Antonio De Matteis

MIT 6 EURO DURCH EUROPA


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gut stehen, umzukommen oder zumindest schwer verletzt zurückzukehren.

      Die Welt wäre nicht so weit fortgeschritten, wenn alle Pioniere, Entdecker, Abenteurer und Erfinder nicht für ihre Ideale, gekämpft hätten. Warum Menschen immer wieder so etwas tun, kann keiner beantworten.

      Wir wollten nur versuchen etwas zu bewegen.

      Das Projekt musste nur richtig bedacht und akribisch organisiert werden. Natürlich musste auch das notwendige Training für Mensch und Tier absolviert werden. Man kann nicht einfach, so mir nichts - dir nichts, eine derartige schwierige Reise unternehmen.

      In einem Punkt hatten wir Glück. (wenn man das so sagen kann) Wir brauchten unser Arbeitgeber nicht nach einer Freistellung zu fragen.

      Aus dem einfachen Grund, wir hatten keinen Boss!

      Wir gaben schon im Januar 2003 unsere gut bezahlten Jobs, die Wohnung und die „Sicherheit“ des normalen spießigen Großstadtlebens in Deutschland auf.

      Wir sind aber trotzdem keine Aussteiger, zumindest nur bedingt.

      Sabine wollte, dass ihre Oma die letzten Jahre ihres Lebens in einem warmen Urlaubsort verbringen sollte und nicht in irgendeinem netten Seniorenheim, oder wie heißen sie heute so schön? „Betreutes Wohnen“.

      So oder so, sie war der Meinung – ich übrigens auch – dass diese Orte nur der Vorhof zum Friedhof seien.

      So beschlossen wir damals, eine Patchwork-Familie zu gründen, Oma, Sabine, meine jüngste Tochter Desireè, damals acht Jahre jung und ich.

      Wir packten die Möbel in einen Siebentonner und begaben uns in eine neue Zukunft. In eine neue Art zu leben, in vielerlei Hinsicht, eine bessere, gesündere und stressfreie.

      Übrigens den Whisky nahmen wir als Welpen aus München mit, denn sein Frauchen wollte ihn ins Tierheim abschieben.

      Ja so kamen wir damals hierher, wurden sozusagen Saisonarbeiter.

      Wir fuhren abwechselnd Taxi in München und verdienten so unser Brot.

      Bis die mittlerweile neunzig jährige Oma auf der Treppe stürzte und anschließend erkrankte.

      Sabine pflegte hingebungsvoll und mit viel Liebe ihre bettlägerige Oma für mehr als ein Jahr, bis sie dann im Februar 2007 leise von uns ging.

      Um die Trauer zu übertönen, brauchte sie nun eine neue Herausforderung, eine starke Ablenkung, jetzt wo auch Desireè zurück zu ihrer Mutter nach Deutschland gezogen ist, um dort die Schule zu besuchen. Da kam das Konzept der Europatour ihr ganz gelegen.

      Mit langen Radtouren habe ich Erfahrungen. Sie sind für mich nichts Neues. Ich habe unter anderem schon 2006 eine 13.300 km lange Tour durch elf europäische Länder im Alleingang und in nur fünf Monaten hinter mich gebracht.

      Mir war selbstverständlich klar, dass die bevorstehende neue Reise doch etwas komplizierter und delikater war, als mein „ein-Mann-sonst-Niemand-Tour“.

      Allein schon die Präsenz der Hunde und die meiner Partnerin, war schon eine Herausforderung hoch zwei wert. Es waren prinzipiell andere Kriterien zu berücksichtigen. Das war natürlich ein riesiger Ansporn für mich, keine Frage! Aber allein schon der Gedanke, doch was für unsere tierischen Freunde und folglich auch für uns selbst tun zu können, war schlicht und einfach verlockend. Jetzt oder nie hieß die Devise.

      Sabine war anfangs sehr skeptisch, die Radtour überhaupt zu schaffen, denn sie sah sich nicht so recht in der Rolle des sportlichen Typus. Bedenken hatte sie genügend, gerechtfertigte Ängste und Sorgen auch.

      Sie stimmte erst zu, als ich ihr erklärte, dass es bei diesem Vorhaben nicht um einen Wettkampf geht, sondern auf die Ausführung einer sich langsam bewegenden Sensibilisierungsreise.

      Durchhaltevermögen, Verzicht, Entschlossenheit, Geduld und Kampfgeist seien gefragte Eigenschaften und die Zutaten mit denen wir auffallen sollten, um unsere Botschaft zu verkünden.

