gedacht.

      Einen höchst unangenehmen Eindruck macht aber auf den eben angekommenen Europäer die Behandlung der armen Schwarzen, die, obgleich New-York kein Sklavenstaat ist, doch wenig besser als das Vieh geachtet werden. Und dennoch genießen sie jetzt eine Menge Rechte, die sie vor zwei Jahren noch nicht hatten, und welche ihnen erst durch General Jacksons Güte zuteilwurden. Allerdings dürfen sie auch jetzt noch in keinem Omnibus fahren, im Theater nur in der Galerie sitzen; müssen, mit wenigen Ausnahmen, Kirchen für sich allein haben, dürfen nicht vor Gericht gegen einen Weißen schwören usw.

      Die amerikanische Unabhängigkeits-Erklärung sagt ausdrücklich: „Alle Menschen sollen gleich sein“, und dennoch besteht in diesem Lande die Sklaverei.

       Vor amerikanischen und deutschen Schwindlern war ich indessen reichlich und genug gewarnt worden, hielt mich auch für vollkommen klug genug dazu, nach meinem Geldbeutel ausgeworfenen Schlingen – ich besaß ein kleines Kapital von nicht ganz mehr 200 Dollars – schlau und geschickt ausweichen zu können.

      Als ich nun einige Wochen in New-York gewesen war, begann mein Hauswirt mir Vorschläge zu machen, mit ihm zusammen ein Zigarrengeschäft zu eröffnen. Er behauptete, die Sache aus dem Grunde zu verstehen, ich hatte ein kleines Kapital, und es war gar nicht dem geringsten Zweifel unterworfen, dass wir in ein paar Jahren unser Kapital verhundertfachen könnten.

      Im Anfang hielt mich ein gewisser Instinkt, eine Art Ahnungsvermögen davon zurück; ich hatte auch zu viel, gerade von den Deutschen gehört – aber doch nicht von meinem Hauswirt – das waren ja ganz andere.

      Es dauerte auch gar nicht lange, so leuchtete mir die Sache vollkommen ein; ein in das Innere ziehender Deutscher namens Wagner wünschte einen Zigarrenladen zu verkaufen, glücklicher konnte sich gar nichts treffen, da wir gerade einen zu kaufen wünschten, und wir wurden bald handelseinig.

      Alles Geld, was ich besaß, steckte ich jetzt in die jenes Lager füllenden, wie sich später herausstellte, meist verfälschten Waren; mein Kompagnon nahm noch andere auf Kredit hinzu – merkwürdigerweise fand er Leute, die ihm borgten – und in kurzer Zeit stand im Broadway, der bedeutendsten Straße New-Yorks, ein Zigarren- und Tabaksladen unter unserer Firma, d. h. ich selber als Kompanie mit angeführt (im wahren Sinne des Worts).

       Schon so lange in Amerika, fing ich nun auch an mich zu amerikanisieren. Ich staunte z. B. nicht mehr, wenn ich eine dicke, fette Mulattin mit der Pfeife im Munde über die Straße gehen sah, oder wenn ich feingeputzte Damen, höchst geschmackvoll angezogen, ohne Strümpfe in den Schuhen bemerkte. Ebenso wenig fiel es mir auf, einen anständig gekleideten Herrn in schwarzem Frack und schwarzen Beinkleidern, mit goldener Uhrkette usw. mit einem Korbe am Arme zu Markte gehen zu sehen, und ich schaute mich kaum noch um, wenn vielleicht ein Yankee (Yankees werden hauptsächlich die Bewohner der nordöstlichen Staaten, wie Maine, Connektikut, Vermont etc., genannt.) in schlechtem Wetter, vom Markte kommend, gestreckten Galopps mit sehr kurzen Steigbügeln, am linken Arm einen Korb mit Gemüse, in der rechten Hand einen aufgespannten Regenschirm, durch die Straßen sprengte. Der Mensch gewöhnt sich an alles.

