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er eine Waffe hatte und …“

      „… er sich hätte wehren können, bevor er gefesselt wurde. Richtig.“ Hannes nickte zufrieden, sie waren sich einig. Weiter aber waren sie nicht.

      „Schau doch mal in der Akte, ob es irgendwelche Quittungen gab, Toilettenbenutzung oder so.“

      „Negativ. Und eigentlich hatten wir das alles auch schon mal.“

      „Eben. Wir müssen davon ausgehen, dass Wallenstein einen Grund hatte, um nach Passau zu kommen, und dass er seine Mörder eventuell auch gekannt hat. Denn wenn es rein zufällig geschehen ist und die Täter längst über alle Berge sind, dann finden wir sie nie.“

      „Warum so resigniert? Wir haben die Waffe, also lass uns einfach abwarten, was bei der Laboruntersuchung herauskommt. Vielleicht sind ja da Fingerabdrücke drauf.“ Abrupt unterbrach Hannes seine Ansprache, er hatte das Gefühl, Franziska höre ihm gar nicht zu.

      „Ich sag dir was“, sie beugte sich weit nach vorn, um Hannes besser in die Augen sehen zu können, „das ist Brausers Fall, da soll er sich mal schön selbst seine Gedanken drüber machen. Unser Fall heißt Sophia Weberknecht, und mit der sind wir auch noch kein Stück weiter.“

      Sie stand auf und suchte nach einem Müsliriegel in ihrer Tasche, gerne hätte sie auch Hannes einen spendiert, aber sie fand nur einen und ihr Magen knurrte. Nachdem sie ihn, ohne auf Hannes zu achten, aufgegessen hatte, nahm sie die Unterhaltung wieder auf.

      „Wie denn auch?“ Franziska imitierte die alte Nowak, „sie war ja so ein nettes Mädchen!“

      „Und sie konnte so toll Geige spielen!“ warf Hannes in hoher Fistelstimme ein.

      „Ja, und zuverlässig war sie, und immer pünktlich am Bus!“ Das sollte Schaffroths Stimme sein.

      „Nein, wir haben uns immer gut verstanden. Krach gab es nie. Wir sind Schauspieler, wir morden auf der Bühne, aber doch nicht in Wirklichkeit!“

      „Ach, und: Bei ihrem Aussehen dachte ich ja, die Burschen würden bei ihr Schlange stehen.“ Auf einmal wurde Franziska ernst. „Haben sie aber nicht, und die, die kamen, kamen scheinbar heimlich, unauffällig, nachts.“

      „Stimmt!“ Auch Hannes war wieder ernst. „Wie lichtscheues Gesindel.“

      „Sie kamen in der Nacht, wie der Mann, der sie umgebracht hat, und ich bin mir sicher, es war ein Mann.“ Franziska stand erneut auf und suchte im Zimmer herum. „Hast du irgendwas zu essen? Ich verhungere gleich. Mir ist schon ganz schlecht!“

      „Wir könnten Pizza bestellen.“

      „Nein, das dauert ja auch wieder so lange. Ich denke, wir machen Schluss und knöpfen uns morgen die Theaterleute vor, bis sie uns sagen, was sie wirklich über Sophia Weberknecht wissen. Einzeln sind die bestimmt nicht mehr so abgeklärt, meinst du nicht?“

      „Ich weiß nicht, wir können es nur versuchen.“

      ***

      Franz Albert Mager war seit einem halben Jahr Witwer. Seine Frau hatte sich leise davon gemacht, unscheinbar, so wie sie es in den siebenundvierzig Jahren ihrer Ehe immer gehalten hatte. Die Wohnung sauber, zu jedermann höflich und nur nicht klagen. „Mit Gottes Hilfe wird es schon wieder“, hatte sie gesagt, und vielleicht war er wirklich gnädig zu ihr gewesen, auf ihrem letzten Weg. Zurück blieb ein Ehemann, der es nicht glauben wollte und mit der neuen, so nie geplanten Situation nicht umgehen konnte.

      Unschlüssig sah sich Mager an diesem Morgen in der Wohnung um, bis sein Dackel Wastl auf ihn zugelaufen kam und ihm signalisierte, dass es Zeit war, nach draußen zu gehen. Doch zunächst musste er noch auf seine Tochter Ilona warten. Die kam jeden Morgen bei ihm vorbei, fragte, was sie einkaufen sollte und wusste es am Ende doch besser. Sie kümmerte sich um die Wäsche und das Essen und plauderte ein wenig unbeholfen mit ihm, wie er sehr wohl spürte. Sie hatte eigentlich keine Zeit, aber sie nahm sie sich, und das rechnete er ihr hoch an.

