und tauge nicht zu solch traurigen Possen,« lehnte Fufidius lustig die Warnung ab. »Sieh doch hinüber nach dem Podium, Freund Verres. Sitzt nicht der Cäsar unter dem Baldachin seiner Tribüne, als langweile er sich noch viel mehr als wir?«
»Vielleicht sinnt er auf neue Teufeleien,« raunte Verres nach einem Blick auf den in den Zirkus vorspringenden Raum. Das Podium mit der kaiserlichen Tribüne lag erhöht und war mit einer Brustwehr umgeben, zum Schutz gegen allzu grimmige Sprünge der gereizten Raubkatzen – der Löwen und Tiger.
»Nun, wenn seine Teufeleien spannende Spiele bringen und anderen gelten, sollen sie willkommen sein,« versetzte der vorlaute Gerber. »Aber sieh doch, Verres, was dort drüben geschieht! Wahrhaftig, das sieht nach etwas Neuem aus. Also harren wir in Geduld!«
Er reckte und dehnte sich. Dann kramte er einen Beutel hervor, den er bisher zu Füßen seines Sitzplatzes aufbewahrt hatte. Große, gelbe Zitronen holte er aus dem Sacke. Zwei Früchte zerteilte er mit einem Scherben und gab die eine dem Gefährten. Laut schmatzend sog er den ätzenden, bittersauern, aber köstlich erfrischenden Saft.
Verres nahm dankbar die durstlöschende Frucht. Sich dieser Labung armer Zirkusbesucher genießerisch hingebend, beobachtete er, wie in der Arena, der kaiserlichen Tribüne gegenüber, Zimmerleute ein wunderliches Gerüst aufbauten.
Sie schleppten auch Rollen, Seile und schwere Steine herbei. Diese Steine sollten offenbar als Gegengewichte dienen für eine bewegliche Plattform. Denn kaum waren die vorbereiteten Holzteile des Gerüstes von einigen Hundert eiligen Händen zum Bau gefügt, als die Zimmerer Versuche anstellten mit einem auf- und niederschwebenden Mittelstück der Maschine.
»Das sieht vielversprechend aus,« urteilte Fufidius mit kritischer Vorfreude. Er schabte behaglich mit den Zähnen das Fruchtfleisch seiner Zitrone aus, wobei er rücksichtslos die Kerne auf die Köpfe der tiefer Sitzenden spuckte. »Und dort,« – der schwatzhafte Gerber zeigte mit der Schale hinaus in die Arena – »dort scheint noch etwas ganz Besonderes zu kommen. Aber was bedeutet das? Will man einem der Fechter oder einem Wagenlenker ein Denkmal setzen?«
Wirklich schleppten etwa hundert Zirkushandwerker eine ungeheure Säule herbei. Zwar sah man, daß sie nur ein hohler Zylinder aus Holz war. Doch hatte man durch Bemalung der Außenseite den Eindruck erweckt, der wohl dreißig Manneshöhen lange Säulenschaft sei aus ligurischem Marmor gemeißelt. Das Kapitäl war reich vergoldet. Das Postament in der Höhe bot kaum zum Stehen für einen Menschen oder eine lebensgroße Statue Platz.
Schnell war die gigantische Säule aufgerichtet. Nur wenige Minuten nachdem die Handwerker das riesige Gebäu herbeigeschafft hatten, ragte in der gleißenden Sonne der schwindelnd hohe Pfeiler in die Luft. Dann grenzte man den Platz noch durch hohe Barrieren ein. Sie reichten bis zu den Raubtierkäfigen, doch so, daß die Maschinerie und die Säule außerhalb der Einhegung blieben. Ohne Gefährdung durch die Bestien konnten die Zirkusarbeiter an die beiden Bauwerke herangelangen.
Neugierig und erwartungsvoll verfolgte das Publikum diese unverständlichen Vorbereitungen.
»Nennt man auch das Zirkusspiele?« spottete der Gerber. »Na – rasch genug ist es ja gegangen, so daß man wenigstens den Fleiß und die Geschicklichkeit der Leute bewundern konnte.«
»Mit dem Denkmal scheinst du recht zu behalten,« bemerkte Verres. »Sieh, auf der Säule ist ein Galgen mit einer Rolle, deren doppelter Strick bis zum Boden reicht. Daran soll vermutlich die Statue aufgezogen werden.«
»Nun schweigt endlich mal mit euerm Geplapper, ihr blöden Schwätzer!« gebot ärgerlich einer der Umsitzenden. »Ist mit den Vorbereitungen dort eine Überraschung für uns geplant, so greift dem Kaiser nicht vor durch euer törichtes Orakeln. Verderbt Klügeren, als ihr seid, nicht die Freude.«
Der frohsinnige, plauderlustige Gerber warf einen Blick der Geringschätzung auf den mürrischen Patron.
