Monika Rothacher-Handschin

Der Kopf ist das Rätsel um glücklich zu sein


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kalt und windig. Ich sagte zu Elisabeth: ich glaube, wir schaffen keine halbe Stunde. Und sie grad darauf: wo ist das Restaurant? Und schon waren wir drinnen. Sie wollte mir einen Tee bezahlen, was ich nicht wollte, aber sie bestand darauf und ich nahm es dankend an. Beim Zurücklaufen zum Tisch bemerkte ich, dass sie Punschtee hatten. Ich liebe Punschtee über alles. Ich nahm 2 Päckchen und fragte die Kassiererin, was die kosten würden. Sie sagte mir, die sind nicht zu verkaufen, die gehören zum Tee und die kosten drei Franken. Oh, nein danke, das ist mir doch etwas zu viel. Ich wollte sie gerade zurücklegen, da rief sie mir: ich gebe ihnen die zwei für einen Franken. Ich habe gehört, wie viel Freude sie daran hatten, als sie den Punschbeutel gesehen haben. Ich fand das so lieb von ihr, dass ich 3 Mal Danke gesagt habe. Wir setzten uns in eine ruhige Ecke und genossen das heisse Getränk. Als wir wieder zurückgekommen sind, ging grad der Pflegefachmann vorbei. Er hat ein paar Worte mit uns gewechselt. Dabei habe ich mir an den Kopf gefasst. Elisabeth meinte: hast Du immer noch Kopfweh? Ich: ja, und es ist wieder stärker geworden. Er: wieso sind Sie nicht zu mir gekommen? Weil es mir eine Zeit lang gut ging und ich dachte jetzt brauche ich keine mehr. Er gab mir eine Tablette. Ich mag das ja nicht, wie ihr schon gelesen habt, aber jetzt kam ich nicht drum um. Also schluckte ich das grosse Ding runter. Da ja heute Samstag war, ist es immer so herrlich ruhig hier in der Klinik. Elisabeth und ich haben abgemacht, dass wir in der Lounge unseren Punschtee trinken. Wir mussten das ausnützen solange es ruhig ist. Wir sassen gemütlich zusammen, sie las und ich strickte. Später kam der Pflegefachmann dazu und plauderte mit uns. Abends kam noch eine Patientin zurück, die auch strickte bis zum Abendessen. Wir haben uns später verabredet für einen Filmabend. So ging der Samstag auch vorbei. Und Morgen beginnt ein neuer Tag. Es hatte ja auch Schnee gemeldet. Mal sehen, ob der Wetterbericht Recht hat.

