ist. Er verabschiedet sich von seinem Wärter und ist mit seinem Ärger allein.
Am nächsten Morgen erzählt er Frau Moser, dass ihn seine Exfrau besucht hatte und was sie von ihm wollte.
«Hast du, äh, Pardon, haben Sie, das wirklich alles so erlebt», fragt sie und wird bei ihrem Versprecher recht verlegen und errötet leicht.
«Ja, es ist leider genauso passiert», antwortet er mit einem Lächeln, schüchtern fährt er fort: «Ich heisse übrigens Max, wenn man sich so viele persönlichen Dinge erzählen muss, darf man sich eigentlich schon Du, sagen? oder, darf eine Verteidigerin zu seinem Mandanten nicht Du sagen?»
«Die Regel ist es nicht», entgegnet sie und lächelt, «aber man kann da schon ein Auge zudrücken, ich bin die Marina. Aber einen Kuss gibt es erst wenn Sie, ä - du wieder frei bist.»
In seiner Zelle, fühlt er sich viel besser, als noch vor einer Stunde. Bis das Licht gelöscht wird, spielt er Schach. Nachts schläft er schlecht. Immer wieder erscheint ihm Marina im Traum. Sie scheint ihn tatsächlich zu mögen, es ist wie ein Wunder.
«Max, was ist los mit dir», fragt ihn Marina am nächsten Morgen.
«Oh, entschuldige, Marina, ich bin mit meinen Gedanken immer noch am Schachspiel. Wenn man sich drei Tage lang so intensiv mit einem Spiel beschäftigt, vergisst man effektiv alles andere, was um einen herum vorgeht.»
«So langsam werde ich das Gefühl nicht los, dass es dir hier sogar gefällt», meint Marina und lächelt verschmitzt, «soll ich dich hier eigentlich rausholen?»
«Ich hoffe es. Wie geht es eigentlich mit meiner Untersuchungshaft weiter? Ich bin jetzt schon drei Wochen hier, können sie mich noch lange festhalten?»
«Es sieht besser aus, ich glaube, dass sich im Mordfall Anita etwas ergeben hat, das dich entlastet. Vermutlich hängt es mit dem medizinischen Gutachten zusammen. Ist dir nicht aufgefallen, dass du in den letzten Verhören nur zu weiteren Fällen befragt wurdest, zu denen dir keinerlei Verdächtigungen nachgewiesen werden können. Seit zwei Tagen steht auch nichts mehr zu deinem Fall in der Zeitung. Ich vermute, dass sie noch etwas Gras über die Sache wachsen lassen wollen und dann bist du frei.»
«Nächste Woche geht übrigens Herr Staatsanwalt Friener in die Ferien. Wir werden also noch am Donnerstag einen Antrag auf Haftentlassung stellen. Ich glaube der Zeitpunkt ist günstig. Ich werde ihm übrigens vorschlagen, dass du einige Zeit in meiner Wohnung wohnen kannst, das steigert die Aussichten auf Erfolg. Du hast doch nichts dagegen?», fragt sie und blickt ihn verführerisch an.
«Du meinst, ich darf bei dir wohnen, was sagen deine Eltern dazu?», antwortet Max und lächelt verschmitzt zurück. Innerlich ist Max sehr gerührt. Mit einem Schlag sind alle seine Probleme gelöst.
«Ich sage einfach, dass jemand auf dich aufpassen muss, dann geht das schon in Ordnung. Ausserdem bin ich, mit fast dreissig Jahren alt genug und weiss was ich tue.»
«Ich danke dir, denn ehrlich gesagt, ich hatte in letzter Zeit angst, aus dem Gefängnis zu kommen, weil ich effektiv nicht wusste, wie es weiter gehen sollte. Die werden sicher verstehen, dass ich bei dir nicht auf den Gedanken komme, abzuhauen. Ich habe mir übrigens letzte Nacht geschworen, dass ich mich bessern werde. Ich will meiner Exfrau und meinen Buben beweisen, dass man den Namen Meier mit Stolz tragen darf.»
«Dann sind wir uns also einig, wenn das klappen soll, habe ich heute noch sehr viel zu tun, ich werde dich noch einmal deinem Schachspiel übergeben müssen.»
«Nochmals herzlichen Dank für alles, allein schon das Angebot, dass ich bei dir wohnen darf, stellt mich moralisch wieder auf. Von so etwas habe ich nicht einmal zu träumen gewagt. Also, viel Erfolg bei deiner Arbeit, ich kann es brauchen. Auf Wiedersehen bis morgen.»
«Also, bis morgen.»
