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Janet Borgward
Das Mädchen mit dem Flammenhaar
Die Rose von Kadolonné
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Inhaltsverzeichnis
Ein tödliches Tuch aus Staub und Sand
Nandu Remdon Kadolonné – Göttliche Rose von Kadolonné
Bisher von Janet Borgward erschienen
Vaterfreuden
Das Mädchen mit dem Flammenhaar Die Rose von Kadolonné
Das Leben ist kein Tanz auf Rosenblättern …
Ehrfürchtig strich ich über die glatte Oberfläche meines Lesesteins aus geschliffenem schwarzem Onyx. Die Buchstaben flackerten leicht, bevor ein weiterer Passus aus den uralten Schriften erschien. Der Stein enthielt das gesammelte Wissen einer Zeit, in der Bücher noch nach altem Papier rochen. Die Seiten an manchen Stellen vergilbt und brüchig vom Alter. Doch das war längst Geschichte. Die Schreckensherrschaft der einstigen Herren von Kandalar nahm dem Volk die Bücher im Tausch gegen Blut.
Das ich über diesen einzigartigen Fundus verfügte, verdankte ich dem Mut meines Vaters, der den Lesestein stahl, um ihn unter größter Geheimhaltung an mich weiterzureichen. Wäre er von ihnen entdeckt worden, hätte es unser aller Tod bedeutet. Aber auch so brachten der Stein und das Wissen darin viel Leid über das Land. Er war wie das Leben selbst. Erzählte von Qualen und Freude, von Hass und Liebe, von der Verderbtheit der Menschen ebenso wie von dunklen Mächten. Der Lesestein beschrieb ein Stück weit auch meine Geschichte. Vergangenes und Zukunft. Man musste nur zwischen den Zeilen lesen – und ich war, was das betraf, ein wenig aus der Übung gekommen.
Jetzt nahm ich mir vor, diesem Geschenk Rechnung zu tragen, indem ich jenes Wissen darin nicht nur zu vertiefen suchte. Nach und nach wollte ich Abschriften anfertigen lassen. Ich geriet ins Schwärmen. Oh ja, es würde wieder Bücher geben in Kandalar, die ein jeder in Händen hielt und die …
„Warum verkriechst du dich im Dunklen?“
Ich erschrak derart, dass mir der Lesestein entglitt. Noch immer hatte ich mich nicht daran gewöhnt, dass Skyler sich lautlos wie eine Feder zu bewegen vermochte.
„Ah, du liest.“
Das Sonnenlicht, das durch sein Eintreten ins Zimmer fiel, überstrahlte einen kurzen Augenblick die Düsternis des Raumes. Er klopfte den Staub von den Lederstiefeln und schritt energisch zu den Öllampen, um sie heller zu drehen.
„Du verdirbst dir die Augen, Avery. Warum setzt du dich nicht auf die Bank vor dem Haus? Das Licht reicht noch für mindestens eine Stunde.“
Weil ich nachdenken muss, wollte ich sagen, behielt es aber für mich. Dabei schirmte ich meine Gedanken vor ihm ab, damit er nicht darin las, was in mir vorging. Was ich ihm mitzuteilen beabsichtigte wollte ich nicht kundtun, wenn er erschöpft von der Baustelle kam, die einmal unser neues Haus werden sollte. Ich wollte ihm einen festlich eingedeckten Tisch präsentieren. Ein verführerisches Kleid tragen, wo ich sonst nur Hosen bevorzugte, wenn ich ihm von der Neuigkeit berichtete, die bald unser Leben veränderte.
„Hast du Geheimnisse vor mir, Montai?”, raunte er und trat näher an mich heran.
Trotz der Gedankenabschirmung schien er wie immer in meinem Gesicht zu lesen, wie in einem offenen Buch. Nur er vermochte dies. Er zog mich in die Arme. Sein Gesichtsausdruck, eine Mischung aus Erwartung, Verführung und Zweifel. Ich roch die trockene Erde, die an ihm haftete, gemischt mit Schweiß und den Strapazen des Tages. Die von der Arbeit schwieligen Hände fuhren verlangend über den dünnen Stoff meines Arbeitshemdes.
„Willst du nicht erst ein Bad nehmen?“ Ein müder Versuch meinerseits, Zeit zu schinden.
„Gern, wenn du das Wasser mit mir teilst?“
Sein Atem streifte meine Wange, als er mein Haar zur Seite schob, um mir einen Kuss auf den Hals zu geben.
„Jeder Tümpel ist klarer, als das Badewasser, das du hinterlassen wirst.“
Ich löste mich aus der Umarmung. Gespielt streng begutachtete ich seine verdreckte Kleidung.
„Wie du meinst. Aber später will ich was Anständiges zu Essen haben, Weib! Ich habe einen Bärenhunger.“
Er packte mein Kinn und presste mir einen Kuss auf die Lippen, dass mir Hören und Sehen verging.
„Was beschäftigt dich so eingehend, Avery?“, fragte Skyler, nachdem er sich die Finger vom Fett der Dschellakeule leckte, wobei sich mir der Magen zusammenzog. Sowohl vom Geruch des Fleisches als auch vor dem, was ich ihm mitzuteilen hatte.
„Wovor hast du Angst, Montai?“ Seine Stimme klang urplötzlich alarmiert.
„Ich habe keine Angst. Nicht vor dir.“ Eigensinnig reckte ich das Kinn vor. „Wir bekommen ein Kind. Das heißt, Zwillinge.“
Jetzt