Tobias Fischer

Veyron Swift und der Orden der Medusa


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erklärte. Hier wohnten viele Talarin und pflegten die althergebrachte Lebensweise im Einklang mit dem Wald. Sie wohnten in versteckten Hütten, aber auch in ausgebauten Höhlen und sogar in ganzen Siedlungen, oben in den Kronen der Baumriesen, geschickt verborgen vor allen neugierigen Augen. Doch verglichen mit den vielen kleinen Dörfern und der großen Hauptstadt Fanienna, waren das alles nur unbedeutende Enklaven.

      »In den Tagen des Dunklen Meisters waren die Hänge und Hügel hier kahl, nur Gras wuchs an den Flanken der Berge. Erst nach seinem Tod, vor eintausend Jahren, kehrten die Wälder zurück. Mit ihnen wagten sich auch die Talarin wieder in jene Gegenden«, führte Faeringel weiter aus. Er nannte ihnen eine Reihe von Siedlungen und zeigte hinauf in die Kronen der Baumriesen, wo sie zu finden wären. So sehr Tom sich auch anstrengte, er konnte da oben nur dunkelrotes Blattwerk und mannsdicke Äste erkennen. Von Elben, oder gar Häusern, nirgendwo eine Spur.

      Nach einer Weile kamen sie auf eine Lichtung, die bis zum Rand einer Anhöhe reichte, von wo die fünf einen weiten Blick über das Tal hatten.

      In der Ferne ragten die Messerberge auf, gewaltige Felsformationen, welche die Form messerscharfer Klingen besaßen und viele hundert Meter in den Himmel ragten. Tom erinnerte sich an dieses Land, jenseits des Waldes. Dort wuchs nur dünnes Gras, dass sich grün und braun über ein Meer von kleinen Hügeln zog, unterbrochen von ein paar kleinen Flüssen. Er schnaufte angestrengt, als ihm bewusst wurde wie weit sie noch zu marschieren hatten. Allein um den Wald zu durchqueren, würden sie vier Tage oder mehr benötigen – mindestens zwei weitere für das Land der Messerberge.

      »Oh Mann, wir sind ja noch Wochen unterwegs, bevor wir überhaupt in die Nähe Maresias kommen. Warum haben wir keine Pferde mitgebracht?«

      Veyron warf seinem Schützling einen überraschten Blick zu.

      »Ein interessanter Gedanke, Tom. Kannst du denn überhaupt reiten?«

      »Nee. Und Sie? Sie können doch sicher reiten. Ich meine, Sie können doch sonst auch alles, oder?«

      Veyron verzog den Mund und blickte in eine andere Richtung, mit der Absicht Tom die Antwort schuldig zu bleiben. Tom kannte dieses Verhalten bereits. Sein Pate wurde immer sehr schweigsam, wenn man eine seiner Schwächen aufdeckte. Er selbst hätte es dabei belassen, doch diesmal war Jane dabei. Und die hakte natürlich nach, was ihr ein diebisches Vergnügen bereitete.

      »Sie können nicht reiten? Da jagen Sie Kobolde, Trolle und Vampire, aber Sie können nicht reiten?«

      »Pferde sind nur was für kleine Mädchen. Es sind launische und unberechenbare Geschöpfe, denen man nicht über den Weg trauen kann. Genau wie Katzen, nur sind Katzen noch viel schlimmer«, grummelte Veyron. Er wandte sich mit verschränkten Armen ab. Jane warf Tom einen Blick zu, dann brachen beide in lautes Gelächter aus.

      »Veyron Swift, Vampirjäger und Koboldkiller, fürchtet sich vor Pferden und Katzen«, kicherte Jane. Sie grinste noch immer, als sie den Weg fortsetzten und jedes Mal wenn ihr Blick auf Veyron fiel, fing sie wieder an. Tom fand es bald selbst ziemlich albern, auch wenn es dem arroganten, besserwisserischem Gehabe seines Patenonkels gar nicht schadete.

      »Was liegt eigentlich hinter dem Land der Messerberge«, fragte er Faeringel, um endlich das Thema zu wechseln. Der Elbenjäger hatte seine Meinung zu Veyrons Pferdephobie gekonnt für sich behalten und nicht ein einziges Mal die Miene verzogen. Nun wurde sein Gesicht jedoch traurig. Er seufzte.