Max ist das erste Mal seit Wochen so richtig aufgestellt. Natürlich ist er auch gespannt, wie er bei Marina wohnen wird. Wird es überhaupt soweit kommen, werden sie ihn freilassen? Wenn das medizinischen Gutachten, ihn als Mörder von Anita ausschliesst, was eigentlich logisch sein müsste, denn soviel Pech kann er nun wirklich nicht haben, dass der Täter mit seiner Blutgruppe und allen anderen Dingen, welche untersucht werden, übereinstimmt, es muss klappen. Ob sein Verhalten im Zusammenhang mit Rebekka, gegen irgendein Gesetz verstossen hat, ist nicht eindeutig geklärt, aber Marina hat ihm versichert, dass diese Tatbestände höchstens mit einer bedingten Strafe geahndet werden. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, wie stark sich Rebekka bedroht gefühlt hat. Aber aus dem Vernehmungsprotokoll lässt sich entnehmen, dass Rebekka die Angst vor Max eingeredet wurde, worauf sie schlussendlich mit ja geantwortet hat.
Am nächsten Morgen legt ihm Marina nicht ohne Stolz den Haftentlassungsantrag vor. Sie stellt den Staatsanwalt vor die Wahl, endlich eine stichhaltige, nicht nur auf Vermutungen passierende Anklage zu erheben, oder man soll das Verfahren einstellen, bis eine beweisbare Anklage erhoben werden kann.
«Glaubst du, dass du damit durchkommst?»
«Ich bin sehr optimistisch, schliesslich sind noch einige Fakten dazugekommen. Meine Vermutungen mit dem medizinischen Gutachten haben sich bestätigt, das Abhören des Polizeifunks ist damit indirekt bestätigt worden, da du ja Anita nicht umgebracht haben kannst. In den anderen untersuchten Fällen, bist du nicht mehr verdächtig, als jeder andere. Also, ich sehe wirklich keinen Grund, warum der Antrag abgelehnt werden sollte. Im Moment bin ich nur nicht sicher, ob es besser wäre, den Fall doch noch vor einem Gericht verhandeln zu lassen, damit deine Unschuld amtlich wird, oder ob wir mit der Einstellung des Verfahrens zufrieden sein sollen.»
«Also, wenn du mich fragst, möchte ich möglichst schnell von dem ganzen Theater nichts mehr hören, also kein Verfahren, ist das klar. Nur wenn es unbedingt nötig ist», protestiert Max heftig.
«Na, dann wäre das auch geklärt», meint Marina und räumt ihre Sachen zusammen, «ich muss mich beeilen, ich will so schnell wie möglich zum Staatsanwalt, sonst fährt der womöglich noch in die Ferien und lässt dich im Kittchen sitzen. Ich an deiner Stelle würde langsam die Sachen packen, ich bin überzeugt, es haut hin. Bis nachher!»
«Viel Erfolg», ruft ihr Max noch nach.
Zurück in der Zelle beschäftigt sich Max wieder mit Schachspielen. Wie jedes Mal erschrickt er, als der Wärter an die Türe klopft.
«Herr Meier, packen sie ihre Sachen, sie werden heute entlassen! Ich freue mich für sie, sie gehören wirklich nicht hierher, ich entschuldige mich für meine Kollegen.»
Das geht jetzt aber schnell, denkt Max und räumt seine paar Dinge zusammen. Danach zieht er noch das Bett ab und macht einen Knäuel für die Wäscherei, wie er es gelernt hat. Den Rest macht der Reinigungsdienst, erklärt ihm der Wärter, als er noch den Boden wischen will.
«Das ist ja wie im Hotel, kann man hier Ferien buchen? Ich habe mich so an das geregelte Leben gewöhnt. Na, ich hoffe doch, dass sie mich hier nicht mehr wieder sehen werden. So schön war es rückwirkend auch wieder nicht. Ist es möglich, dass sie mir einen Blumenstrauss organisieren können? Ich habe da noch fünfzig Franken.»
«Mal schauen was sich machen lässt.»
Der Wärter nimmt die Note und verschwindet. Nun muss Max auf dem Polizeiposten noch die Austrittsformalitäten erledigen.
«Wo bleibt nur Marina», denkt Max für sich, nun, solange der Blumenstrauss nicht eingetroffen ist, hat es noch Zeit. Max hat soeben mit seiner letzten Unterschrift bestätigt, dass er alle seine Sachen wieder erhalten hat, als der Wärter mit dem Blumenstrauss eintrifft. Ein riesiger Strauss schöner langstieliger roten Rosen.
«Kommen sie, wir nehmen lieber den Hinterausgang. Frau Moser ist eben auf den Parkplatz gefahren, um sie abzuholen. Viel Glück. Herr Staatsanwalt Friener lässt sich entschuldigen, er ist sofort in die Ferien gefahren, nachdem ihr Fall abgeschlossen war.»
Marina hat Tränen in den Augen, als sie Max mit dem riesigen Blumenstrauss auf sich zukommen sieht. Ein Polizist trägt ihm die Koffer, damit er seine Hände frei hat. Sie läuft auf ihn zu und küsst