Alexandre Dumas

Die Fünfundvierzig


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ist es notwendig?«

      »Weil ein Anführer seine Soldaten kennen muß.« – »Und alle diese Leute?«

      »Werden morgen meine Soldaten sein.« – »Aber ich glaubte, Herr von Epernon ....«

      »St! sprecht diesen Namen nicht aus oder sprecht vielmehr gar keinen Namen aus; öffnet die Ohren und schließt den Mund, und da ich Euch jegliche Gnade verhießen habe, so nehmt vorläufig diesen Rat auf Abschlag.«

      »Ich danke, mein Herr,« sagte Ernauton.

      Loignac wischte sich den Schnurrbart ab, stand auf und sagte: »Meine Herren, der Zufall führt hier fünfundvierzig Landsleute zusammen, leeren wir ein Glas von diesem spanischen Wein, auf die Wohlfahrt aller Anwesenden.«

      Dieser Vorschlag wurde mit wütendem Beifall aufgenommen.

      »Sie sind meistens trunken,« sagte Loignac zu Ernauton, »es wäre ein guter Augenblick, jeden seine Geschichte erzählen zu lassen, aber es fehlt uns an Zeit.«

      Dann rief er, die Stimme erhebend: »Holla, Meister Fournichon, laßt alle Frauen, Kinder und Lakaien weggehen.«

      Lardille erhob sich fluchend; sie hatte ihren Nachtisch noch nicht völlig verzehrt. Militor rührte sich nicht.

      Nach einem Augenblick waren nur noch die fünfundvierzig Gäste und Herr von Loignac im Saal.

      »Meine Herren,« sagte der letztere, »jeder von euch weiß oder vermutet wenigstens, wer ihn nach Paris hat kommen lassen ... Gut, ruft nicht seinen Namen aus ... Ihr wißt, das genügt ... Ihr wißt auch, daß ihr gekommen seid, um ihm zu gehorchen.«

      Ein Gemurmel der Beistimmung erhob sich aus allen Teilen des Saales; nur, da jeder einzig und allein das wußte, was ihn betraf, und nicht wußte, daß sein Nachbar durch dieselbe Macht wie er bewogen, gekommen war, schauten sich alle erstaunt an.

      »Es ist gut,« sagte Loignac, »ihr werdet euch später anschauen, meine Herren. Seid unbesorgt, ihr habt Zeit, Bekanntschaft zu machen. Ihr seid also gekommen, um diesem Mann zu gehorchen; erkennt ihr das an?« – »Ja,« riefen die Fünfundvierzig, »wir erkennen das an.«

      »Nun wohl! um anzufangen,« fuhr Loignac fort, »ihr werdet euch geräuschlos aus diesem Gasthofe fortbegeben, um die Wohnung zu beziehen, die man euch angewiesen hat.«

      »Allen?« fragte Sainte-Maline. – »Allen.«

      »Wir sind alle berufen, wir sind hier alle gleich,« sagte Perducas, dessen Beine so unsicher waren, daß er, um seinen Schwerpunkt zu behaupten, einen Arm um den Hals Chalabres schlingen mußte.

      »Nehmt Euch doch in acht,« sagte dieser, »Ihr zerknittert mir mein Wams.«

      »Ja, alle gleich vor dem Willen des Gebieters,« rief Loignac.

      »Oh! oh! mein Herr,« entgegnete Carmainges errötend, »verzeiht, man sagte mir nicht, daß sich Herr von Epernon mein Gebieter nenne.« – »Wartet doch.« – »So hatte ich die Sache nicht verstanden.« – »Aber wartet doch, verdammter Kopf.«

      Es herrschte bei der Mehrzahl ein neugieriges und bei einigen anderen ein ungeduldiges Schweigen.

      »Ich habe euch noch nicht gesagt, wer euer Gebieter sein würde, meine Herren ....«

      »Ja,« versetzte Sainte-Maline, »aber Ihr sagtet, daß wir einen haben würden.«

      »Die ganze Welt hat einen Gebieter,« rief Loignac; »aber wenn euer Wesen zu stolz ist, um da stehen zu bleiben, wo ihr gesagt habt, so sucht höher; ich verbiete es euch nicht, sondern ich bevollmächtige euch dazu.«

      »Der König,« murmelte Carmainges.

      »Still!« rief Herr von Loignac, »ihr seid hierher gekommen, um zu gehorchen, gehorcht also; mittlerweile ist hier ein Brief, den Ihr mit lauter Stimme zu lesen mir das Vergnügen machen werdet, Herr Ernauton.«

      »Befehl an Herrn von Loignac, das Kommando der fünfundvierzig Edelleute, die ich mit Bewilligung Seiner Majestät nach Paris berufen habe, zu übernehmen.«

      Nogaret de la Valette, Herzog von Epernon

      Alle verbeugten sich mehr oder minder wankend.