      Keiner der Beteiligten sollte über die eigenen Kräfte hinaus gezwungen werden. Niemand sollte sich durch irgendwelche Leistungsverträge verpflichten. Keine strikte Zeitprogrammeinhaltung.

      Aber wir brauchten trotzdem Fremdhilfe, Unterstützung, Sponsoren.

      Doch letztendlich ist der Unterschied zwischen Vorstellung und Planung eines jeden Projektes, und die Realität und das Ausführen des Selbigen, oft sehr groß. Man stößt immer auf neue Probleme, Faktoren, die auf ungeahnte Folgen führen können.

      Irgendwie benehmen wir uns heute Morgen anders als sonst.

      Das fühlen die Hunde. Manchmal habe ich echt das Gefühl, in ihren Blicken einen menschlichen Ausdruck zu sehen.

      Ich glaube, sie spüren, dass das hier kein Spiel ist, sondern ein Abschied.

      Wir spielen zum Beispiel mehr mit den Katzen. Denn sie sind es, zusammen mit Balto, die hier bleiben werden.

      Mit meiner Schwester Lucia und ihrem Mann Salvatore ist alles schon abgesprochen. Sie werden sich um die Tiere kümmern, die hier bleiben. Obwohl wir wissen, dass sie in guten Händen sind, machen wir uns trotzdem Sorgen.

      Außer um uns selbst, machen wir uns auch Sorgen, um die, die mitkommen. Werden sie eine so lange Reise schaffen? Wird alles gut gehen? Werden sie oder wir, gesundheitliche Probleme bekommen?

      Das und noch vieles mehr geht uns beiden jetzt durch den Kopf.

      Berechtigte Sorgen, die man nicht einfach unterdrücken kann.

      Es ist nicht so, dass ich Zweifel an unserer geplanten Unternehmung hätte, aber so kurz vor dem Start sind meine Nerven doch etwas gereizt.

      Wir, besonders ich, tragen eine sehr große Verantwortung. Die Reise an sich haben wir zwar gut, sorgfältig und lange geplant.

      Alles durchdacht, die Route, die Logistik, Pannen, Gesundheit, Wetter, Temperatur, Winde, die Pfoten der Hunde, Proviantbeschaffung, die Übernachtungen und vieles mehr.

      Aber das bedeutet nicht, dass man sich zurücklehnen kann. Im Gegenteil. Jetzt kommt Lampenfieber auf, oder so was ähnliches. Jetzt kommt der "Sprung ins kalte Wasser".

      Jetzt machen wir Ernst. In etwa einer Stunde geht es los. Wir wissen nicht, was uns erwartet.

      Sabine hatte Europa noch nicht richtig gesehen, nur von einem Lastwagen aus. Bevor wir hierher kamen, sind wir gemeinsam etwa zwei Jahre mit einem Vierzigtonner durch Europa gedonnert, teilweise waren es Schwertransporte oder Tiefkühlfahrzeuge.

      Ich dagegen hatte schon 25 Jahre LKW-Praxis unterm Arsch.

      Sicher hatte sie zwar schon mal hier und da Urlaub gemacht, aber Hotelaufenthalte seien nun wirklich nicht mit dieser Reise zu vergleichen. Das wird ein schönes Gefühl sein, unter dem weiten Sternenhimmel zu campen. Orte zu besuchen und Menschen kennen lernen, die sie im Normalfall nie und nimmer treffen würde.

      Sich mit ihnen sogar über ein gemeinsames Anliegen zu unterhalten.

      Der Gedanke an die Landschaft, die Menschen und ihre Geschichte, weckte in ihr starke Emotionen. Ein unbeschreibliches Gefühl!

      „Oh mein Gott. Es geht los! Mir zittern die Knie. Wir fahren durch Europa!“

       verrät sie mir, mit einer leicht zittrigen Stimme.

      „ Ist dir eigentlich klar was das bedeutet, mein Schatz?“

      füge ich noch hinzu. Ein breites Grinsen zeichnet sich auf ihr vor Freude strahlendes Gesicht.

      In einem euphorischen Moment versuchen wir uns gemeinsam vorzustellen, wie es sein wird an der französischen Riviera zu fahren, der spanischen Costa Blanca, oder Portugal, das für Sabine völlig unbekannt war.

      Wie es wohl sein wird durch die Algarve zu radeln, durch Galizien in Nordspanien, das Loire Tal in Frankreich oder an den vielen Kanälen in Belgien und Holland.

      Die