und verflüchtigt, so wird das Denken zu denkender Vernunft hingenötigt werden, um in seinem eignen Elemente die Wiederherstellung aus dem Verderben zu versuchen, zu dem es gebracht wurden ist.
Es gibt also freilich in allen welthistorischen Völkern Dichtkunst, bildende Kunst, Wissenschaft, auch Philosophie, aber nicht nur ist Stil und Richtung überhaupt, sondern noch vielmehr der Gehalt verschieden, und dieser Gehalt betrifft den höchsten Unterschied, den der Vernünftigkeit. Es hilft nichts, dass eine sich hochstellende ästhetische Kritik fordert, dass das Stoffartige, das ist das Substantielle des Inhalts, unser Gefallen nicht bestimmen solle; sondern die schöne Form als solche, die Größe der Phantasie und dergleichen sei es, was die schöne Kunst bezwecke und von einem liberalen Gemüte und gebildeten Geiste beachtet und genossen werden müsse. Der gesunde Menschensinn gestattet doch solche Abstraktionen nicht und eignet sich die Werke der genannten Gattung nicht an. Möchte man so die indischen Epopöen den homerischen um einer Menge jener formellen Eigenschaften, Größe der Erfindung und Einbildungskraft, Lebhaftigkeit der Bilder und Empfindungen, Schönheit der Diktion willen gleichsetzen wollen, so bleibt der unendliche Unterschied des Gehalts und somit das Substantielle und das Interesse der Vernunft, das schlechthin auf das Bewusstsein des Freiheitsbegriffes und dessen Ausprägung in den Individuen geht. Es gibt nicht nur eine klassische Form, sondern auch einen klassischen Inhalt, und ferner sind Form und Inhalt im Kunstwerke so eng verbunden, dass jene nur klassisch sein kann, insofern es dieser ist. Mit phantastischem, sich nicht in sich begrenzendem Inhalte, – und das Vernünftige ist eben, was Maß und Ziel in sich hat, – wird die Form zugleich maß- und formlos oder kleinlich und peinlich. Ebenso in der Vergleichung der verschiedenen Philosopheme, von der wir früher schon gesprochen haben, wird das übersehen, worauf es allein ankommt, nämlich die Bestimmtheit der Einheit, die man zusammen in der chinesischen, eleatischen, spinozistischen Philosophie findet, und der Unterschied, ob jene Einheit abstrakt oder konkret, und zwar konkret bis zur Einheit in sich, die Geist ist, gefasst wird. Jenes Gleichstellen aber beweist eben, dass es nur so die abstrakte Einheit kennt, und indem es über Philosophie urteilt, in demjenigen unwissend ist, was das Interesse der Philosophie ausmacht.
Es gibt aber auch Kreise, welche, in aller Verschiedenheit des substantiellen Inhalts einer Bildung, dieselben bleiben. Die genannte Verschiedenheit betrifft die denkende Vernunft und die Freiheit, deren Selbstbewusstsein diese ist, und welche dieselbe eine Wurzel mit dem Denken hat. Wie nicht das Tier, sondern nur der Mensch denkt, so hat auch nur er und nur, weil er denkend ist, Freiheit. Sein Bewusstsein enthält dies, dass das Individuum sich als Person, das ist, in seiner Einzelheit sich als in sich Allgemeines, der Abstraktion, des Aufgebens von allem besonderen Fähiges, sich somit als in sich Unendliches erfasst. Kreise somit, die außerhalb dieser Erfassung liegen, sind ein Gemeinschaftliches jener substantiellen Unterschiede. Selbst die Moral, welche mit dem Freiheitsbewusstsein so nahe zusammenhängt, kann bei dem noch vorhandenen Mangel desselben sehr rein sein, insofern sie nämlich nur die allgemeinen Pflichten und Rechte als objektive Gebote ausspricht, oder auch insofern sie bei der formellen Erhebung, dem Aufgeben des Sinnlichen und aller sinnlichen Motive, als einem bloß Negativen stehen bleibt. Die chinesische Moral hat, seitdem die Europäer mit derselben und den Schriften des Confuzius bekannt wurden, das größte Lob und ruhmwürdige Anerkennung ihrer Vortrefflichkeit von denen, die mit der christlichen Moral vertraut sind, erlangt. Ebenso ist die Erhabenheit anerkannt, mit welcher die indische Religion und Poesie (wozu man jedoch beisetzen muss, die höhere) und insbesondere ihre Philosophie die Entfernung und Aufopferung des Sinnlichen aussprechen und fordern. Diese beiden Nationen ermangeln jedoch, man muss sagen gänzlich, des wesentlichen Bewusstseins des Freiheitsbegriffes. Den Chinesen sind ihre moralischen Gesetze wie Naturgesetze, äußerliche positive Gebote, Zwangsrechte und Zwangspflichten oder Regeln der Höflichkeit gegeneinander. Die Freiheit, durch welche die substantiellen Vernunftsbestimmungen erst zu sittlicher Gesinnung werden, fehlt; die Moral ist Staatssache und wird durch Regierungsbeamte und die Gerichte gehandhabt. Ihre Werke darüber, welche nicht Staatsgesetzbücher sind, sondern allerdings an den subjektiven Willen und die Gesinnung gerichtet werden, lesen sich, wie die moralischen Schriften der Stoiker, als eine Reihe von Geboten, welche zum Ziele der Glückseligkeit notwendig seien, so dass die Willkür ihnen gegenüberstehend erscheint, welche sich zu solchen Geboten entschließen, sie befolgen kann oder auch nicht; wie denn die Vorstellung eines abstrakten Subjekts, des Weisen, bei den chinesischen wie bei den stoischen Moralisten die Spitze solcher Lehren ausmacht. Auch in der indischen Lehre des Aufgebens der Sinnlichkeit, der Begierden und irdischen Interessen ist nicht die affirmative, sittliche Freiheit das Ziel und Ende, sondern das Nichts des Bewusstseins, die geistige und selbst physische Leblosigkeit.