      »Ihr habt mich also verstanden,« sagte Herr von Loignac. »Auf der Stelle müßt ihr mir folgen, eure Equipagen und eure Leute bleiben hier bei Meister Fournichon, der für sie sorgen wird, und wo ich sie später holen lasse; jetzt aber sputet euch, die Boote warten.«

      »Die Boote?« wiederholten alle Gaskogner; »wir werden uns also einschiffen?« – »Allerdings werdet ihr euch einschiffen,« erwiderte Loignac. »Muß man nicht über das Wasser, um nach dem Louvre zu gehen?« – »In den Louvre, in den Louvre,« murmelten freudig die Gaskogner, »Cap de Bious! wir gehen in den Louvre.«

      Loignac erhob sich von der Tafel, ließ die Fünfundvierzig an sich vorübergehen, zählte sie wie die Schafe und führte sie durch die Straßen bis zur Tour de Nesle, Hier fanden sich drei große Barken, von denen jede fünfzehn Passagiere an Bord nahm, und sogleich entfernten sie sich vom Ufer.

      »Was zum Teufel werden wir im Louvre machen?« fragten sich die Unerschrockensten, die, durch die Kälte des Wassers vom Rausche befreit, der Mehrzahl nach sehr schlecht gekleidet waren.

      »Wenn ich nur wenigstens meinen Panzer hätte,« murmelte Pertinax von Montcrabeau.

      Der Panzermann.

      Pertinax hatte sehr recht, die Abwesenheit seines Panzers zu beklagen, denn gerade zu dieser Stunde entäußerte er sich seiner auf immer durch die Vermittlung des Lakaien, den wir so vertraulich mit seinem Herrn haben sprechen sehen.

      Auf die von Frau Fournichon ausgesprochenen magischen Worte: zehn Taler, lief Pertinax' Diener dem Händler in der Tat nach.

      Da es schon Nacht war, und der Alteisenhändler ohne Zweifel Eile hatte, so war dieser schon etwa dreißig Schritte entfernt, als Samuel aus dem Gasthaus trat, und dieser mußte den Händler rufen, der furchtsam stehenblieb und einen durchdringenden Blick auf den Mann, der zu ihm kam, warf.

      »Was wollt Ihr, mein Freund?« fragte er. – »Ei, bei Gott!« erwiderte der Lakai mit schlauer Miene, »ich will ein Geschäft mit Euch machen.«

      »Nun, so machen wir geschwind.« – »Oh! Ihr werdet mir, beim Teufel! doch Zeit lassen, zu schnaufen.«

      »Allerdings, doch schnauft geschwind, man erwartet mich.« – »Wenn Ihr gesehen habt, was ich Euch bringe, so werdet Ihr Euch Zeit nehmen, da Ihr mir ein Liebhaber zu sein scheint.«

      »Und was bringt Ihr mir?« – »Ein herrliches Stück, ein Werk, womit... doch Ihr hört mich nicht.«

      »Ihr wißt also nicht, mein Freund,« sagte der Panzermann, »daß der Waffenhandel durch ein Edikt des Königs verboten ist?« – »Ich weiß nichts, ich komme von Mont-de-Marsan.«

      »Ah! das ist etwas anderes,« sagte der Panzermann, den diese Antwort etwas zu beruhigen schien; »aber obgleich Ihr von Mont-de-Marsan kommt, wißt Ihr doch schon, daß ich mit Waffen handle, und wer hat Euch das gesagt?«

      »Sangdioux! das brauchte mir niemand zu sagen, Ihr habt es soeben laut genug ausgerufen.«

      Nachdem der Lakai dem aufhorchenden Händler mitgeteilt hatte, daß er mit vielen Gaskognern im Schwert des kühnen Ritters gewesen sei, und ihm versichert hatte, daß diese Fremden weder dem König von Navarra ergeben noch Hugenotten seien, sagte der Händler: »Nähern wir uns ein wenig der Mauer, wir stehen hier gar zu auffallend auf der offenen Straße.«

      Sie gingen miteinander einige Schritte aufwärts bis zu einem Hause von bürgerlichem Aussehen, an dessen Fensterscheiben man kein Licht erblickte. Die Tür befand sich unter einem Wetterdach, das einen Balkon bildete. Eine Steinbank war als einziger Zierat an seiner Fassade angebracht.

      »Laßt einmal den Panzer anschauen,« sagte der Handelsmann, als sie unter dem Wetterdach