»Ich würde auch dir eine Zitrone zur Erfrischung anbieten, Nachbar,« neckte er den Mann, »wäre dein Gesicht nicht ohnehin schon sauer genug.«
Die Zuhörer rings brachen in ein Gelächter aus. Fufidius frohlockte, die Lacher auf seiner Seite zu haben. Jetzt sog er mit demonstrativem Wohlbehagen die andere Hälfte der Zitrone aus. Dabei tat er, als käme sein greuliches Mienenspiel von der Säure des Saftes. In Wahrheit schnitt er dem Übellaunigen spottende Grimassen.
»Vielleicht bereust du es noch, mich gekränkt zu haben,« knurrte finster der Mann, indem er sich jäh erhob und rasch entfernte.
Sofort rückten alle ringsum von Fufidius und Verres ab. Ein tiefes Schweigen trat plötzlich ein. Man wollte mit den beiden nichts mehr zu schaffen haben. Ihre Nähe war mit einem Male vergiftet. Des Imperators Spione lauerten überall, nicht nur bei den Vornehmen und Reichen, die Caligula oft eines Verbrechens anklagen ließ, nur um sie zu töten und ihr Vermögen einziehen zu können. –
Der Prätor Proculejus Gillo erschien an den Stufen der kaiserlichen Tribüne und meldete dem Cäsar: die Aufstellung der von ihm befohlenen Maschinerie sei vollendet.
Caligula dankte durch eine lässige Handbewegung und verbarg ein Gähnen. Als der Prätor sich entfernen wollte, rief der Kaiser ihn zurück.
»Erweise mir den Gefallen –« hob der Cäsar an.
Gillo ward totenbleich bei dieser ungewöhnlich höflichen Anrede des Gefürchteten. Caligula bemerkte es und lächelte. Doch auch das Lächeln dieses Gorgonenantlitzes war eine Bedrohung.
»Erschrick nicht, mein Freund,« sprach er weiter. »Es handelt sich wirklich um eine Gefälligkeit, die du mir erweisen sollst. – Begib dich zu Messala Barbatus und sage dem Manne, ich ließe seine Tochter Valeria Messalina einladen, während des weiteren Verlaufes der Spiele an meiner Seite zu sitzen.«
Der Prätor verbeugte sich stumm und eilte, seinen Auftrag auszuführen. Doch bald kam er ohne das junge Mädchen zurück. Mit vor Furcht kalkweißem Gesicht und kaum seiner Stimme mächtig, berichtete er: »Herr, des Messala Tochter läßt dir für die hohe Auszeichnung danken –«
»Aber sie kommt nicht?« fiel ihm der Kaiser grimmig ins Wort.
»Sie fürchtet die Götter zu beleidigen, wenn allzuviel Glück sich an einem Tage auf sie niedersenkt. Denn dieser Tag hat ihr schon durch deinen eigenen Mund die Einladung zu deinem Gastmahle beschert.«
Caligula blickte sekundenlang mit unbeweglichen Augen vor sich hin. Dem Prätor schienen es Stunden.
Dann zog der Kaiser einen schweren Ring vom Zeigefinger. Ein schöner Sardonix zierte den Reif. Er reichte dem Prätor das Geschmeide.
»Du warst wirklich in Todesgefahr, Proculejus Gillo. Die kluge Ausrede der Kleinen hat dir das Leben gerettet. Nimm für die ausgestandene Angst den prächtigen Stein hin. Möge er dir das unverdiente Glück bringen, auch fernerhin dich meiner Gunst zu erfreuen.«
Dann lehnte er sich wohlgefällig im Sessel zurück, klatschte in die Hände und rief: »Los, los! Wer soll zuerst unsere neue Maschine erproben?«
»Es ist der Mann, der auf der Straße aufgegriffen wurde, als er dich beleidigte, Herr,« gab Gillo dienstbeflissen und furchterlöst Auskunft.
»Ah, ich entsinne mich! Beginnt!« Ein verschmitztes Lächeln war um seinen Mund. »Laß uns nicht warten, Prätor,« befahl er. »Und ihr, Freunde, gebet acht, was euer Kaiser ersinnt, euch eine heitere Unterhaltung zu bieten.«
»Heil dir, Cäsar!« riefen die Schmeichler.
Der gewaltige Zirkus nahm augenblicklich diesen Ruf auf. Fünfzigtausend Kehlen schrien den Segenswunsch für den blutrünstigen Herrscher Roms zum Himmel.
Auf der mit Statuen geschmückten Spina, einer die Arena in zwei Teile scheidenden Aufmauerung, erschienen nun Herolde und verkündeten dem Volke die Fortsetzung der Spiele. Das Rasseln der Ketten, mit denen die Gittertüren vor den Raubtierkäfigen aufgezogen wurden, vermischte sich mit dem Gebrüll der Bestien. Mit langen Stachelstöcken scheuchten die Wärter Löwen, Tiger, Panther und Leoparden auf. Die Tiere waren ausgehungert,