      *

      26. November 2017

      Heute ist Sonntag und da bleib ich immer etwas länger im Bett. Als ich aufgestanden bin und die Vorhänge auf die Seite gezogen habe, sah ich hinauf zum Wald. Die Bäume waren leicht bedeckt mit etwas Schnee. Es sah aus wie Puderzucker. Aber immerhin etwas. Ich überlegte mir, was ich heute machen möchte. Auf jeden Fall muss ich heute nach draussen gehen, egal wie kalt es ist, aber ich gehe. Beim Mittagessen überlegte ich immer noch was ich machen soll. Ich wusste einfach nicht was. Ich ging wieder aufs Zimmer und setzte mich auf den Sessel und schaute etwas TV. Plötzlich klopfte der Pflegefachmann an meine Tür. Er sagte, ich müsse zum Blutdruck messen kommen. Och nein, ich hatte keine Lust. Es bringt eh nichts, er ist immer gleich hoch. Also raffte mich auf und ging halt hin. Es war wie ich sagte. Er fragte mich noch ein paar Sachen, ob ich evtl. angespannt sei und so weiter. Er meinte noch: es wird ja noch eine Blutabnahme gemacht. Ich: nein, die hatte ich doch schon. Oh mein Gott, mir wurde es grad anders. Er schaute sich noch meine Füsse an, weil sie gestern Abend etwas geschwollen waren. Eigentlich bemerkte ich das seit ein paar Tagen, habe einfach noch nichts davon geschrieben, weil ich es nicht für so wichtig fand. Jetzt muss ich das halt auch wieder beobachten. Am Morgen ist immer ok, aber halt am Abend. Als ich wieder zurück wollte in mein Zimmer, sah ich auf dem Weg dorthin, dass mein neuer Plan schon im Fach war. Ich nahm ihn mit und schaute ihn mir an. Tatsächlich, eine Blutabnahme am Montag. Das darf ja nicht wahr sein. Jetzt fängt das Ganze wieder von vorne an. Ich musste jetzt nach draussen gehen an die frische Luft. Ich packte mich warm ein und legte die Winterstiefel an. Eigentlich wollte ich die Stöcke mitnehmen, aber in diesem Moment fing es an so zu schneien, dass ich den Schirm brauchte. Ich war nicht mal 5 Minuten unterwegs, hörte es schon wieder auf. Na toll, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich die Stöcke mitgenommen. Aber man weiss es ja nie im Voraus. Ich merkte schon beim Laufen, dass es mir nicht so gut ging. Es kam plötzlich, ohne sich anzumelden. Ich ging weiter zu den Kühen um zu sehen, ob sie bei diesem Wetter auch draussen sind. Alles war zu und keine Kuh war zu sehen. Aber plötzlich traute sich doch eine den Kopf hinaus zu strecken. Ich rief zu ihr rüber Hallo und winkte ihr zu. Ich ging weiter und sie schaute mir tatsächlich trotz des Wetters hinter her. Ich bog links ab und ging weiter bis zur Kreuzung. Auf einmal, ohne an etwas zu denken, liefen mir die Tränen runter. Ich wusste nicht wieso und warum. Für mich ist das so schlimm, weil ich nicht weiss, warum das alles kommt. Beim Weitergehen fing es wieder zuschneien an. Ich habe das als kleines Zeichen gesehen. Ich liebe es ja, wenn es schneit. Da kann ich alles wieder vergessen. Als ich wieder bei der Klinik ankam, hat die Bezugsperson mir schon angesehen, dass es mir nicht so gut geht. Ich bin auf mein Zimmer gegangen, Bettflasche heiss gemacht und mich hingelegt. Ich kam aber nicht zur Ruhe. Ich wurde immer nervöser und unruhiger. Ich bin aufgestanden und habe mich in die Lounge gesetzt. Blutdruck messen konnte ich noch nicht, da sie besetzt war. Also habe ich wieder angefangen zu stricken. Dieses Mal aber langsam, nicht so schnell wie ich es sonst immer gemacht habe. Einfach langsam. Und nach etwas Zeit merkte ich, wie ich ruhiger wurde. Von jetzt an werde ich es so fortsetzen. So, jetzt wieder zum Blutdruckmessen gehen. Er war wie immer zu hoch. Sie fragte mich, was los ist mit mir, da ging die Heulerei schon wieder los. Ich erzählte ihr halt, dass ich das nicht verstehe, dass es einem plötzlich wieder schlecht geht. Sie meinte, das muss ich jetzt nicht verstehen. Wir sind dran und werden versuchen ihnen zu helfen. Dass wir sicher etwas machen müssen wegen dem Blutdruck ist klar, sagte sie und das weitere wird angeschaut. Aber es wird nicht angeschaut, woher der hohe Blutdruck kommt. Aber ich muss unbedingt lernen, wie mein Mann mir schon immer sagte: nicht immer so weit voraus denken. Ich muss lernen jeden Tag so zu nehmen wie er kommt. Jetzt habe ich schon 3 kleine Schritte gelernt und ich habe die Hoffnung, dass weitere kommen werden. Und wenn es noch ein paar Jahre dauert. Ich werde und ich möchte es schaffen. Als wir fertig waren mit dem Gespräch, setzte ich mich wieder in die Lounge zu Elisabeth. Die hat auch geweint. Aber nicht wegen mir. Wir sassen noch zusammen bis zum Nachtessen. Heute weiss ich eins genau. Ich werde früh zu Bett gehen und fernsehen. Morgen gibt es wieder Programm und man ist beschäftigt.