      Als es klingelte, sagte er zu Wastl: „Jetzt hat das Mädel wieder unseren Schlüssel vergessen“, schüttelte gutmütig den Kopf und lief, ein kleines Lächeln die Mundwinkel umspielend, zur Wohnungstür. Wastl folgte ihm und bellte aufgeregt. „Psst, Wastl, du schreckst ja das ganze Haus auf!“

      Vor der Tür stand Hauptkommissar Berthold Brauser und hielt ihm seine Dienstmarke entgegen. „Guten Morgen, Herr Mager, ich hoffe, ich störe nicht?“

      Mager schüttelte den Kopf und bat den nur wenige Jahre jüngeren Kommissar herein.

      Der Witwer wohnte in einer ähnlichen Siedlung wie die Brausers. Im Treppenhaus standen die gleichen ärmlichen Topfpflanzen, nur dass hier auch noch unzählige Schuhpaare vor den einzelnen Wohnungstüren herumlagen. Die Wohnung dagegen war aufgeräumt, fast ein wenig leer.

      „Ich möchte Sie bitten, mir den Fundort der Waffe zu zeigen“, setzte Brauser an und warf einen Blick in die Küche. Auf der Anrichte standen ein Kaffeebecher und ein Brettchen mit einem Messer und einem Löffel darauf. „Ja, ja.“ antwortete Mager ein wenig abwesend und sah zur Tür. Brauser missverstand diesen Blick.

      „Wenn Sie sich etwas Warmes anziehen wollen – ich hab das Auto gleich vor der Tür geparkt.“

      „Ja, wissen Sie, ich muss aber noch auf meine Tochter warten.“ Der Kommissar blickte ihn fragend an und Mager fügte hinzu: „Sie hilft mir im Haushalt.“

      „Wann kommt sie denn?“

      Er sah auf die Uhr. „Eigentlich müsste sie schon da sein, ich dachte ja …“ Anstatt seinen Satz zu beenden, holte er einen Block und einen kleinen Bleistift aus der Schublade und schrieb mit der schönen, lange vernachlässigten Schreibschrift eines Drittklässlers:

       Ich musste weg.

       Mach alles so, wie du denkst

       du weißt ja am besten, was ich brauche.

       Dein Vater

      Brauser hatte ihm über die Schulter geschaut, aber nichts verstanden. Doch Mager nahm Jacke und Hut, zog die Schuhe an und griff nach der Leine von Wastl.

      „Wir könnten zu Fuß gehen, es ist nicht weit und der Hund muss auch raus.“

      Brauser nickte und Mager sah ihn an, als wären sie alte Bekannte. Zwar war das Wetter nicht besonders einladend, aber bei einem Hund durfte man wohl nicht empfindlich sein. „Wo müssen wir denn jetzt hin?“, fragte der Kommissar, schlug den Kragen seiner Jacke hoch und schob fröstelnd die Hände in die Taschen. Doch der Nebel kroch klamm und erbarmungslos seine Wirbelsäule entlang. Die Sonne hatte am Tag zuvor wirklich nur ein Gastspiel gegeben.

      „Äh, wie meinen Sie das?“

      „Sie wollten mir den Platz zeigen, wo Sie die Waffe gefunden haben.“

      „Ja, natürlich, hier entlang bitte“, rief Mager munter und ging bereits los, ohne auf seinen Begleiter zu warten. Der Dackel zog an der Leine und die beiden Männer folgten ihm.

      „Immer dem Hund nach, der kennt den Weg.“ Seit sie die Wohnung verlassen hatten schien sich die Laune des Rentners aufzuhellen. Wahrscheinlich liebte er dieses Schmuddelwetter, dachte Brauser, der denselben Weg bereits kurz zuvor mit dem Auto entlanggefahren war. Doch von dort aus waren ihm die langweiligen Wohnblocks mit den immer gleichen Garagen davor und den Mülltonnen an der Straße nicht so endlos vorgekommen.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit bogen Herr und Hund in einen gepflasterten Weg ein, der an einigen Garagen vorbei führte. An einer Seite wuchsen schmucklose Sträucher, die sicher ihrer Robustheit wegen ausgesucht worden waren, und auf der anderen gab es einen kleinen Zaun, der wohl was auch immer aufhalten sollte. Brauser betrachtete den Dackel. Vielleicht benötigte er, wenn er erst einmal in Pension war, auch einen kleinen vierbeinigen Freund, um mit ihm Gassi zu gehen, überlegte er kurz, das war bestimmt gesund.

      „Ist es noch weit?“ Brauser hörte sich an wie ein quengelndes Kind.

      „Da