Der konkrete Geist eines Volkes ist es, den wir bestimmt zu erkennen haben, und weil er Geist ist, lässt er sich nur geistig durch den Gedanken erfassen. Er allein ist es, der in allen Taten und Richtungen des Volkes sich hervortreibt, der sich zu seiner Verwirklichung, zum Selbstgenuss und Selbsterfassen bringt; denn es ist ihm um die Produktion seiner selbst zu tun. Das Höchste aber für den Geist ist, sich zu wissen, sich zur Anschauung nicht nur, sondern zum Gedanken seiner selbst zu bringen. Dies muss und wird er auch vollbringen, aber diese Vollbringung ist zugleich sein Untergang und das Hervortreten eines andern Geistes, eines andern welthistorischen Volkes, einer andern Epoche der Weltgeschichte. Dieser Übergang und Zusammenhang führt uns zum Zusammenhange des Ganzen, zum Begriff der Weltgeschichte als solcher, den wir nun näher zu betrachten, von dem wir eine Vorstellung zu geben haben.
Die Weltgeschichte, wissen wir, ist also überhaupt die Auslegung des Geistes in der Zeit, wie die Idee als Natur sich im Raume auslegt.
Wenn wir nun einen Blick auf die Weltgeschichte überhaupt werfen, so sehen wir ein ungeheures Gemälde von Veränderungen und Taten, von unendlich mannigfaltigen Gestaltungen von Völkern, Staaten, Individuen, in rastloser Aufeinanderfolge. Alles, was in das Gemüt des Menschen eintreten und ihn interessieren kann, alle Empfindung des Guten, Schönen, Großen wird in Anspruch genommen, allenthalben werden Zwecke gefasst, betrieben, die wir anerkennen, deren Ausführung wir wünschen; wir hoffen und fürchten für sie. In allen diesen Begebenheiten und Zufällen sehen wir menschliches Tun und Leiden obenauf, überall Unsriges und darum überall Neigung unsres Interesses dafür und dawider. Bald zieht es durch Schönheit, Freiheit und Reichtum an, bald durch Energie, wodurch selbst das Laster sich bedeutend zu machen weiß. Bald sehen wir die umfassendere Masse eines allgemeinen Interesses sich schwerer fortbewegen und einer unendlichen Komplexion kleiner Verhältnisse preisgegeben und zerstäuben, dann aus ungeheurem Aufgebot von Kräften Kleines hervorgebracht werden, aus unbedeutend Scheinendem Ungeheures hervorgehen, – überall das bunteste Gedränge, das uns in sein Interesse hineinzieht, und wenn das eine entflieht, tritt das andere sogleich an seine Stelle.
Der allgemeine Gedanke, die Kategorie, die sich bei diesem ruhelosen Wechsel der Individuen und Völker, die eine Zeitlang sind und dann verschwinden, zunächst darbietet, ist die Veränderung überhaupt. Diese Veränderung von ihrer negativen Seite aufzufassen, dazu führt näher der Anblick von den Ruinen einer vormaligen Herrlichkeit. Welcher Reisende ist nicht unter den Ruinen von Karthago, Palmyra, Persepolis, Rom zu Betrachtungen über die Vergänglichkeit der Reiche und Menschen, zur Trauer über ein ehemaliges, kraftvolles und reiches Leben veranlasst worden? – eine Trauer, die nicht bei persönlichen Verlusten und der Vergänglichkeit der eignen Zwecke verweilt, sondern uninteressierte Trauer über den Untergang glänzenden und gebildeten Menschenlebens ist. – Die nächste Bestimmung aber, welche sich an die Veränderung anknüpft, ist, dass die Veränderung, welche Untergang ist, zugleich Hervorgehen eines neuen Lebens ist, dass aus dem Leben Tod, aber aus dem Tod Leben hervorgeht. Es ist dies ein großer Gedanke, den die Orientalen erfasst haben, und wohl der höchste ihrer Metaphysik. In der Vorstellung von der Seelenwanderung ist er in Beziehung auf das Individuelle enthalten; allgemeiner bekannt ist aber das Bild des Phönix, von dem Naturleben, das ewig sich selbst seinen Scheiterhaufen bereitet und sich darauf verzehrt, so dass aus seiner Asche ewig das neue, verjüngte, frische Leben hervorgeht. Dies Bild ist aber nur asiatisch, morgenländisch, nicht abendländisch. Der Geist, die Hülle seiner Existenz verzehrend, wandert nicht bloß in eine andere Hülle über, noch steht er nur verjüngt aus der Asche seiner Gestaltung auf, sondern er geht erhoben, verklärt, ein reinerer Geist aus derselben hervor. Er tritt allerdings gegen sich auf, verzehrt sein Dasein, aber indem er es verzehrt, verarbeitet er dasselbe, und was seine Bildung