      *

      27. November 2017

      Aufgestanden, geduscht und ab zur Blutabnahme. Dieses Mal nahm ich es gefasst. Entweder geht es oder es geht nicht. Ein Wunder ist geschehen, sie stach rein und Blut kam. Es ging mir grad doppelt so gut. Blutdruck wie immer ohne Worte. Ab zum Frühstücken und wieder in den Raum, wo unser Wochenstart beginnt. Dieses Mal hat es mir sehr gut gefallen. Als ich den Raum betreten habe, lagen am Boden verschiedene Motive. Mir stach grad eines ins Auge. Rote Rosen. Ich liebe diese Blume. Als wir im Kreis sassen, sagte die Therapeutin: es darf sich jede eine Karte nehmen, die ihm zuspricht. Und wenn mehrere die gleiche wollen, müsst ihr das untereinander klären. Aber so weit kam es gar nicht. Es hat jede und jeder etwas gefunden. Ich natürlich meine Rosen. Als ich an der Reihe war, sagte ich Folgendes zu dem Bild, das ich genommen habe: ich habe die Rosen ausgesucht, weil ich die über alles liebe und sie wunderschön finde. Wenn ich in einen Laden gehe, wo es Blumen hat, besonders Rosen, geht mir immer das Herz auf. Dies ist aber seit ein paar Wochen bei mir verloren gegangen. Für mich sieht alles gleich aus. Und mein Ziel ist, die schönen Dinge wiederzusehen, was im Moment halt noch nicht möglich ist. Aber ich arbeite daran. Und ich werde nicht aufgeben. Punkt 9.00 waren wir fertig. Mein nächstes Ziel war Werken. Dort angekommen, wartete ich, bis mir jemand zu Hilfe kam, um zu zeigen wie man mit Ton umgeht. Ich setzte mich an einen Tisch und sie erklärte mir alles. Also fing ich an zu kneten, zu schlagen und zu klopfen. Das macht man so, damit die Luft raus geht, damit es im Ofen nicht sprengt. Ich hoffe nur, dass ich es richtig gemacht habe. Ich formte den Boden solange bis ich zufrieden war. So und jetzt den Rand nach oben. Das war eine Herausforderung für mich, aber ich hatte es geschafft. Als ich mir das gesamte Bild angeschaut hatte, dachte ich mir, irgendetwas fehlt noch. Ach, ich weiss es, ein Fussball. Also ran, formen, ritzen und ab in die Mitte vom Aschenbecher legen. So, jetzt kann er schön trocknen. Ich war sehr stolz auf mich. Ich bemerkte nicht mal die vielen Patienten, die da waren, so vertieft war ich. Viel zu schnell verging die Zeit. Also ab in die Lounge zurück, etwas stricken und Kaffee trinken. Ein paar Minuten später holte mich eine Pflegefachfrau in den Gang hinaus. Ich dachte schon, was kommt jetzt. Dabei wollte sie mir nur sagen, dass sich die Oberärztin und Hausärztin heute treffen und besprechen, wie es weiter gehen wird mit mir. Ok, dachte ich, warten wir ab. Nach dem Mittagessen klopfte es an meine Tür. Die Pflegefachfrau brachte mir einen Zettel mit einem Termin, den ich heute bei der Hausärztin bekommen habe. Eigentlich wollte ich heute spazieren gehen. Jetzt ist wieder nichts daraus geworden. Also ging ich vorher eine halbe Stunde bis zum Einzelgespräch mit meiner Therapeutin. Das Gespräch war teils gut, teils wieder mit Tränen.