      In dieser Zeit fiel es mir auch manchmal ein, eine kleine Jagd zu machen, und da mir Zllr. die Ufer des Hudson immer als sehr reizend gepriesen, so gingen wir eines schönen Morgens mit unserem Schießzeug auf eins der unzähligen Dampfboote, die dort lagen, und fuhren den Hudson für den ungemein billigen Preis von ungefähr 5 Gr. für 22 englische Meilen hinauf. Die Fahrt allein war das Hundertfache wert, schon der wundervollen Landschaft wegen.

      Der Hudson ist unstreitig der schönste Fluss, den ich je gesehen habe. Der stille, spiegelglatte und doch majestätisch breite Strom mit seinen ungeheuren schroffen Felsufern, oben mit dem herrlichsten Grün bekleidet, die kleinen Wohnungen und Städtchen, die sich, wo es irgend der Raum gestattet, an seine Ufer anschmiegen, die tausend und abertausend Fahrzeuge, die das Ganze beleben, erfüllen das Herz mit Bewunderung und Wonne.

      Da das Boot spät abgegangen war, kamen wir erst mit Dunkelwerden an den Ort unserer Bestimmung und übernachteten dort in einem Wirtshause. Am nächsten Morgen waren wir mit Tagesanbruch gerüstet und fingen an, die Felder und Wälder mit einer wahren Gier nach Beute zu durchsuchen. Müde und matt vom vielen Fenz- und Zaunklettern und vom Springen über umgestürzte und ganz oder halb verfaulte Bäume, vom Durchwaten der Moräste, vom Übersteigen der Hügel, kamen wir endlich abends, ohne auch nur eine Feder oder sonst etwas gesehen zu haben, zu einem Vetter Zllrs. an, der uns gastfreundlich aufnahm und uns versicherte, dass wir nicht verständen, das Wild in Amerika aufzufinden; er wolle uns am nächsten Morgen selber führen. Neue Hoffnung.

       Schon vor Tagesanbruch waren wir alle marschfertig und zogen in die wundervolle, würzige Luft hinaus, einzig mit Mordgedanken beschäftigt und schon berechnend, ob unsere Jagdtaschen alles erlegte Wild fassen würden. Dieselbe Jagd wie gestern wiederholte sich nun; hier schlichen wir an einem Waldsaume hin, dort an einer Fenz, hier durchstöberten wir einen Busch, dort durchwateten wir Strecken sumpfigen Landes, von Tagesanbruch bis spät nachmittags, und noch war kein Schuss gefallen. Das kühlte denn doch unsere Jagdbegierde bedeutend ab, und als wir, wieder in der Nähe des Stromes, ein Dampfboot vorbeikommen sahen, winkten wir und ließen uns an Bord nehmen. Müde und hungrig und ohne auch nur ein einziges Stück amerikanisches Wild gesehen zu haben, kehrten wir solcher Art nach New-York zurück.

      Die Jagd im Osten der Vereinigten Staaten, besonders aber in der Nähe größerer Städte, ist wahrlich zu unbedeutend, auch nur ein Gewehr deshalb aufzunehmen. Es gibt allerdings hier und da ein schwaches Volk einer kleinen Rebhühnerart, die die Amerikaner nicht gerade unpassend Wachteln nennen; auch ein einzelnes Kaninchen wird manchmal angetroffen, und eine ziemlich große Art von Lerchen, die wie die Wachteln fliegen und auch ziemlich deren Größe haben, sind nicht gerade selten. Damit sind wir aber auch fertig, und alles andere Wild ist dort schon längst vertilgt. Es laufen dabei eine Masse Jäger draußen herum, die selbst den kleinsten Singvögeln einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg geschworen haben, die neugewonnene Jagdfreiheit auch würdig zu benutzen; aber wer auf wirkliche Jagd Anspruch macht, soll um Gottes willen nicht östlich vom Wabasch die Flinte in die Hand nehmen. Nur Wassergeflügel