      »Die Steppen von Gaghanien und dahinter die östlichen Ausläufer der Grauen Berge. Jenseits davon, weiter im Westen, liegen die kalten Wälder Carundels, unsere verlorene Heimat. Die alten Elben, von denen heute keiner mehr am Leben ist, nannten es das Herz des Elbenreiches. Früher war dies alles einmal das Land des Elbenkönigs Tirion«, erklärte er und machte mit den Armen eine weit ausholende Geste.

      »Vom großen Strom im Westen, über die dichten Urwälder Turanons, bis nach Fabrillian, gehörte alles Land zu Tirions Reich. Dann kam Varaskar, der dunkle Illauri. Er brachte Tod und Verderben in die Welt. Seine Schrate jagten die Elbenvölker und schlachteten sie ab. Nur die Talarin, die hinter den Himmelmauerbergen in Sicherheit waren, blieben verschont. Tirion wurde erschlagen und sein Sohn Tarnuvil, der Fürst Fabrillians, wurde König aller Elben. Das ganze Land westlich der Himmelmauerberge war jedoch verheert und vergiftet.«

      Seine Stimme wurde tief und schwer, als er von der verlorenen Heimat der Elben sprach.

      Jane schloss zu ihm auf. Mitfühlend berührte sie seinen Arm.

      »Ich dachte, die Illauri wären jene Zauberer gewesen, die Elderwelt von der unsrigen trennten, zum Schutz vor uns Menschen«, sagte sie leise.

      Faeringel schenkte ihr ein dankbares Lächeln. »So ist es auch gewesen. Doch nicht alle Illauri dienten dem Guten. Einer von ihnen wollte seine Macht lieber dazu nutzen, alles zu beherrschen. Das war Varaskar. Letztendlich wurde er jedoch von seiner eigenen Machtgier vernichtet und seine Armeen von einem Gegner bezwungen, der noch mächtiger und zorniger war, als selbst seine finstersten Schergen. Das ist jedoch eine andere Geschichte, die nichts mit Carundels Schicksal zu schaffen hat.«

      Er holte tief Luft, seine eisblauen Augen starrten in die Ferne. Lange stand er unbewegt da, als könnte er durch die Hügel und Wälder hindurchblicken und das verlorene Land hinter dem Horizont erspähen.

      »Schließlich erbarmte sich eine der Illauri der Not des Elbenvolkes. Es war Ayenur, die jüngste jenes großartigen Ordens. Schon immer hatte sie eine Leidenschaft für die Elben gezeigt. Oft war sie Gast in den Wäldern und lauschte den Gesängen der Alten. Während die anderen sieben Illauri in ihrem Elfenbeinturm saßen, Varaskars Treiben tatenlos zusahen und alles Übel Schicksal hießen, kam sie herab und leistete uns Beistand.

      Es heißt, Ayenur legte sich auf einen Hügel und starb – doch ihre ganze Macht ließ sie in den Boden fließen und reinigte die Erde. Alles Land, das Varaskar vergiftet hatte, wurde gesäubert, die Pflanzenwelt erblühte von Neuem. Nur Carundel blieb kalt und finster, dort hatte Varaskar nämlich am schlimmsten gewütet. Seither messen sich dort zwei Kräfte und liefern sich ein immerwährendes Duell. Die Kraft des Lebens von Ayenur und die gnadenlose Macht der Zerstörung Varaskars. Während anderswo die Ernte eingefahren wird, ist es in Carundel bereits winterlich kalt. Nirgendwo fällt der Schnee so früh, nirgendwo bleiben Seen und Flüsse länger vereist. Kein Korn gedeiht auf den Wiesen, aus Spalten im Boden steigt giftiger Dampf auf. Dennoch wachsen dort Wälder. Bäume, Sträucher, Farne und Gras sprießen, trotzen allen Giftes, nur um zu verdorren und erneut zu sprießen.«

      Er seufzte tief und schwer, fasste Janes Hand und drückte sie dankbar.

      »Carundel blieb für alle Zeit verlassen, die Elben kehrten nie wieder zurück. Zu schmerzhaft war die Erinnerung an die Massaker durch Varaskar. Kein Elb kann an Carundel denken, ohne gegen Tränen und Trauer zu kämpfen.«

      Faeringel holte tief Luft. Endlich war er imstande, weiterzugehen. Jane sagte kein Wort, auch Tom und Iulia wagten nichts zu sagen, zu bedrückend war die Geschichte des Elbenjägers gewesen.

      »Ich hoffe nur, wir kommen niemals in dieses Land«, raunte Tom. Es war zwar noch ein weiter Weg, aber in diesem Fall wäre er für jeden Umweg dankbar.

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